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Zwischen Hammer und Amboß: Friedrich Merz steckt in der AfD-Zwickmühle

Zwischen Hammer und Amboß: Friedrich Merz steckt in der AfD-Zwickmühle

Zwischen Hammer und Amboß: Friedrich Merz steckt in der AfD-Zwickmühle

Schlingerkurs der Union: Der gescheiterte Vorstoß von Friedrich Merz zeigt das ganze Dilemma der CDU. Nach der Bundestagswahl droht die Zerreißprobe zwischen Blau und Rot-Grün. Ein Kommentar von Dieter Stein. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim Bundesparteitag: Schafft er die Migrations- und Wirtschaftswende? Foto: picture alliance / dts-Agentur | -
Schlingerkurs der Union: Der gescheiterte Vorstoß von Friedrich Merz zeigt das ganze Dilemma der CDU. Nach der Bundestagswahl droht die Zerreißprobe zwischen Blau und Rot-Grün. Ein Kommentar von Dieter Stein. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim Bundesparteitag: Schafft er die Migrations- und Wirtschaftswende? Foto: picture alliance / dts-Agentur | -
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim Bundesparteitag: Schafft er die Migrations- und Wirtschaftswende? Foto: picture alliance / dts-Agentur | –
Zwischen Hammer und Amboß
 

Friedrich Merz steckt in der AfD-Zwickmühle

Schlingerkurs der Union: Der gescheiterte Vorstoß von Friedrich Merz zeigt das ganze Dilemma der CDU. Nach der Bundestagswahl droht der Union die Zerreißprobe zwischen Blau und Rot-Grün. Ein Kommentar von Dieter Stein.
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Der von Friedrich Merz über Nacht ausgerufene Kurswechel in der Migrationspolitik ist schon wieder Geschichte. Beeindruckt von der mörderischen Attacke eines ausreisepflichtigen Afghanen in Aschaffenburg hatte der CDU-Chef die Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen im Bundestag verkündet, wurde sein – folgenloser – Entschließungsantrag mit der Forderung nach einer Asylwende mit Stimmen der Union, FDP und AfD angenommen. Der angebliche Tabubruch der Merz-CDU, Entscheidungen mit Hilfe der geächteten AfD durchzubringen, setzte aus Sicht von Rot-Grün Bundestag und Demokratie in Flammen.

Binnen 48 Stunden mobilisierten Vorfeldorganisationen von SPD, Grünen und Linken im Verbund wohlwollend begleitet von öffentlich-rechtlichen Medien die Straße. Mit den Hunderttausenden, die in Großstädten den „Aufstand der Anständigen“ beschworen, demonstrierten nicht „die Deutschen“, auch kein „migrantisches“ Milieu, sondern die rot-grüne biodeutsche Bourgeoisie. Bundesweit attackierten linksgerichtete Chaoten koordiniert Geschäftsstellen der CDU, verwüsteten Büros, bedrohten Mitarbeiter.

Nach Warnungen des Landeskriminalamtes vor Angriffen räumte die Bundeszentrale sogar ihr Gebäude. Davor sammelten sich Zehntausende Demonstranten und skandierten „Nie wieder Faschismus!“, auf Plakaten forderten sie gleich das Verbot von AfD und CDU. In der Geschäftsstelle Berlin-Wilmersdorf versuchten laut Welt linksradikale Randalierer Mitarbeiter dazu zu zwingen, sich als „Faschisten zu bekennen“. Kurz: Die CDU machte Erfahrungen, die für AfD-Politiker zum bitteren Alltag gehören. Folgte dieser Welle an Gewalt und Nötigungen ein Aufschrei quer durch die Gesellschaft? Nein, natürlich nicht. Hat sich der Bundespräsident gegen die linke Gewalt gewandt? Natürlich ebenfalls nicht.

Nach wie vor herrscht eine linke Hegemonie: Großes Mobilisierungspotential

Merz hatte kurzzeitig die Initiative an sich gerissen. Mit seiner Forderung nach einer Asylwende setzte er sich an die Spitze einer sich seit Jahren aufbauenden breiten Wut über die zügellose Migrationspolitik. Man kann sich nur wundern, daß er die Gegenkräfte dabei derart unterschätzte. Auch in seiner eigenen Partei. Ist auf der Habenseite zu verbuchen, daß er den Bruch mit Merkel und ihren Getreuen provozierte? Wie tief dieser Bruch ist, daran wachsen wieder die Zweifel.

Nach wie vor herrscht eine linke kulturelle Hegemonie, verfügt dieses Milieu über ein gigantisches Mobilisierungspotential durch steuerfinanzierte „zivilgesellschaftliche“ NGOs, Kirchen, Gewerkschaften und vor allem Medien. Eine kompakte Macht, die blitzartig auf Gegenwehr schaltete. Ein übermächtiges Netzwerk in einem Kulturkampf, den die Union nie erwidert, sondern dem sie und das sie tragende bürgerliche Umfeld sich seit 1968 mit zunehmendem Appeasement unterworfen hat.

