Lieber Bundespräsident, wie hältst Du’s mit der deutschen Sprache? Die heutige Wahl bietet den Anlaß für einen kleinen Deutschtest. Dieser Prüfung sollen sich die vier Amtsbewerber und ausgewählte Vorgänger stellen. Unsere Sprache hält unser Volk zusammen.
Als Staatsoberhaupt trägt der Bundespräsident somit eine besondere Verantwortung gerade für die deutsche Sprache. Auch wenn er mit geringen Machtmitteln ausgestattet ist, kann er auf Fehlentwicklungen hinweisen und sich für die Landessprache einsetzen.
Sozialdemokraten gegen Amerikanismen
Besonders die beiden sozialdemokratischen Bundespräsidenten haben dies in ihren Reden beherzigt. So sagte Gustav Heinemann 1973 in Marbach: „Die seit Kriegsende bei uns in alle Bereiche des Lebens eingedrungene Flut von Amerikanismen muß endlich wieder zurückgedrängt werden.
Das zu sagen, hat nicht das geringste mit Antiamerikanismus zu tun. Es geht allein um die Verpflichtung gegenüber unserer eigenen Sprache. Diese Verpflichtung verlangt von uns ganz allgemein, den gedankenlosen Gebrauch von Fremdwörtern zu überwinden.“
Johannes Rau führte in einer großen sprachkritischen Rede zur Eröffnung des Kongresses „Gutenbergs Folgen“ im Jahre 2000 in Mainz unter anderem aus: „Wenn wir unsere eigene Kultur schätzen, muß man das auch daran ablesen können, wie wir mit unserer eigenen Sprache umgehen. Die wird gegenwärtig in vielen Bereichen eher lieblos behandelt. Der Gebrauch von Amerikanisch oder besser: Amerikanismen in den Medien und in der Werbung hat in den vergangenen Jahren noch einmal stark zugenommen. Manchmal ist das witzig. Oft ist es albern und häufig dumm. … Ich wünsche mir, daß wir die Möglichkeiten der zweiten Medienrevolution dazu nutzen, die Sprachenvielfalt und die Eigenheit jeder Sprache zu erhalten und uns nicht in Richtung Einheitssprache oder Einheitsjargon abdrängen zu lassen.“
Die christdemokratischen Bundespräsidenten spitzten weniger zu, verkannten aber nicht die Bedeutung einer gepflegten Sprache, etwa Roman Herzog 1996 in der Paulskirche: „Genauen und reflektierten Umgang mit der Sprache zu lernen, heißt immer noch: genau denken zu lernen. Deswegen ist auch die behutsame Pflege der Sprache, die Vermeidung von überflüssigen und unsinnigen Neuprägungen, gerade in der Medien- und Wirtschaftswelt, von so großer Bedeutung.“
Weniger Mut bei der Rechtschreibreform
Bei Äußerungen zur Rechtschreibreform, die nach Allensbach-Umfragen von zwei Dritteln der Deutschen abgelehnt wird, waren Rau und sein Vorgänger Roman Herzog weniger mutig. Zwar sagte Herzog einmal, die Reform sei „überflüssig wie ein Kropf“, ließ aber 1997 auf Nachfrage antworten: „Hier hatte er allerdings nicht nur gesagt, die Rechtschreibreform sei ‚überflüssig wie ein Kropf‘, sondern im gleichen Atemzug auch ausgeführt, er halte die Aufregung über die Rechtschreibreform für genauso überflüssig.“
Und Rau ließ im Jahre 2001 über seinen Sprecher in einem Brief ausrichten: „Der Bundespräsident nimmt für sich die Regelung der Rechtschreibreform in Anspruch, daß außerhalb des Schulbereichs niemand an die neuen Regelungen gebunden ist. Er sieht seine Rolle aber nicht so, daß er seine Entscheidung anderen zur Nachahmung empfehlen möchte.“
Völlige Ahnungslosigkeit offenbarte 2006 ein Sprecher Horst Köhlers in einem Antwortbrief: „Es ist jetzt wichtig, daß nunmehr Sicherheit hinsichtlich der Rechtschreibregelungen herrscht.“ Wer glaubt, daß die Schüler die reformierte Rechtschreibung sicher beherrschen, glaubt wahrscheinlich auch, daß die Rente sicher ist.
