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Neuer hessischer Ministerpräsident: Der lange Weg des Boris Rhein

Neuer hessischer Ministerpräsident: Der lange Weg des Boris Rhein

Neuer hessischer Ministerpräsident: Der lange Weg des Boris Rhein

Boris Rhein (CDU) legt den Amtseid als hessischer Ministerpräsident ab Foto: picture alliance/dpa/dpa/POOL | Arne Dedert
Boris Rhein (CDU) legt den Amtseid als hessischer Ministerpräsident ab Foto: picture alliance/dpa/dpa/POOL | Arne Dedert
Boris Rhein (CDU) legt den Amtseid als hessischer Ministerpräsident ab Foto: picture alliance/dpa/dpa/POOL | Arne Dedert
Neuer hessischer Ministerpräsident
 

Der lange Weg des Boris Rhein

Die Staffelübergabe in Hessen ist vollzogen. Boris Rhein hat seinen CDU-Parteifreund Volker Bouffier als Ministerpräsident beerbt. Nun regiert Rhein, der mal als Gegner von schwarz-grünen Koalitionen galt, mit einer ebensolchen. Kann das gutgehen? Ein Kommentar von Sandro Serafin.
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Auch Boris Rhein war mal ein junger wilder Jung-Unionler: An die Option eines schwarz-grünen Bündnisses dürfe nicht einmal ein „Gedanke verschwendet werden“, gab der damals 22jährige 1994 zum Besten, als die Frankfurter CDU-Chefin Petra Roth bereits mit den Grünen anbandelte. Rhein war Vorsitzender eines kleinen JU-Verbandes, der den „Kampf“ gegen Schwarz-Grün zur „Herzenssache“ ausrief.

Inzwischen haben sich Rheins Prioritäten verschoben: Bereits seit 2006 arbeitet er als Dezernent in Frankfurt in einer schwarz-grünen Konstellation. Und nun, knapp 30 Jahre später steht der 50jährige sogar an der Spitze eines Bündnisses mit den Grünen, das ihn am Dienstag mit zusätzlichen Stimmen aus der Opposition im hessischen Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt hat.

Rhein ist den Weg der Christdemokraten nach links mitgegangen. Dabei hatte er der politischen Linken auch noch zu landespolitischen Zeiten lange als harter Hund gegolten, was jedoch wohl weniger an ihm persönlich lag, als an dem Amt, das er ausfüllte: 2009 hatte der „schwarze Sheriff“ Volker Bouffier Rhein als Staatssekretär ins Innenministerium geholt.

Schon im folgenden Jahr, als Bouffier in die Staatskanzlei ging, übernahm der Frankfurter das Haus dann selbst und machte dort das, was Innenminister so machen: Innen- und Sicherheitspolitik. Das reichte schon, wie auch einst bei Bouffier, für die Schmähung durch den politischen Gegner aus.

Das konservative Image will Rhein loswerden

Heute ist Rhein, der die CDU „jünger, weiblicher und bunter“ machen will, darum bemüht, das ihm noch immer anhängende Image des angeblichen Konservativen endlich loszuwerden. „Ich bin ein grundsätzlich liberaler Mensch, ich habe gesellschaftspolitisch liberale Ansichten“, sagte er jüngst der Frankfurter Neuen Presse und bekannte sich offensiv zur „Ehe für alle“.

Auf das Bild vom „CDU-Hardliner“ angesprochen, erklärte er: „Man muß immer sehen, welche Funktion jemand hat. Wenn Sie Innenminister sind, haben Sie die Funktion, einen konsequenten Staat umzusetzen.“ Das klang schon fast entschuldigend, auch wenn Rhein, der Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU ist, auch heute noch für einen „starken Staat“ plädiert.

Rhein, dessen Vater ursprünglich Sozialdemokrat war, aber später zur Union ging, hat eine klassische CDU-Karriere hinter sich: Er ging in die Junge Union, studierte Jura, arbeitete als Anwalt, wurde Abgeordneter, Staatssekretär und Minister. Daß der zweifache Familienvater es bis in die Staatskanzlei geschafft hat, war gleichwohl alles andere als ausgemacht, denn sein Werdegang war auch von herben politischen Rückschlägen geprägt.

