„Remigration“ ist offensichtlich zum Unwort des Jahres 2023 gekürt worden, um jegliche Debatte über dringend nötige Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber im Keim zu ersticken. In unserem Nachbarland Österreich führt man die Diskussion um Rückführungen von Migranten in ihre Heimatländer hingegen erheblich nüchterner und diskutiert derzeit sogar auf Regierungsebene das Instrument der Ausbürgerung neu.
Die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach sich unlängst für eine „konsequente“ Aberkennung der Staatsbürgerschaft aus. Der österreichische Paß müsse entzogen werden, „wenn es zu rechtlichen Verfehlungen kommt“, so Raab. Das Thema hatte der ehemalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einen Monat zuvor in der Nachrichtensendung ZIB2 auf den Tisch gebracht. Der FPÖ-Chef forderte neue rechtliche Grundlagen, um Personen, die die einheimischen Werte mißachten würden, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
In Österreich bereits gängige Praxis
Voraussetzung für die Ausbürgerung ist die Vermeidung von Staatenlosigkeit. Besitzt eine Person eine Doppelstaatsbürgerschaft, kann der österreichische Paß „bei aktiver Teilnahme an Kampfhandlungen im Ausland für eine organisierte bewaffnete Gruppe im Rahmen eines bewaffneten Konflikts“ (z. B. IS-Kämpfer) oder „bei rechtskräftiger Verurteilung eines Staatsbürgers wegen terroristischer Straftaten“ entzogen werden.
Wenn ein „neuer“ Staatsbürger nicht ohne triftigen Grund binnen zwei Jahren nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus seinem alten Staatenverband austritt, kann die Einbürgerung rückgängig gemacht werden.
Ausnahme von der Regel gilt jedoch nach einem freiwilligen Eintritt in den Militärdienst eines anderen Staates (z. B. Fremdenlegion) oder wenn ein österreichischer Staatsbürger im Dienst eines ausländischen Geheimdienstes steht. In diesen Fällen kann eine Expatriation auch erfolgen, wenn der Betroffene dadurch staatenlos wird. Ein weiterer Grund, den österreichischen Paß entzogen zu bekommen, ist, wenn die Staatsbürgerschaft erschlichen wurde oder für den Erhalt Urkunden gefälscht wurden.
Deutschland macht viele Zugeständnisse
In Deutschland ist die Rechtslage im Grunde ähnlich gelagert, doch der politische Wille der Regierung fehlt, um den gesetzlichen Weg für eine Expatriation trotz drohender Staatenlosigkeit zu ebnen. Artikel 16 des Gesetzes besagt in Absatz 1: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“
Die deutsche Staatsangehörigkeit kann demnach nur durch die Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit auf Antrag, Eintritt in fremde Streitkräfte, Adoption oder Verzicht verloren gehen. Ein Verlust durch „Eintritt in fremde Streitkräfte“ gilt aber nicht für Personen, die zugleich die Staatsangehörigkeit der jeweiligen Heere folgender Länder besitzen: die Mitgliedstaaten der EU, der Europäischen Freihandelsassoziation, der Nato und zudem Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland und die USA. Doppelstaatsbürger anderer Länder müssen die vorherige Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung beantragen, um nicht ausgebürgert zu werden.
Geschichtshysterie statt Ausbürgerungen
De facto kann man in Deutschland viel machen, ohne eine Expatriation fürchten zu müssen. Selbst deutsche IS-Kämpfer, die nur den deutschen Paß besitzen, können nicht ausgebürgert werden – obwohl sie unaussprechliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.
Die Zahl der Ausbürgerungen wird in Österreich nicht statistisch erhoben, die Tageszeitung Der Standard geht von jährlich zweistelligen Zahlen aus. Doch im Gegensatz zu Deutschland wird eine Erleichterung der Verfahren und sogar eine Ausweitung der Gründe für die Entziehung der Staatsbürgerschaft medial und auf Regierungsebene thematisiert – ohne in „Kampf gegen Rechts“-Hysterie zu verfallen und unsachliche geschichtliche Parallelen zu ziehen.