Köhler: Liegt im Übergehen des Volkswillens Stärke?
Ein besonders gefühlsbetonter Zugang zur deutschen Sprache ist bei Horst Köhler leider noch nicht wahrzunehmen gewesen. Immerhin ist er jedenfalls Schirmherr der „Initiative Deutsche Sprache“. Als ehemaliger Sparkassendirektor sieht er die Sprache jedoch offenbar eher vom bürokratischen Blickwinkel aus.
Auf die Frage der Bild am Sonntag im Dezember des vergangenen Jahres, ob es so bleiben könne, daß die EU-Bürokratie offizielle Dokumente auf deutsch immer noch verspätet oder gar nicht vorlegt, „obwohl wir den größten Beitrag zahlen“, antwortete Köhler: „Nein. Der deutschen Sprache als Amtssprache in multinationalen Einrichtungen sollte entsprechend der Bedeutung des Landes Rechnung getragen sein.“
Allerdings sprach sich Köhler im selben Atemzug gegen die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz aus: „Die deutsche Sprache ist etwas sehr Wichtiges für die Nation. Sie liegt uns allen am Herzen. Und doch sage ich: Manchmal liegt mehr Stärke im Unterlassen als im Handeln.“ Liegt tatsächlich Stärke darin, etwas zu unterlassen, was nach allen repräsentativen Umfragen rund 70 Prozent der Deutschen fordern?
Schwan, Sodann, Rennicke
Deutlicher wurde Köhlers Mitbewerberin Gesine Schwan. Sie sieht in der Forderung, daß die deutsche Sprache Verfassungsrang erhalten müsse, „die Fortsetzung einer aversiven Politik gegen Einwanderer“. Und „ein Bild von Deutschland, in dem das Deutsche alleinverbindlich ist und alles andere sich
in eine homogene Mehrheitsgesellschaft einpassen muß“, lehnt sie ab. Schwan will statt dessen die Mehrsprachigkeit fördern.
Und die anderen beiden Kandidaten? Der Schauspieler Peter Sodann würde Sprachsünder wie den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Josef Ackermann, in Tatort-Manier wohl einfach verhaften lassen. Sodann sagte vor drei Jahren: „Wissen Sie, diese dummen Amerikanismen, die sich inzwischen überall einschleichen, finde ich albern.“ Und Frank Rennicke, der Troubadix der NPD, würde Sprachpanscher mit seinem Gesang zur Verzweiflung bringen – wenn er denn gelassen wird, was zu bezweifeln ist.
Denn die Bundestagsverwaltung hat ihn bereits gewissermaßen an den Baum gefesselt und seine Kandidatenvorstellung stark zusammengestrichen, offenbar nach dem Motto: „Nein, du wirst nicht singen!“
Testergebnis
Ergebnis unseres kleinen Deutschtests: Die meisten Bundespräsidenten und die vier jetzigen Amtsbewerber setzen sich grundsätzlich für die deutsche Sprache ein. Die Sprachbegeisterung ist jedoch unterschiedlich ausgeprägt. Die Staatsoberhäupter sind zu großen Worten bereit, solange sie sich damit nicht ins politische Tagesgeschäft begeben, wie bei der Frage der Rechtschreibreform.
Für uns bedeutet das, daß wir in einem sprachempfindlichen Bundespräsidenten zwar keinen Mitstreiter haben, der mit uns auf die Barrikaden geht, aber einen moralischen Rückhalt. Dieser fällt um so stärker aus, je angesehener der Amtsinhaber ist. Das Ansehen wäre allerdings um ein Vielfaches größer, wenn die Amtsbewerber vom Volk aufgestellt und unmittelbar gewählt werden könnten.