Merz scheitert an eigenen Abgeordneten

Angesichts der politisch-medialen Großwetterlage war es verwunderlich, daß Merz am Freitag dennoch daran festhielt, das „Zustrombegrenzungsgesetz“ mit wenigen sofort wirksamen Verschärfungen in den Bundestag einzubringen, unter Inkaufnahme erneuter Unterstützung seitens der AfD. Die Bundestagsdebatte mit vierstündiger Unterbrechung wurde zu einem Krimi. Es kam zu einer ungewöhnlichen Redeschlacht, die verdienstvoll Widersprüche in der Migrationsfrage deutlich zutage beförderte. Der Parlamentarische Geschäftsführer von CDU/CSU Thorsten Frei rief den Grünen in einer Intervention zu, sie sollten schlicht endlich zugeben, daß sie generell keine Begrenzung der Migration wollten – weshalb auch keine Einigung zu erzielen sei.

Am Ende scheiterte der Antrag aber an entscheidenden Stimmen aus den Reihen der CDU und der FDP. Nun breitet sich seit Tagen Ernüchterung aus in der Union nach dieser in sich zusammengefallenen Attacke.

Die AfD wird die Union weiter „jagen“ können

Am Montag wurde beim CDU-Bundesparteitag deutlich, wie sehr Merz zurückrudern und gebetsmühlenartig beteuern muß, „nie wieder“ mit der AfD zu stimmen: „Es gibt keine Zusammenarbeit, es gibt keine Duldung, es gibt keine Minderheitsregierung, gar nichts.“ Seine stellvertretende Vorsitzende Karin Prien erklärte sogar, der „Antifaschismus“ gehöre zur „DNA“ der CDU. Das Bekenntnis zur Antifa als Symptom peinlicher Geschichtsvergessenheit und Sinnbild für die Unfähigkeit der CDU, das Ziel des „Kampfes gegen Rechts“ zu erkennen, der sich stets im Kern gegen die Union richtet.

Formal wird noch an Forderungen zur Migrationswende festgehalten, doch Merz kann keine Option präsentieren, mit welchen Koalitionspartnern er diese härtere Gangart realistisch umsetzen kann. Mit seinem abrupten Vorstoß zur Migrationspolitik richtete Merz mutwillig die Scheinwerfer auf die politische Zwickmühle, in der die Union steckt. Mit einer aufrechterhaltenen Brandmauer bleibt die CDU auch in Zukunft am Nasenring linker Parteien, wird unter diesem Druck keine politische Wende zustande kommen. Auf dem Parteitag schaltete die CDU deshalb auch wieder um auf das konsensfähigere Thema „Wirtschaftswende“ und will mit mehr Marktwirtschaft und weniger Staat den festgefahrenen Karren Deutschland wieder flottkriegen. Aber auch hier: mit linken Parteien?

Somit ist programmiert, daß die AfD nicht nur weiter den Wahlkampf beherrschen, sondern auch den Raum weiter offensiv füllen kann, den die Union auf der rechten Seite läßt. Eine erneute schwarz-rote Koalition dürfte weder eine harte Migrations- noch Wirtschaftswende herbeiführen. Der AfD fällt mit einer verdoppelten Fraktionsgröße im künftigen Bundestag die Rolle als Oppositionsführerin zu und kann die Union weiter vor sich hertreiben.

Kommt mit Merz die Korrektur oder ein „Weiter so“?

Es sei daran erinnert: Ohne Linksruck der CDU unter Merkel keine AfD-Gründung. Ohne Grenzöffnung 2015 durch Merkel keine Etablierung der AfD. Ohne die massiven Wahlerfolge der AfD kein Bruch der Ampel und vorgezogene Neuwahlen. Ohne weiter steigende Umfragewerte der AfD keine Asylwende der Union.

SPD-Kanzler Olaf Scholz hat Merz vorgehalten, als „affektgesteuerter Zocker“ zu handeln, als er plötzlich bereit war, einen Politikwechsel mit der AfD zu erzwingen. Tatsächlich folgte Merz einem richtigen Instinkt: Danach ist eine wachsende Mehrheit der Deutschen nicht länger bereit zu akzeptieren, daß sich Politiker seit Jahrzehnten feige hinter Sachzwängen verstecken, Verantwortlichkeiten verschleiern, juristische Hindernisse vortäuschen, um überfälligen Entscheidungen auszuweichen.

Die galoppierende Dysfunktionalität des Staates und seiner Institutionen, die offenen Grenzen, verwahrlosten öffentlichen Räume, die leeren Kassen und die stotternde Wirtschaft schreien nach einer Korrektur. Wie es aussieht, droht mit Friedrich Merz jedoch auch nach dem 23. Februar ein „Weiter so“.

Aus der JF-Ausgabe 07/25.

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CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz beim Bundesparteitag: Schafft er die Migrations- und Wirtschaftswende? Foto: picture alliance / dts-Agentur | –
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