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Wickert meckert

Wickert meckert

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Wickert meckert

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An sich ist er ein eher ruhiger Mann; einer, dem nicht so schnell der Kragen platzt. Doch er ist ein sprachempfindlicher Mensch, der zum Beispiel lieber „Strafmaßnahme“ statt „Sanktion“, „Blutrecht“ statt „ius sanguinis“ oder „Judenvernichtung“ statt „Holocaust“ sagt. Deutsche Wörter sind eben saftiger, kräftiger, ausdrucksstärker, das weiß er. Mit Fremdwörtern läßt sich die Sprache nun einmal leichter vernebeln. Bereits als Nachrichtenmoderator der ARD nahm Ulrich Wickert die Sprache sehr wichtig. Folglich beobachtet er auch heute noch den Sprachgebrauch auf dem Gebiet, auf dem er selbst jahrelang tätig war, ganz genau.

Doch jetzt meckert Wickert. Dem freundlichen Herrn ist der Kragen nun doch geplatzt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung rechnet er mit ARD und ZDF ab: „Wenn es um die Sprache geht, bedauere ich, dass nur noch wenige Autoren von Stücken für ‚Tagesschau‘ und ‚Tagesthemen‘ oder für ‚heute‘ und ‚heute-journal‘ den Satzbau beherrschen. Häufig streuen sie Substantive wie grobes Meersalz zwischen kurze Sätze. Auch wenn die Suche nach einer treffenden Schlussbemerkung zu viel Nachdenken fordert, dann ‚bleibt es abzuwarten‘, ‚ist die Ursache unklar‘, oder ‚es wird sich zeigen‘.“

Nachrichtenredakteure sind „schusselig und denkfaul“

Wickert setzt noch eins drauf: „Wer so textet, ist nicht nur schusselig, sondern denkfaul. Und warum lassen die Redaktionschefs die sprachliche Verlotterung durchgehen? Bedeutet ihnen die Sprache so wenig, oder merken sie nichts?“

Von vielen Seiten kommt Zustimmung. Auch die WAZ ist begeistert ob dieser klaren Worte, kommentiert jedoch selbst nicht frei von sprachlichen Modetorheiten: „Der ehemalige Nachrichtenmann Wickert wurde nur selten als nölender Besserwisser verstanden. Am Ende des Tages wurde er als Stichwortgeber einer breiten Massenbewegung gefeiert, die seiner gnadenlosen Abrechnung mit ARD und ZDF zustimmte.“ Der Anglizismus „am Ende des Tages“ (at the end of the day) ist ja nichts anderes als ein aufgeblasenes „letztlich“. Wickert würde das nicht durchgehen lassen. Das Westfalenblatt lobt: „Er hat seinen Prominentenstatus in die Waagschale geworfen, hofft, dass man sich doch eines Besseren besinnt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.“

Die heile Welt der Fernsehfürsten

Wenn Wickert tatsächlich diese Zuversicht gehegt haben sollte, dann wurde er bitter enttäuscht. Dr. Kai Gniffke von der Tagesschau-Redaktion ließ sich zum Beispiel hochmütig zu einer Erklärung herab: „Auch wenn ich mich lieber mit Zukunftsfragen von Nachrichten auseinandersetze, durfte es also heute noch mal ein Blick zurück sein. … Unsere Texte finde ich sprachlich außerordentlich akurat, und zudem gewinnen sie durch den unfallfreien, engagierten Vortrag unserer Präsentatoren.“ Eine solche Wirklichkeitsverleugnung erinnert an die letzten Tage der DDR. Immerhin gibt es heute Meinungsfreiheit, auch wenn sie nichts ändert. Unter der Erklärung Gniffkes stehen nahezu ausschließlich Kommentare von Wickert-Anhängern. Aber warum sollten sich ARD und ZDF nach dem Zuschauer richten? Solange die Gebühren fließen, ist doch die Welt der öffentlich-rechtlichen Fernsehfürsten in Ordnung.

Also: Schön, daß das Volk seine Meinung äußert, schließlich sind wir eine Demokratie, ansonsten bleibt alles wie gehabt: öffentlich-rechtlicher Dienst nach Vorschrift. Ob sich die Sprache „am Ende des Tages“ nach dem Volk richtet, ist unklar, bleibt abzuwarten oder wird sich zeigen. Eines erscheint jedenfalls notwendig:

das Donnerwetter.

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