Seit dieser Woche gilt in Deutschland die 2Gplus-Regel nicht nur für Shopping, Restaurantbesuche oder andere private Vergnügungen, sondern auch im Bundestag. Ungeimpfte Abgeordnete werden zwar (noch) nicht komplett von den Sitzungen ausgeschlossen, aber wer die 2Gplus-Voraussetzungen nicht erfüllen kann, wird jetzt auf die Besuchertribüne des Plenums verbannt. Auf dieser dürfen die gewählten Volksvertreter allerdings auch nur Platz nehmen, wenn sie einen aktuellen negativen Corona-Test vorlegen.
Bei einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses war selbst das nicht mehr ausreichend. AfD-Politiker Joachim Wundrak, Generalleutnant a.D. der deutschen Luftwaffe, wurde trotz gültigen Gesundheitsnachweises vom Vorsitzenden des Ausschusses, Michael Roth (SPD), von einer Sitzung ausgeschlossen. Mit dem, was sich die Väter des Grundgesetzes ursprünglich mal für diese Republik vorgestellt haben, hat all das natürlich nicht mehr viel zu tun. Zur großen Modifizierung der Bundesrepublik, hin zu einem Kollektiv der Gleichgesinnten und Gehorsamen, paßt es dafür umso besser.
Die, die mit demokratischen Gepflogenheiten sowieso noch nie viel anfangen konnten, freuen sich über die ziemlich unverblümt auf die Gängelung der rechten Opposition zugeschnittene Regelung im Bundestag. So wie der Linken-Politiker Niema Movassat: „Hätte man schon früher…viel früher… gewußt, daß man mit 2Gplus die Nazifraktion ordentlich verkleinern kann“, feixte der ehemalige Bundestagsabgeordnete auf Twitter.
Hätte man schon früher…viel früher… gewusst, dass man mit 2G plus die Nazifraktion ordentlich verkleinern kann.😎#noafd
— Niema Movassat (@NiemaMovassat) January 11, 2022
Früher waren die Linken mal dagegen
Ich selbst kenne den Genossen noch flüchtig aus meiner Zeit als Linker. Movassat war auf der persönlichen Ebene eigentlich ganz nett, galt politisch allerdings schon damals selbst in den eigenen Reihen als radikaler Spinner – zumindest bei den Reformern innerhalb Partei. Allerdings wurde zu dieser Zeit auch vieles, was heute innerhalb der politischen Linken Mainstream ist, von den meisten als Spinnerei einer radikalen Minderheit empfunden. Man kann es sich ja heute kaum noch vorstellen, aber realitätsferne Inklusion von allem und jedem, frei wählbare Geschlechtsidentitäten und die Romantisierung der Sowjetunion und des DDR-Unrechts waren auch innerhalb der Linken nicht immer und überall Mehrheitspositionen.
Dabei müßte sich Movassat eigentlich noch erinnern, wie es ist, zu den politisch Ausgegrenzten zu gehören. An die Zeiten als der Staat, die Gesellschaft und selbst die Medien noch nicht so links waren wie heute. Die bleiernen Jahre der Kohl-Ära als Deutschland noch ziemlich zufrieden mit sich war – und Dagegensein noch Teil der linken Selbstverständlichkeit war, für die man von bürgerlichen Passanten auf Marktplätzen und Lehrern in der Schule beschimpft wurde.
Die Zeit, in der es unter Sozialdemokraten und Grünen noch zum guten Ton gehörte, sich von Linkssozialisten zu distanzieren und einem ein Bekenntnis zur Linkspartei noch jeder Karriere außerhalb dieser Partei gründlich verhageln konnte. Movassat, der in den Jahren politisch sozialisiert wurde, in denen der linkeste Polit-Star in Deutschland noch Oskar Lafontaine hieß, müßte eigentlich ganz gut nachvollziehen können, wie die AfDler innerhalb und außerhalb der Parlamente sich derzeit fühlen. Wir vergessen so schnell, stimmt’s Genosse…?
Grüne wollen Parlamentspoet
AfD raus, Parlamentspoet rein: So könnte es bald heißen, wenn es nach der Grünen Katrin Göring-Eckardt geht. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags wünscht sich eine hauseigene Dichterin. Ursprünglich kam der Vorschlag vom Schriftsteller-Dreigestirn Mithu Sanyal, Dmitrij Kapitelman und Simone Buchholz. Alle drei sind fest verankert im linksgrünen Kultur-Milieu. „Macht die Politik poetischer und die Poesie politischer“, lautet die Forderung, die sie in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung zum Besten gaben.
