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Kinderbücher, Sandro Wagner und Schwurbel-Lobo: Kaisers royaler Wochenrückblick

Kinderbücher, Sandro Wagner und Schwurbel-Lobo: Kaisers royaler Wochenrückblick

Kinderbücher, Sandro Wagner und Schwurbel-Lobo: Kaisers royaler Wochenrückblick

Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
Kinderbücher, Sandro Wagner und Schwurbel-Lobo
 

Kaisers royaler Wochenrückblick

Langsam reicht es auch den Promis mit woken Sprachregeln, wie Ex-Fußballer Sandro Wagner zeigt. Derweil fallen weitere Kinderbücher der politisch korrekten Überarbeitung zum Opfer – und Sascha Lobo schwurbelt drauf los. Boris T. Kaiser blickt zurück.
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Die „Krieger der sozialen Gerechtigkeit“ vergreifen sich mal wieder an der Weltliteratur. Diesmal haben sie die Bücher des nordirischen Schriftstellers Roald Dahl in ihr wokes Visier genommen. Kinderbuchklassiker wie „Charlie und die Schokoladenfabrik“ oder „Die Zwicks stehen Kopf“ sind dem britischen Verlag „Puffin“ für die neue Zeit nicht mehr inklusiv genug.

Deshalb sollen die Werke des im Jahre 1916 geborenen Autoren nun politisch korrekt redigiert werden. „Sensible Mitarbeiter“ würden die Texte noch einmal sorgfältig durchgehen, auf das diese auch in Zukunft „von allen Lesern genossen werden können“, berichtete die Zeitung The Guardian. Mit anderen Worten: Die Bücher sollen so umgeschrieben werden, daß sie bei einer hypersensiblen Generation keinen Anstoß erregen. So wird zum Beispiel der übergewichtige Junge Augustus Glupsch aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“ in der Version für überempfindliche Lesemäuschen nicht mehr als „fett“ bezeichnet, sondern als „enorm“. Das klingt so „body positive“, daß man ihm direkt nacheifern will und sich selber zu einem „enormen“ jungen Mann heranfressen möchte.

Auch die Gender-Gerechtigkeit hat Einzug gehalten in die berühmte Schokoladenfabrik. Aus den „kleinen Männern“, die dort einst arbeiteten, machen die Inklusivitätsinspektoren des Londoner Verlagshaus kurzerhand „kleine Leute“.

Prominente stellen sich gegen Shitstormer

Auch in dem 1980 erschienen Buch „Die Zwicks stehen Kopf“ lassen die progressiven Literatur-Regulatoren gewaltig ihren knallroten Woke-Stift kreisen und streichen in der Beschreibung der als „häßlich und bestialisch“ charakterisierten Frau Zwick das beleidigend oberflächliche Wort „häßlich“ gleich komplett. Die Änderungen seien, so versicherten die Verlagsverantwortlichen, mit Bedacht gemacht worden. „Es ist nicht unüblich, die Sprache vor einer neuen Druckauflage noch einmal zu überarbeiten.“ NOCH NICHT, müßte es an dieser Stelle wohl korrekterweise heißen.

Der überbordende Selbstgerechtigkeit, mit der die neue Moral-Elite nach eigenem Gutdünken entscheidet, wann und wo ihr Eigreifen Not tut, stößt bei immer mehr Menschen auf Widerstand. Der „kleine Mann“ auf der Straße hat sowieso schon lange kein Verständnis mehr für die immer neuen Sprach- und Verhaltensregeln, die irgendwelche selbsternannten Erziehungsberechtigten ihm auferlegen wollen.

Inzwischen haben aber auch immer mehr Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, keine Lust mehr auf die ständigen Maßregelungen aus der Woke-Bubble. Daß es sich bei dieser um einen Scheinriesen handelt, die außerhalb von Twitter und Co. kaum existiert, scheint sich mittlerweile auch unter unseren Prominenten herumgesprochen zu haben. Zumindest soweit, daß es keine allzu große Seltenheit mehr ist, daß einzelne von ihnen es wagen, ihre Stimme gegen die Shitstormer-Truppen aus dem Internet zu erheben.

Sandro Wagner gibt sich selbstbewußt

Aktuelles Beispiel für diese positive Entwicklung ist der Ex-Fußballstar Sandro Wagner, der die derzeit herrschende „Empörungskultur“ kritisiert hat. Der ehemalige Nationalspieler, der schon länger dafür bekannt ist, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten, will an seinen Grundsätzen auch als Experte für den Streaming-Dienst DAZN weiter festhalten. Auch weil er weiß, daß dies bei den Zuschauern überwiegend gut ankommt. Großen Teilen der Fußballfans hängt die moralingesäuerte Polit-Folklore vieler seiner zeitgeistig glattgebügelten Kollegen schon lange zum Halse heraus.

