In der jüngsten Welt am Sonntag ging Susanne Gaschke der Frage nach, weshalb so „viele Deutsche verbittert“ seien. Ob Schriftsteller wie Uwe Tellkamp, die sich über einen „linksliberalen Mainstream“ beklagten, der „abweichende Auffassungen“ im Zuge der Asylkrise „herabwürdige und beleidige“ oder die Hälfte der Bevölkerung, die nach einer Allensbach-Studie Wahlerfolge der „rechtspopulistischen AfD“ begrüßten – der allgemeine „Groll“ habe weniger mit Politik als vielmehr mit „posttraumatischer Verbitterungsstörung“ zu tun, wie ein Professor für Psychiatrie von der Berliner Charité raunend zitiert wird.
Schon eine Woche zuvor hatte die gleiche Zeitung sich ausführlich (Überschrift: „Warum so verbittert?“) dem neuen konservativen Magazin Cato gewidmet und dabei „Kränkungen“ als Ursache für die Ausrichtung der Zeitschrift ausgemacht: „Wie konnte es bei konservativen Intellektuellen – in Cato schreiben gebildete Leute – zu solchen Verhärtungen kommen?“ Konservative Haltung irgendwie als Psycho-Macke? Quasi ein politisches Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom?
„Vom Recht, nicht links zu sein“
Warum erregt Harald Martenstein Anstoß, wenn er im Tagesspiegel „Vom Recht, nicht links zu sein“ schreibt? Wieso soll sich in einer Demokratie 50 Jahre nach 1968 nicht der Zeitgeist auch einmal drehen und die linksliberale Lufthoheit über den Köpfen ein Ende haben? Wäre das sonst nicht einfach nur langweilig und für eine Demokratie beschämend? Haben wir es nicht weniger mit „Verbitterung“ als vielmehr mit der allzu berechtigten Empörung über eine arrogante, an den Realitäten vorbeigehende falsche Politik zu tun?
Und die Bereitschaft, aus den in Jahrzehnten betonierten Diskurs-Korridoren auszubrechen und sich den Befehlsausgaben linksliberaler Feuilleton-Gouvernanten zu widersetzen, wächst von Tag zu Tag: Jüngstes Beispiel ist der Appell „Erklärung 2018“ einer Gruppe von Publizisten, Schriftstellern und Intellektuellen, die sich mit demokratischen Protesten gegen die Politik unkontrollierter illegaler Massenmigration solidarisieren. Denkbar nüchtern der Text des Appells, der fordert, daß die „rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird“.
Erstunterzeichner des Aufrufs sind unter anderem Uwe Tellkamp, Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin, Jörg Friedrich, Vera Lengsfeld, Ulrich Schacht, Heimo Schwilk, Michael Klonovsky. Ihrem Beispiel folgten inzwischen über 100 weitere Unterzeichner. Die mediale Aufregung ist nun groß. Demokratie ist offensichtlich anstrengend. Für manche ist es schwer zu ertragen, die Rolle des intellektuellen gatekeepers, des Torwächters der öffentlichen Meinung, zu verlieren und zu akzeptieren, daß es im offenen Meinungsstreit zu anderen politischen Richtungsentscheidungen kommen kann.
JF 13/18