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Streiflicht: Eine politische Groteske

Streiflicht: Eine politische Groteske

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Streiflicht
 

Eine politische Groteske

Eigentlich muß Jakob Augstein dankbar sein, daß er vom Simon-Wiesenthal-Zentrum wegen vergleichsweise harmloser Kritik an Israel auf die Liste der zehn weltweit schlimmsten Antisemiten gesetzt wurde. Dadurch erhält der farblose Sohn des Spiegel-Gründers erstmals so etwas wie Profil. Ein Kommentar von Dieter Stein.
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„Freitag“-Verleger und „Spiegel“-Erbe Jakob Augstein Foto: JF

Eigentlich muß Jakob Augstein dankbar sein, daß er vom Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWZ) wegen vergleichsweise harmloser und legitimer Kritik an Israel in Amerika auf die Liste der zehn weltweit schlimmsten Antisemiten gesetzt wurde. Durch diesen absurden Akt erhält der farblose Sohn des Spiegel-Gründers nämlich erstmals so etwas wie Profil.

Glücklos hatte Augstein seit 2008 versucht, mit dem Kauf der kriselnden ostlinken Wochenzeitung Freitag verlegerisch in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Doch die Runderneuerung des Blattes floppt trotz großzügigen Wohlwollens der Medienszene und der Vernetzung des Verlegers – die Auflage fällt. Noch im Dezember wurde publik, daß Augstein deshalb ein Viertel der Belegschaft feuern will.

Die Nennung Augsteins auf der Antisemiten-Liste ist grotesk und ein Skandal. Kronzeuge für diese Denunziation ist der deutsche Publizist Henryk M. Broder. Eine solche Titulierung würde normalerweise das Ende für einen Durchschnittspolitiker oder Journalisten bedeuten. Nicht bei Augstein. Bis auf Springers Welt, in der Broder derzeit als Kolumnist tätig ist, scharen sich die Feuilletons hinter dem „im Zweifel linken“ Jakob Augstein.

Hinter Israelkritik von links stecken antinationale Ressentiments

Die wackeren Verteidigungstexte suchte man im Falle von Martin Hohmann oder Jürgen Möllemann einst vergeblich. Es ist bemerkenswert, daß letzterer für vergleichbare Kritik an der Politik Israels von einer Kampagne überrollt und in den Selbstmord getrieben wurde. Ihm wurde „Rechtspopulismus“ vorgeworfen.

Augstein ist nun so „zweifellos“ links, daß ihm die ansonsten gerne geschwungene Antisemitismuskeule erspart bleibt. Broder hat sich verrannt. Dem begnadeten politisch unkorrekten Polemiker verdanken wir jedoch oft genug, daß ein obsessiver und im Zweifel von links bestimmter gesellschaftlicher Konsens erfrischend durchbrochen wird. Zuletzt, als er in einer sarkastischen Brandrede die „letzten Tage Europas“ beschwor und scharf mit der an die KPdSU erinnernden Abgehobenheit der Brüsseler EU-Nomenklatur abrechnete.

Obwohl der polemische Amoklauf gegen Augstein fehlgeht, berührt Broder doch einen wunden Punkt: nämlich eine bigotte Israelkritik von links, hinter der sich antinationale Ressentiments verbergen. Denn Israel verkörpert mit seiner jahrtausendelang in der Diaspora erlebten Verfolgung der Juden als Minderheit den unbedingten Willen, die Einheit von Volk und Nation zu verteidigen – komme, was da wolle.

Sympathischer Selbstbehauptungswille Israels

Dieser sympathische Selbstbehauptungswillen einer Nation ist eine ungeheuerliche Provokation für die linke Idee multiethnischen Weltbürgertums und der Auflösung aller Grenzen. Insofern reagieren Israelis und Juden gereizt auf Belehrungen von saturierten europäischen Intellektuellen, die mehrheitlich selbst nicht mehr bereit sind, Identität und Nation mit ihrem Leben zu verteidigen.

JF 3/13

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