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27. Januar, Fernsehabend

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Noch im September 2006 war Züli Aladags Film „Wut“, der von der Terrorisierung einer deutschen Akademikerfamilie durch einen türkischen Jugendlichen erzählte, in die Nachtstunden verlegt worden. Gestern abend flimmerte der Film „Zivilcourage“ von Dror Zahavi, der ein ganz ähnliches Thema abhandelt, zur besten Sendezeit über den Bildschirm. Dabei ist „Zivilcourage“ eher noch drastischer als „Wut“. Wir sehen einen großstädtischen Kiez, der sich durch wilde Zuwanderung in einen rechtsfreien Raum verwandelt hat, wo das Recht des Stärkeren gilt und wo der – in der Regel deutsche – Normalbürger vom Staat nichts mehr zu erwarten hat, keinen Schutz, keine Hilfe. Der Film gab eine Ahnung, daß nur die enormen Sozialtransfers einen Ausbruch von bürgerkriegsähnlicher Gewalt verhindern.

Mit einer einzigen, scharfen Handbewegung wurde so die ganze Rhetorik der Sozialarbeiter- und Integrationsbeauftragten in den Orkus befördert. Erst eine Pistole verschaffte dem Antiquar Peter Jordan (Götz George) Respekt: Eine Absage an den bundesdeutschen Pazifismus, der ja kein Ergebnis kühler Reflexion, sondern einer mentalen, aus zwei verlorenen Weltkriegen herrührenden Erschöpfung geschuldet ist. Markieren der Film und sein exklusiver Sendeplatz einen Wendepunkt in der öffentlichen Kommunikation? Wird die schleichende Furcht thematisiert? Werden Gegenmaßnahmen ergriffen? – Die Absicht war, glaube ich, eine andere. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Filme hat damit zu tun, daß Züli Aladag kurdischer Abstammung ist, Dror Zahavi aber israelischer Herkunft. Im Vorfeld war zudem immer wieder betont worden, daß er schon die Biographie Marcel Reich-Ranickis verfilmt hatte.

Herr über die Grammatik

Es ist eine auffällige Koinzidenz, daß unmittelbar davor die ARD-Tagesschau ausführlich über den Holocaust-Gedenktag und die Rede des israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres vor dem Bundestag berichtete. Peres benutzt das Rednerpult des deutschen Parlaments, um einen dritten, in diesem Fall: muslimischen Staat, mit dem Deutschland keine unmittelbaren Probleme hat, frontal anzugreifen und dafür die deutsche Unterstützung einzufordern. Zuvor hatte er in einem Zeitungsinterview seine Beunruhigung darüber geäußert, daß für die jungen Deutschen die deutsch-israelischen Sonderbeziehungen durchaus nicht mehr selbstverständlich sind, viele Israel sogar für gefährlicher halten als den Iran. In seiner Rede erinnerte er daran, daß Bundeskanzlerin Merkel vor dem US-Kongreß gesagt hatte: „Ein Angriff auf Israel kommt einem Angriff auf Deutschland gleich.“ Das heißt: Pazifismus können die Deutschen sich nicht mehr leisten.

Allerdings erfolgt dieser Abschied gleichfalls nicht aus der kühlen Kalkulation eigener Ziele. Was deutsche Zeitungskommentatoren dazu stammeln, läßt sich so zusammenfassen: Deutschland ist kein eigenständiges Land mehr, das spezifische Interessen hat, zuallererst natürlich das Interesse am Selbsterhalt, sondern es ist amorpher Teil einer ominösen Welt-, Staaten- oder Völkergemeinschaft, deren Grundlagen vom Holocaust her bestimmt werden. Das heißt natürlich: bestimmt von denen, die die Definitionsmacht über dieses Verbrechens besitzen. Sie definieren die „gemeinsamen Werte“, die der Politik die Richtung vorgeben. Dabei geht es um ganz konkrete Entscheidungen: Um Krieg und Frieden, um Interventionen, Truppenentsendungen, um Geldflüsse, Waffenlieferungen, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Caesar dominus et supra grammaticam: der Kaiser ist der Herr auch über die Grammatik. Und wer unsere Denk- und Redeweise bestimmt, bestimmt unser politisches Handeln.

Das heißt: Die mentalen Energien, an die der Film appelliert und die er hervorlocken will, müssen am Ende nicht zwangsläufig dem Schutz der eigenen Lebenswelt zugute kommen.

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