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Deutsche Heiden

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Beachtliche 20.000 „Druiden“, „Schamanen“, „keltische Heiden“ und sonstige Freaks waren am 21. Juni in Stonehenge, um in der gewaltigen Steinkreisanlage die Sommersonnenwende zu feiern.

Von solchen Zahlen sind wir trotz der Beliebtheit der Externsteine oder auch des jungsteinzeitlichen Sonnenobservatoriums von Goseck weit entfernt, obwohl wir in Deutschland als Urheimat jeglicher Vereinsgeselligkeit mit der Germanischen Glaubens-Gemeinschaft (GGG) über die wohl älteste bestehende neuheidnische Vereinigung verfügen, wobei deren Gründungsjahr (nach vorherrschender Meinung 1912/13, in der Selbstdarstellung einige Jahre früher) und die Frage nach der historischen Kontinuität jedoch umstritten sind.

Noch umstrittener ist allerdings deren „Allsherjargode“, der frühere Grünen-Politiker und Buchautor Géza von Neményi, der eine oberste priesterliche Autorität für sich in Anspruch nimmt, die seine Kritiker in Presseerklärungen, die außerhalb der Szene natürlich niemand liest, vehement bestreiten (oder in Spottliedern verulken).

Germanisches Heidentum war nach alter Sitte offenbarte Lehre

Neményi weist solche Kritik mit dem Bemerkung von sich, daß er ja nur die „traditionellen Heiden“ in Deutschland vertrete, alle anderen daher keinen Grund hätten, sich bevormundet zu fühlen; die des Modernismus Bezichtigten suchen im Gegenzug nach „modernen“, beziehungsweise in der völkischen Esoterik des 20. Jahrhunderts verwurzelten Anschauungen im Denken des Heidenpriesters und stellen dessen Amt überhaupt in Frage: „Goden“ habe es zwar im Island der Wikingerzeit gegeben, aber diese „Kult-Experten“ seien keinesfalls mit Priestern im christlichen Sinne vergleichbar und hätten über keine entsprechende Lehrautorität verfügt.

Eine solche habe es auch gar nicht geben können, weil das germanische Heidentum, wie andere polytheistische Religionen auch, in erster Linie „forn sidr“, alte Sitte, und nicht in Buchform offenbarte Lehre gewesen sei, die besonderer Interpreten bedurft hätte.

So richtig dieses Argument ist, folgt ihm doch das Eingeständnis auf dem Fuße, daß sämtliche neuheidnische Ambitionen in Europa (von Randgebieten abgesehen, in denen tatsächlich noch vorchristliche Traditionen, nicht nur in katholischer Umformung, im Volksbrauch existieren) allenfalls neue bzw. neugeschaffene „Sitte“ sind – wie etwa jene, an prähistorischen Stätten Volksfeste zu veranstalten, das Methorn kreisen zu lassen, zu trommeln oder gar Didgeridoo zu spielen.

Ewiger Streit zwischen Traditionalisten und Modernisten

Wer dies als postmodernen Synkretismus tadelt, muß sich andererseits darüber belehren lassen, daß Traditionen zu allen Zeiten produktiver Veränderung, Umformung und Anpassung an neue Lebensumstände unterworfen waren; warum also nicht auch heute?

Der ewige Streit zwischen Traditionalisten und Modernisten beherrscht die heidnische Szene wie jede andere, und beide Positionen haben sowohl ihre Berechtigung als auch ihre Tendenz zur Ausbildung typischer Extremformen:

Im einen Fall liegt diese in der Buchstabengelehrsamkeit und vor allem in der verwegenen Kauzigkeit, die den Allsherjargoden schon mal Beschwerdebriefe an Politiker schreiben läßt, in denen er sich beklagt, daß er nicht wie die Vertreter anderer Religionen zu Feierlichkeiten anläßlich eines Gedenktages eingeladen wurde; im anderen Fall zeigt sie sich in der üblichen Neigung, alles mit allem zu vermengen, esoterisches Mischmasch zu konsumieren, jedem Zeitgeist hinterherzulaufen und dabei nicht zuletzt auch an dem bekannten Spielchen „Wer grenzt sich von wem ab?“ teilzunehmen.

Alles halb so wild

Tatsächlich besteht nämlich eine wesentliche Freizeitbeschäftigung vieler Heiden darin, sich – vornehmlich im Internet, in dem ein Großteil der religiösen Aktivitäten ausgelebt wird – von Nazi-Pappkameraden abzugrenzen und über die Zulässigkeit bestimmter Symbole oder Bekleidungsmarken zu debattieren.

Und selbstverständlich gibt es auch hier eine alles beschnüffelnde Gesinnungspolizei in Gestalt linksgerichteter Gruppen, die die Vereine der „heidnischen Mitte“, von diesen gehaßt und gefürchtet, vor sich hertreiben und beständig nötigen, sich nach rechts abzugrenzen oder nach Rechten in ihren eigenen Reihen zu fahnden.

So kann man sich auch beschäftigen, aber dies alles ist in Deutschland so normal, wie die meisten Heiden, die ihre Gewänder nach der Sonnenwende ablegen und als Programmierer, Rechtsanwaltsgehilfinnen, Krankenpfleger oder Graphik-Designer arbeiten.

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