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Hart aber Maulkorb

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Thilo Sarrazin weiß, wie die Medienwelt funktioniert. Er kennt die Tricks und weiß um die Lust der Zeitgeist-Journalisten am virtuellen Scheiterhaufen. Er schildert in seinem Buch das Beispiel eines Kameramanns, der angewiesen worden ist, in Hartz-IV-Wohnungen möglichst nicht das teure Elektronikspielzeug und die Flachbildschirme zu filmen, damit die Zuschauer keinen falschen Eindruck von den unteren Einkommensklassen erhalten.

Andererseits kann er auch nicht „nein“ sagen, wenn ein Sender ihn einlädt – und so ist er gestern bei Frank Plasberg erschienen, um nach der Beckmann-Sendung das nächste Tribunal über sich ergehen zu lassen; das hilft ja beim Buchabsatz.

Titel der Sendung: „Rechthaber oder Rechtsausleger“. Damit ist schon mal klargestellt, daß beides nicht geht: Recht haben und rechts sein – das paßt nicht zusammen, jedenfalls nicht beim WDR. Die Sendung war dann auch wieder ein enttäuschendes Spektakel mit zwei erregten Anklägern (Michel Friedmann und eine Migrantin namens Asli Sevinvim), einem intoleranten Parteigenossen Rudolf Dreßler und einem kraftlosen Arnulf Baring, dem jemand Schlafmittel ins Wasser getropft zu haben scheint. Für Sätze wie: „Ich kann manches in dem Buch nicht beurteilen, da halte ich lieber den Mund“, hat ihn die Redaktion bestimmt nicht eingeladen.

Lücke zwischen Volk und Eliten

Diesmal sollte alles anders werden, versprach Frank Plasberg, diesmal gehe es nicht um die Thesen, sondern um die Methodik Sarrazins. Was er mit dieser pseudowissenschaftlichen Ankündigung genau gemeint hat, blieb sein Geheimnis. Auf jeden Fall wurden wieder die gleichen belanglosen Argumente zum Thema „jüdisches Gen“ und „baskisches Gen“ ausgetauscht, die doch nur einen Nebenkriegsschauplatz darstellen.

84 Prozent der Zuschauer haben auf der Hart-aber-fair-Internetseite ihre Zustimmung zu den Thesen des Bundesbankers erklärt, auch wenn sich im Studio niemand zu Thilo Sarrazins Thesen bekennen wollte – außer er selbst natürlich.

Noch nie klaffte die Lücke zwischen dem, was das Volk denkt, und dem, was seine sogenannten Eliten denken, so groß wie heute. Selbst die Wissenschaftlerin, auf die sich Sarrazin wiederholt beruft, Elsbeth Stern, hat es mit der Angst bekommen und sich von ihren eigenen Thesen distanziert, weil Sarrazin die vererbliche Intelligenz als wichtiges Faktum anführt. In der Sendung wurde ein entsprechendes Interview der Frau  genüßlich zitiert. Es war ein Beweis für die hervorragende Wirkungsweise von Unterdrückungsmechanismen – wie bei der Inquisition oder bei Stalin: Es reicht nicht, Leute zu bestrafen, die gegen die Linie der Kirche oder der Partei verstoßen haben. Sie müssen auch noch ausdrücklich widerrufen.

Angeknackstes Selbstbewußtsein

Als Warnung für mögliche Nachahmer. Viele machen dies auch gleich in vorauseilendem Gehorsam, wenn sie die Strafe auf sich zukommen sehen.
Für die Beschimpfungen und Forderungen nach Strafe waren Friedman und Sevindim zuständig. Friedmann brauste, Sarrazin sei eine Schande für die Bundesbank. Und Frau Sevindim schimpfte gleich aufs ganze deutsche Volk, weil es die Integration vierzig Jahre lang verschlafen habe. So als wären wir schuld, wenn die ihre Chance verspielen.

