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Streiflicht: Ganz normale Gefühle

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Patriotismus muß nicht bierernst sein Foto: picture alliance/dpa
Streiflicht
 

Ganz normale Gefühle

In keinem Land der Welt wird nun so verbissen darüber gestritten, ob Nationalgefühle überhaupt „noch gehen“ wie in Deutschland. Doch die Fußball-WM scheint so etwas wie ein Ventil zu öffnen. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Nun wird doch noch bierernst über Fußball-Patriotismus diskutiert. Der Handel flutete das Land mit schwarzrotgoldenen Fanartikeln, und die Deutschen machen begeistert mit. Nichts Neues übrigens: Solche patriotischen Produkte tauchten in Form von scharzrotgoldenem Bonbonpapier schon 1832 beim berühmten Hambacher Fest auf, dem demokratischen „Woodstock“ der deutschen Nationalbewegung.

In keinem Land der Welt wird nun so verbissen darüber gestritten, ob Nationalgefühle überhaupt „noch gehen“. Eine gewisse Entkrampfung brachte das „Sommermärchen“ anläßlich der WM 2006 in Deutschland. Doch noch immer sind kritische Zeitgenossen darüber irritiert, was sich da einfach unkontrolliert Bahn bricht.

Die Fußball-WM scheint so etwas wie ein Ventil zu öffnen. Alle vier Jahre (einschließlich EM alle zwei Jahre) können öffentlich patriotische Gefühle gezeigt werden, ohne daß soziale Ächtung droht. Es gibt in jeder Gemeinschaft eine natürliche Regung, sich zueinander zu bekennen und hin und wieder auch über sich kollektiv zu freuen. Von der Familie über Kirchengemeinde, Region bis zur Ethnie.

Heikle Angelegenheit

In Deutschland eine heikle Angelegenheit. Es gibt folkloristische regionale Substitute: sei es der rheinische Karneval, die alemannische Fastnacht oder das bayerische Oktoberfest. In Norddeutschland erfüllten diesen Zweck hie und da noch Schützenfeste. Alles jedoch ohne eine sinnstiftende Note für die ganze Nation. Und je weiter wir in die preußische Steppe jenseits der Elbe vorstoßen, desto trister wird es auch hier.

Ein Kolumnist des linken Freitag ringt indes mit sich, ob nicht Patriotismus doch ein Stück weit zur normalen Identität dazugehört: „Welchen Sinn macht es, gegen sich selbst zu sein?“ Und: „Es ist hier nicht alles beschissen.“ Zeit-Autor Philip J. Dingeldey bloggt entgegengesetzt, Gruppen versammelten sich unter dem „Pseudoanlaß Fußball“, um „dem Nationalismus zu frönen“ und „stolz auf eine ganze Nation“ zu sein. Kurz – Fußball sei „faschistoid“.

Und die Spiegel-Online-Kolumnistin Sibylle Berg stöhnt: „Die Fußball-WM fördert die bösesten Eigenschaften der Bevölkerung zutage: Alle hören Schlager, hassen ihre Mitmenschen und würden am liebsten Steine schmeißen.“

Patriotismus muß nicht bierernst sein

In Hamburg bedrängt ein grüner Bezirkspolitiker seinen Nachbarn, er müsse seine an der Hausfassade angebrachte große Deutschlandfahne abnehmen, „wegen nationalistischer Tendenzen“. Vielerorts wird auch wieder von linksextremen Antifa-Gruppen exekutierter „Fahnenklau“ gemeldet.

Nach dem Abreißen von Autoflaggen warnen Bekennerschreiben, die deutschen Farben „produzieren in jedem Fall Nationalismus“. Vielleicht atmen wir alle einmal kollektiv durch und erkennen: Patriotismus muß nicht bierernst sein, und nationale Gefühle gehören zu einer intakten Gemeinschaft dazu.

JF 27/14

Patriotismus muß nicht bierernst sein Foto: picture alliance/dpa
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