Daß die deutsche Neuverfilmung des Weltkriegsklassikers „Im Westen nichts Neues“ vier Oscars gewann, ist zweifellos ein Ereignis, darunter den als „bester internationaler Film“. Ist der Streifen jedoch wirklich so gut? Nein. Als er 2021 abgedreht wurde, konnten die Produzenten nicht wissen, welche grausame Wiedergeburt die blutigen Stellungskriege in der Ukraine erleben sollten, nachdem die russische Armee dort im Februar 2022 eingefallen war. Dies verlieh dem Film eine ungeplante Aktualität, die die Jury auch beeinflußt haben dürfte.
Die Oscars für Szenenbild und Filmmusik verweisen auf optische und akustische Effekte, die zweifellos aufwendig und beeindruckend sind. Die Bilder von Grabenkämpfen und Sturmangriffen – atemberaubend inszeniert, dabei an Ästhetik moderner Computerspiele erinnernd. Der Eindruck aseptischer Künstlichkeit stellt sich ein – allem spritzenden Schmutz und fließendem Blut zum Trotz. Der subtilere Horror tagelangen Ausharrens von zur Tatenlosigkeit verdammten Landsern kommt nicht zur Wirkung. Ganz anders die berühmten Szenen im genialen Kinofilm „Das Boot“, als die Besatzung auf Tauchstation endlos dem feindlichen Echolot und Schraubengeräuschen der Schlachtschiffe lauschen mußte.
Im Film wimmelt es von Geschichtsklitterungen
Im prämierten Film wimmelt es zudem von ärgerlichen Geschichtsklitterungen und Hinzudichtungen entgegen der Romanvorlage – wenig überraschend zu Lasten der deutschen Seite. Die am Ende ausgewalzten Verhandlungen zum Waffenstillstand in Compiègne kommen im Roman nicht vor. Geschichtswidrig wird sogar quasi die Dolchstoßlegende gestützt, als seien die zivilen Unterhändler um Staatssekretär Matthias Erzberger und nicht der deutsche Generalstab treibende Kraft gewesen. Stattdessen wird ahistorisch ein absurder Sturmangriff unter Kommando eines blindwütigen Generals kurz vor Eintritt der Waffenruhe inszeniert, bei dem deutsche Soldaten die französischen Gegner, welche bereits ausgelassen in ihren Gräben die Waffenruhe feiern, sinnlos überrennen und massakrieren.
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Viel zu oft überlagert das leidige volkspädagogische Mantra, die Deutschen seien die Unsympathischsten und ewigen Hauptmissetäter das eigentliche Thema des Stoffes. Regisseur Edward Berger („Ich könnte nie sagen, daß ich stolz bin, Deutscher zu sein“) will seinen Film gar als Statement gegen „Trump, Brexit, Orbán, die AfD“ verstanden wissen.
Bezeichnend auf der anderen Seite, daß „Im Westen nichts Neues“ ohne staatliche Filmsubvention produziert wurde. Sonst hätte sicher noch die Genderfrage und Migrationsgeschichte eingeflochten werden müssen. Davon wurden wir wenigstens in diesem Fall verschont.