„Ich arbeite jetzt seit zweieinhalb Jahren als TV-Experte, und wenn ich die Auswertungen bekomme, sind sie absolut positiv. Daß es immer wieder Menschen gibt, die nicht gut finden, was man macht, ist auch normal. Das ist wie bei einem Büfett. Der eine mag lieber Fleisch, der andere lieber Fisch, der eine mag diesen Experten lieber, der andere jenen“, so der selbstbewußte Ex-Profisportler. Er wolle sich „aber treu bleiben“. Denn: „Wenn man an sich Dinge verändert, nur um allen zu gefallen, ist man schon gescheitert.“

Vielleicht ist die Attitüde des ehemaligen Münchner Offensivspielers ja eine typisch bayrische Einstellung. Wurde sie doch einst schon vom damaligen Ministerpräsidenten des Bundeslandes, Franz-Josef Strauß, auf den Punkt gebracht: „Everybody’s darling is everybody’s Depp“. Daß eine solche Haltung im Zeitalter der Cancel Culture nicht ungefährlich ist, ist Wagner bewußt. Ebenso aber auch, daß er mit dieser nicht alleine steht. „Das ist ein ganz schwieriges Thema, das sich in den letzten Jahren extrem entwickelt hat. Ich habe das Gefühl, wir sind da allmählich an der Spitze. Ich nehme es so wahr, daß sehr viele Leute mittlerweile den Kopf schütteln und sich fragen: Darf man denn gar nichts mehr sagen?“, äußerte der 35Jährige.

„Schwurbler“-Begriff ist wieder da

Es sei zwar „gut und wichtig“, daß heute bei gewissen Themen „mehr Sensibilität“ eingekehrt sei. „Schlimm“ findet Wagner aber, „wie radikal oft direkt verurteilt wird, wie Äußerungen bewußt in die negative Richtung interpretiert werden“. Woher dieser neue Wind pfeift, weiß der DAZNExperte auch. Er verweist auf die „Empörungskultur in den sozialen Medien“ und das zunehmenden „Clickbaiting“. „Wenn man ständig heftige Reaktionen befürchten muß, raubt das einem irgendwann die Lust, sich anders als 0815-mäßig zu äußern“, sagte Wagner und wird dabei wohl auch so einige seiner ehemaligen Mitspieler und heutigen Fernsehkollegen vor Augen haben.

Mit seinen Äußerungen dürfte sich der ehemalige Co-Kommentator des ZDF für nicht wenige Anhänger der Cancel Culture für die Kategorie „Schwurbler“ qualifiziert haben. Die Bezeichnung ist ja inzwischen so etwas wie der offizielle Adelstitel für alle, die frei nach Oliver Kahn, die Eier haben, eine vom aktuellen Mainstream abweichende Meinung zu äußern. So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis das politische Schimpfwort auch im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zur Anwendung kommt. In der Spiegel-Kolumne von Sascha Lobo war es nun endlich soweit. Der Journalist und Werbetexter prangerte die „Friedensschwurbler“ an, die, wie er glaubt, „hauptsächlich Frieden für sich selbst“ wollten.

Der „Schwurbler“-Begriff des Bloggers funktioniert nach den gleichen Prinzipien, nach denen er schon bei den angeblichen „Covidioten“ in aller Regelmäßigkeit daneben gegriffen hatte. Am Beispiel von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht machte Lobo eine „deutsche Querfront“ aus, von der er behauptete, sie verlange von der Ukraine, „sich mit ihren Mördern und Vergewaltigern zu arrangieren“. Die Moralkeule hat offenkundig lange noch nicht ausgedient.

Schwurbeln ist die neue Realität

So reaktivierte der Anti-Punk vom Spiegel auch gleich die Begriffe „Selbstbesoffenheit“ und „Egoismus“, um die, die keine deutsche Einmischung in den fremden Krieg wollen, als von Grund auf unsolidarisch und damit generell menschenfeindlich zu verunglimpfen. Dabei ist nationaler Egoismus bei Lichte betrachtet alles andere als schlecht. Im Gegenteil. Eigentlich ist er genau das, wofür die Abgeordneten des Bundestags gewählt wurden und worauf die Mitglieder des Kabinetts ihren Eid geschworen haben.

Auch ist es nicht verwerflich, „hauptsächlich Frieden für sich selbst“ zu wollen. Es ist vielmehr ein Zeichen von Vernunft. So zeigt sich auch inmitten der neuen Hysterie einmal mehr: Schwurbeln ist die neue Rationalität.

Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
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