Marine Le Pen hat nur noch nach einem Anlaß gesucht, um kurz vor den EU-Wahlen demonstrativ einen Trennungsstrich zur AfD zu ziehen. Das hätte der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah wissen können, als er sich von der italienischen Zeitung La Repubblica zu einer deplazierten Debatte über die Bewertung der SS verleiten ließ. Aber: Es war nur noch der Schlußpunkt unter eine Entfremdung, die sich länger angebahnt hat.
Konservative und nationalpopulistische Parteien ordnen noch stärker als andere ihr Vorgehen heimatlicher Politik unter. Wenn sie dennoch seit Jahren eine stärkere Kooperation eingeleitet haben, um über Fraktionen des EU-Parlaments mehr Gewicht in die Waagschale zu werfen gegen eine linke und zentralistische Politik Brüssels, ist das alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Kein Interesse besteht dabei daran, sich vom Ballast politischer Partner im Rahmen solcher EU-Fraktionen innenpolitisch bremsen zu lassen. Viele rechte Parteien wie der Rassemblement National Le Pens oder Giorgia Melonis Fratelli d’Italia haben Jahrzehnte gebraucht, um im Zuge von Häutungen politische Hypotheken der Vergangenheit abzustreifen – und regierungsfähig zu werden. Es stellt sich auch deshalb die Frage, ob die AfD, die eigentlich als unbelastete freiheitlich-konservative Kraft erst 2013 gestartet ist, die entgegengesetzte Richtung einschlagen will? Wenn Parteien mit ähnlicher Programmatik auf europäischer Ebene Brandmauern gegen die AfD errichten, dürfen sich etablierte Parteien in Deutschland mit ihrer Einschätzung nur bestätigt fühlen.
Noch halten Wähler zur AfD
Es ist richtig, daß die AfD sich andererseits nicht durch Ultimaten aus dem Ausland erpressen läßt, wie es Co-Parteichef Tino Chrupalla jetzt bekräftigte. Dennoch hat Marine Le Pen den Finger in eine offene Wunde gelegt, als sie mangelnde Führung bei der AfD kritisierte. Tatsächlich war der AfD-Spitze schon beim Aufstellungsparteitag vor einem Jahr klar, daß Krah eine Fehlbesetzung ist – und konnte sie doch nicht verhindern. Die Vorwürfe zu dubiosen Chinaverbindungen, Geldflüssen und seinem jetzt als mutmaßlichem Spion verhafteten Mitarbeiter standen schon damals ebenso im Raum wie seine Neigung, das eigene Ego über Interessen der Partei zu stellen.
Nach der EU-Wahl werden sich bereits beim Bundesparteitag Ende Juni in Essen Fragen nach Konsequenzen stellen. Die jüngste Kommunalwahl in Thüringen zeigt, welches Potential die Partei trotz härtester Gegenkampagnen mobilisiert. Große Teile der Wählerschaft zeigen sich – noch? – immun gegen die massiven Versuche etablierter Parteien und Medien, die AfD in die totale Isolation zu treiben. Dieser strategisch entgegenzuwirken und sie durch überflüssige Provokationen nicht noch zu befeuern, wird zur Hauptaufgabe.