2012 fiel Rhein, für viele Beobachter überraschend, bei der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt durch. Die Inthronisation durch die Vorgängerin, die am Dienstag gelang, war damals gründlich schief gegangen, auch weil die Grünen seinerzeit noch nicht so mitspielten, wie sie es heute tun. Rhein könne „landespolitische Ambitionen bis auf weiteres an der Biegung des Mains begraben“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung seinerzeit.

Von der Parlaments- an die Regierungsspitze gesprungen

Tatsächlich ging es erstmal abwärts: Rhein blieb zwar zunächst Landesinnenminister. Nach der Wahl 2013 versetzte Bouffier ihn, den Juristen, der immer schon viel Innen- und Rechtspolitik gemacht hatte, allerdings vom Innenministerium ins prestigearme Wissenschaftsministerium. Nach der Wahl 2018 flog Rhein dann ganz aus dem Kabinett.

Stattdessen wurde er Landtagspräsident – ein Amt ohne Macht. Doch er konnte es nutzen, um sein neues Image des Versöhners weiter zu prägen: Dabei schreckte er nicht einmal davor zurück, die Marxistin Janine Wissler als „blitzgescheit“ zu preisen, deren „Schlagfertigkeit“ ein „Genuß“ sei. Allerdings erhielt Rheins Amtsführung auch vonseiten der AfD Lob.

Daß Rhein ausgerechnet das Amt des Parlamentspräsidenten als Sprungbrett in die Staatskanzlei nutzen konnte, bleibt in jedem Fall erstaunlich, zumal er nicht Bouffiers Wunschkandidat war, wie die sagen, die nah dran sind. Aber er sei den Grünen am besten zu vermitteln gewesen, heißt es.

Die jedenfalls freuen sich, daß sie nach Bouffier nun den vermeintlich nächsten „Hardliner“ weiter zähmen können. Rhein sei „weltoffener und moderner“ geworden, freute sich Tarek Al-Wazir, stellvertretender Ministerpräsident von den Grünen, am Dienstag.

Es stehen Landtagswahlen vor der Tür

Sollte es mit den schwarz-grünen Koalitionen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein klappen – und dem scheint nichts im Weg zu stehen –, so stehen mit Hendrik Wüst, Daniel Günther und Boris Rhein nun drei Christdemokraten aus der Generation der 1970er Jahre an den Spitzen christdemokratisch-grüner Konstellationen. Damit könnten sie „ein serielles Modell begründen“, schrieb der Journalist Wolfram Weimer am Dienstag in einem Beitrag für ntv.

Allerdings muß Rhein aufpassen, daß er aus diesem Club nicht bald wieder verstoßen wird. Anders als die Kollegen steht er nicht am Anfang, sondern eher am Ende einer Legislaturperiode. Hessen wählt im Herbst 2023 einen neuen Landtag, was auch der Grund ist, aus dem sich Bouffier zum jetzigen Zeitpunkt zurückzog: Er wollte – anders als Angela Merkel 2021 – seinem Nachfolger genug Zeit zur eigenen Profilierung lassen.

Damit hat Rhein jetzt reichlich zu tun: Einer Umfrage zufolge, die der Hessische Rundfunk Anfang März veröffentlichte, haben viele Hessen bislang keine Meinung zu ihm, vermutlich weil sie ihn noch gar nicht kennen. Ob sich der Amtsbonus in anderthalb Jahren tatsächlich auszahlen wird, bleibt also abzuwarten.

Dann könnte es Rhein mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser als SPD- und Al-Wazir, dem derzeitigen hessischen Wirtschaftsminister, als Grünen-Spitzenkandidat zu tun bekommen. Ein Selbstläufer wird das nicht.

Boris Rhein (CDU) legt den Amtseid als hessischer Ministerpräsident ab Foto: picture alliance/dpa/dpa/POOL | Arne Dedert
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