Die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke sollen um mehrere Jahre verlängert werden – in Abänderung einer Festlegung aus dem Jahr 2002, nach einem mühsam erzielten Übereinkommen zwischen der damaligen rot-grünen Regierung und den betroffenen Kernkraftwerksbetreibern; trotz anhaltend kontroverser Einschätzung der grundsätzlichen Gefahren von Kernkraftwerken.
Wenigstens ist zwischen den Gegnern und den Befürwortern der Kernkraft im Laufe der jahrzehntelangen Diskussion insoweit eine Übereinstimmung hergestellt, daß der eigentliche Betrieb wegen der inhärenten Sicherheitstechnik der deutschen Kraftwerke praktisch risikolos ist.
Die Gefährdungen durch mögliche An- und Eingriffe von außen (Terroraktionen oder Flugzeugabstürze) werden dagegen weiterhin unterschiedlich gesehen und bewertet. Ebenso die Probleme der Endlagerung verbrauchter Brennelemente. All dies, wie auch die juristische Frage, ob die Bundesregierung eine Laufzeitverlängerung eigenständig entscheiden kann oder die Zustimmung des Bundesrates dazu erforderlich ist, kann und soll im folgenden unberücksichtigt bleiben, weil es für einen neu aufgerissenen Problembereich unerheblich ist: Das Ansinnen der Bundesregierung, von den Kraftwerksbetreibern eine Geldleistung für die Laufzeitverlängerung zu verlangen.
Staatlich erpreßte Schutzgeldzahlungen
Der Handel zwischen der Regierung und der „Atom-Lobby“ sieht als Gegenleistung für die Laufzeitverlängerung die jährliche Zahlung von 2,3 Milliarden Euro für die kommenden sechs Jahre vor. So lange zumindest sollen die Kraftwerksbetreiber unbehelligt bleiben. Schutzzahlungen für den ungestörten Betrieb eines Geschäftes sind sonst nur aus Mafia-Kreisen bekannt. Oder man stelle sich vor, die Betriebserlaubnis eines Autos würde nach zehn Jahren erlöschen. Das technisch intakte Fahrzeug müßte dann zwangsverschrottet werden. Es sei denn, der Fahrzeughalter würde jährlich 500 Euro Sondersteuer für die Verlängerung der Betriebserlaubnis abführen.
Die staatliche Zwangsabgabe der Kraftwerksbetreiber dient noch nicht einmal dazu, eine höhere Reserve für eventuelle Entschädigungszahlungen im Falle der zuvor beschriebenen unvorhersehbaren Kosten aufzubauen. Die Zusatzeinnahmen sollen in den verstärkten Ausbau alternativer Energien fließen. Auch hier wäre manches über die Sinnhaftigkeit dieser Energiegewinnung einzuwenden, es geht aber jetzt allein um die Frage, ob selbst der bestgewollte Zweck den Einsatz eines so problematischen Mittels rechtfertigt.
Wohlfahrtsverluste durch staatliche Arroganz
Mindestens genauso schlimm wie die rechtliche Willkür sind die dadurch erzeugten Fehlallokationen der wirtschaftlichen Potentiale mit entsprechendem Wohlfahrtsverlust der Gesamtbevölkerung. Zweifellos läßt sich durch die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke sofort ein milliardenschwerer Zusatzgewinn der Kraftwerksbetreiber hochrechnen. Kernkraft ist nun einmal eine konkurrenzlos kostenniedrige Energieerzeugung.
Der theoretisch kalkulierte Zusatzgewinn ist aber kaum zu realisieren. Bei funktionierendem Wettbewerb, auf den die Monopolkommission gerade im Falle der Energiewirtschaft besonders peinlich achtet, führen die niedrigeren Durchschnittskosten zwangsläufig zu niedrigeren Strompreisen. Mit der jetzt erzwungenen Kernkraftabgabe hält die Regierung den Atomstrompreis jedoch marktwidrig hoch. Mit der Verwendung der daraus erzielten Einnahmen für die Subventionierung der ohnedies wesentlich teureren Alternativenergie werden die Stromkosten zusätzlich in die Höhe getrieben. Da wäre es sogar günstiger, wenn die Zusatzeinnahmen des Staates für andere Zwecke verbraucht würden.
Der geplante Laufzeitverlängerungsvertrag verletzt somit nicht nur die ordnungspolitische Grundlage unserer Wirtschaft. Er zwingt auch die Bevölkerung zu höheren Ausgaben für die Energieversorgung, um eine im Ergebnis unsichere Verbesserung der Umwelt zu erreichen, die der zahlende Bürger selbst im Falle der Verwirklichung vielleicht gar nicht in diesem Ausmaß haben will. Ein Lehrbuchspiel für Wohlfahrtsverluste durch arrogante staatliche Interventionen.