Wo genau da noch Handlungsbedarf sein sollte, erschließt sich einem allerdings nicht so richtig. Selten zuvor war die Politik so unpolitisch poetisch und alles andere, einschließlich der Literatur, so politisch wie heute. Keine Sportveranstaltung, kein Popkonzert, keine Buchmesse und keine noch so leichte Unterhaltungsserie mehr, bei der einen die Protagonisten mit ihren politischen Ansichten verschonen würden. Meist sind diese ziemlich deckungsgleich mit den Denkvorgaben, die uns Tag für Tag die Informationsangebote des öffentlich-rechtlichen Regierungsfernsehens machen. Wozu braucht es da noch einen extra ausgewiesenen Parlamentspoeten?
„Mit Poesie einen diskursiven Raum öffnen“
Katrin Göring-Eckardt, die sich mit den Initiatoren getroffen hat, erklärte ihre Begeisterung für die Idee auf Twitter so: „Mit Poesie einen diskursiven Raum zwischen Parlament & lebendiger Sprache öffnen. Ich trage diese Idee jetzt gerne ins Präsidium des Bundestags.“ Was Politiker aus dem Lager der ehemaligen Grünen-Vorsitzenden in der Regel meinen, wenn sie von „lebendiger Sprache“ sprechen, ist hinlänglich bekannt.
Nämlich nicht etwa eine lebendige Veränderung aus dem allgemeinen Sprachgebrauch heraus, wie es sie immer gegeben hat, sondern eine von oben vorgegebene Zwangsveränderung des gestochenen und geschriebenen Wortes, geschaffen von einer selbsternannten Besserwisser-Elite, die ihre eigenen ideologischen Ladenhüter über Sprachvorgaben an den Mann und „alle anderen Geschlechter“ bringen will. Die von den Autoren und der Politikerin gewünschte „Parlamentspoetin“ dürfte also als so etwas geplant sein wie die politisch korrekte Vorsprecherin der Republik, der möglichst alle Bürger nachsprechen sollen.
Der Papst äußert sich überraschend
Die tatsächliche Freiheit des Wortes hat dieser Tage Unterstützung von eher unerwarteter Seite bekommen. Der Papst hat sich gegen die in immer mehr öffentliche Bereiche vordringende Cancel Culture ausgesprochen. Internationalen Organisationen warf das Oberhaupt der katholischen Kirche „eine Form der ideologischen Kolonisierung“ vor. „Nicht selten hat sich der Schwerpunkt des Interesses auf Themen verlagert, die von ihrer Art her spalten“, sagte Franziskus anläßlich seines Neujahrsempfangs. Dies führe zu Agenden, „die zunehmend von einem Denken diktiert werden, das die natürlichen Grundlagen der Menschheit und die kulturellen Wurzeln, die die Identität vieler Völker ausmachen, leugnet“.
Der 85jährige Glaubensführer kritisiert, daß im Namen des Schutzes der Diversität der Sinn für jede Art von Identität ausgelöscht werde und warnte vor dem Risiko, daß so vernünftige Positionen zum Schweigen gebracht würden. Man sei dabei „ein Einheitsdenken zu entwickeln, das dazu zwingt die Geschichte zu leugnen, oder schlimmer noch, sie auf der Grundlage zeitgenössischer Kategorien umzuschreiben, während doch jede historische Situation gemäß der Hermeneutik ihrer Epoche interpretiert werden muß“, so der Pontifex.
Da wird so mancher verweltlichte Katholik hierzulande schwer geschluckt haben. Hat sich doch im Zuge von Klimahysterie, Gender-Ideologie und Corona-Panik auch innerhalb der katholischen Kirche der Irrglaube durchgesetzt, daß die Welt letztendlich doch nur am progressiven deutschen Wesen genesen könne. Daß es laut dem Papst jetzt doch noch „einige bleibende Werte“ geben soll, dürfte dem ein oder anderen übermodernen Gottes-Genderer und Jesusuminterpretierer da ganz schön die bunte Regenbogenwelt verdunkeln.