Wir hätten die Ausländer nur zum Arbeiten geholt, behauptete sie. Schon bei Beckmann waren zwei „Quoten-Akademikerinnen mit Migrationshintergrund“ zu sehen. Diese Art Frau wird uns jetzt wahrscheinlich regelmäßig im Fernsehen als Beweis für geglückte Integration präsentiert werden. Irgendwie erinnerte Frau Sevindim an einen eingeschnappten Bürger aus der früheren DDR: Der eine reagiert boshaft, wenn jemand die SED-Diktatur kritisiert, der andere mag es nicht, auf Integrationsdefizite seiner Landesleute angesprochen werden. Das sind immer die gleichen Symptome eines angeknacksten Selbstbewußtseins.

Michel Friedmann wollte dies noch übertreffen. Also behauptete er, die Deutschen hätten Gastarbeiter nur als „Arbeitstiere“ angesehen. Das ist lächerlich angesichts der mickrigen Beschäftigungsquoten unserer Problemzuwanderer der letzten zwei, drei Jahrzehnte. Aber um sich damit auszukennen, hätte jemand das Buch von Thilo Sarrazin aufmerksam lesen müssen, was jedoch wohl wieder niemand getan hat. Natürlich forderte Friedmann von uns Deutschen Kindergärten, in denen „wir die Zuwanderer integrieren“. Mit „wir“ hat er aber bestimmt nicht an seine eigenen zwei Söhne gedacht: Jede Wette, daß die nicht in eine Kita in einem Problembezirk gehen. Mit „wir“ meint Friedmann in Wirklichkeit „ihr“.

Vorsichtige Schätzungen

Frank Plasberg gab sich große Mühe, Sarrazin nicht wie Beckmann ständig penetrant ins Wort zu fallen und ihn dennoch zu widerlegen. Zum Beispiel mit der Bevölkerungsstatistik. Sarrazin hat ausgerechnet, daß – wenn alles so weitergeht – in hundert Jahren die Deutschen in der Minderheit sind. (Im Kosovo haben die Serben das in einer viel kürzeren Zeit erleben müssen.)

Plasberg hat nun beim Statistischen Bundesamt nachfragen lassen und siehe da: Wie im Falle Elsbeth Stern ist das Amt plötzlich gar nicht mehr mit den eigenen Zahlen einverstanden und erklärt zu Sarrazins Berechnungen: „Vorausberechnungen über einen Zeitraum von 120 Jahren sind mehr als fragwürdig.“ Wann haben wir so eine amtliche Aussage eigentlich bei den abenteuerlichen Lügenberechnungen zur angeblich vom Menschen gemachten Erderwärmung schon mal gehört?

Sarrazin blieb ganz cool. Seine Berechnungen waren vorsichtige Schätzungen und beruhten auf viel niedrigeren Einwanderungszahlen als die Prognosen der Statistiker. Insofern wird die Realität seine Prognosen vermutlich eher noch übertreffen.

Reaktion der politisch-korrekten Öffentlichkeit

Am Schluß kam die Assistentin von Plasberg auf die Zuschauerreaktionen zu sprechen: „Herr Sarrazin hat gaaaaanz, ganz viel Zustimmung erhalten“, sagte sie – und las dann genau fünf Nachrichten vor, die die Reaktion bekommen hat: zwei positive und drei negative. Sehr repräsentativ war das nicht, aber die Fähigkeiten in den Grundrechenarten und Statistik gehen nun mal zurück in Deutschland. Steht übrigens auch alles in dem Sarrazin-Buch.

Am Schluß schoß Moderator Plasberg noch den Vogel ab – er fragte Sarrazin tatsächlich: „Fühlen Sie sich in der Tat durch einen Rausschmiß bei der Bundesbank so bedroht, daß Sie einen Maulkorb sehen?“ Was für eine Frage! Jemand verliert sein gesamtes soziales Umfeld, seine Reputation, seine Parteimitgliedschaft, sein Ansehen und nun vielleicht auch noch seinen Job. Wie kann jemand die Reaktion der politisch-korrekten Öffentlichkeit da nicht als Maulkorb empfinden?

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