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Außenpolitisches Konzept der AfD: Weißrußland wird zur Nagelprobe

Außenpolitisches Konzept der AfD: Weißrußland wird zur Nagelprobe

Außenpolitisches Konzept der AfD: Weißrußland wird zur Nagelprobe

Demonstranten schwenken Fahnen der weißrussischen Opposition Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Aleksander Kalka
Demonstranten schwenken Fahnen der weißrussischen Opposition Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Aleksander Kalka
Demonstranten schwenken Fahnen der weißrussischen Opposition Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Aleksander Kalka
Außenpolitisches Konzept der AfD
 

Weißrußland wird zur Nagelprobe

Die AfD darf sich nicht vom Kreml einseifen lassen und muß mit den deutschfreundlichen Kräften des östlichen Europas Beziehungen knüpfen. Denn eine Konzentration auf Moskau greift schon vor dem Hintergrund der Geschichte zu kurz. Ein Gastbeitrag von Joachim Paul.
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Jahrhundertelang war die deutsche Kultur in Mittel- und Ostmitteleuropa die prägende Kraft. Im Baltikum, in Estland, Lettland und Litauen haben die deutsche Adelsschicht und die Hanse tiefe Spuren hinterlassen. In der alten Hansestadt Riga sprechen die Steine deutsch, besagt ein Sprichwort. Noch im Zweiten Weltkrieg war die Wertschätzung der deutschen Kultur besonders hoch. Sie ist es bis heute.

Wer durch die Nationalgalerie Sloweniens in Laibach (Ljubljana) wandelt, dem begegnen die Werke deutscher Maler, denen deutsche Patrizier Modell standen und Kunstwerke, in denen sich das Habsburgerreich spiegelt. Der über Jahrhunderte währende deutsche Einfluß auf die Kunst des Landes ist hier förmlich mit Händen zu greifen.

Die erste einflußreiche Zeitung des Landes, die deutschsprachige „Laibacher Zeitung“, prägte von 1778 bis 1918 die Elitenbildung in der Region. Nicht nur sie erinnert daran, daß das Deutsche im östlichen Europa über Jahrhunderte Lingua franca war.

Empfang durch russischen Außenminister birgt Risiken

In besonderem Maße gilt das auch für die Slowakei, Kroatien, Ungarn und den westlichen Teil der Ukraine (Galizien) – im Prinzip für alle Staaten, die zum Habsburgerreich gehörten.

Auf die vielen Reisen von AfD-Mandatsträgern auf die annektierte Krim folgten in jüngster Zeit gleich drei Reisen von Spitzen der Partei nach Moskau. Es liegt auf der Hand, daß ein Empfang der größten deutschen Oppositionspartei durch den russischen Außenminister eine weithin sichtbare Aufwertung der AfD auf der außenpolitischen Bühne bedeutet. Sie sendet zugleich ein Signal in die Parteiöffentlichkeit: Wir lassen uns nicht kleinkriegen, wir bleiben trotz systematischer und undemokratischer Ausgrenzung durch die meinungsangebenden Kreise in der Bundesrepublik eine politische Größe, mit der zukünftig zu rechnen ist.

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla trifft Rußlands Außenminister Sergei Lavrov in Moskau Foto: picture alliance/dpa/TASS | Russian Ministry Of Foreign Affa
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla trifft Rußlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau Foto: picture alliance/dpa/TASS | Russian Ministry Of Foreign Affa

Dieses Signal ist wichtig, birgt aber Risiken. Es hat deshalb eine überfällige innerparteiliche Debatte angeregt, die die Stellung der AfD als national-konservativer Kraft im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen im östlichen Teil unseres Kontinents und die historisch grundierten Interessen Deutschlands als wirtschaftlich stärkstem Land Europas in den Blick nimmt.

Konzentration auf Moskau greift zu kurz

Die zu Beginn geschilderten Beobachtungen müssen uns nämlich stets die über Jahrhunderte währende tiefgreifende Wirkmächtigkeit der deutschen Sprache, Kultur, Bildung, des Rechts und der Verwaltung gerade im Osten vor Augen führen. Sie ist historisches Erbe, geistiger Vermögenswert und zugleich ein außenpolitisches Pfund, mit dem eine Partei wuchern sollte, die sich zur Nation bekennt.

Insbesondere weil es – trotz der Erfahrungen der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg – positiver Teil des kollektiven Gedächtnisses der Völker zwischen Berlin und Moskau, Königberg, Preßburg (Bratislava) und Agram (Zagreb) ist. Einige weitere illustrierende Hinweise mögen hier wenigstens kurz erwähnt werden: Das weithin ausstrahlende Magdeburger Recht und die maßgeblichen architektonischen deutschen Einflüsse der zahlreichen nach diesem gegründeten Städte; die erste deutsche Universitätsgründung in Prag 1348 sowie die wirtschaftlichen Errungenschaften der Hanse im Ostseeraum.

Eine schwungvolle, aber auch leichtfertige Hinwendung so mancher AfD-Protagonisten in Richtung Moskau kann in diesem zwischeneuropäischen Raum, in dem nach wie vor genau auf Berlin und Moskau geblickt wird, so verstanden oder mißgedeutet werden, als wäre der Alternative für Deutschland die besondere Stellung des eigenen Landes in der Mitte Europas nicht länger bewußt oder würde zu Gunsten einer Allianz mit Rußland nicht mehr selbstbewußt zur Geltung gebracht.

Estland erinnert an „Waffenbrüderschaft“ mit Deutschland

Das ist insbesondere deshalb nachteilig, weil die besondere Wertschätzung Deutschlands einhergeht mit einer historisch begründeten Reserviertheit gegenüber Rußland. Einzig Polen bildet eine Ausnahme, dessen Außenpolitik noch immer von dem Trauma des Hitler-Stalin-Paktes von 1939 geprägt ist.

Estland feiert seinen Unabhängigkeitstag: Die AfD sollte an deutschfreundliche Traditionen im Baltikum anknüpfen Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | -
Estland feiert seinen Unabhängigkeitstag: Die AfD sollte an deutschfreundliche Traditionen im Baltikum anknüpfen Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | –

Den negativen Erfahrungen mit der deutschen Besatzungspolitik stehen in diesen Ländern nämlich die verheerenden Auswirkungen der sowjetischen Diktatur vor und nach dem Krieg 1941-45 gegenüber. In der Hansestadt Reval (Talinn) gehört die Erinnerung an die 1941 beginnende „Waffenbrüderschaft“ mit dem Deutschen Reich deshalb nach wie vor zur estnischen Erinnerungskultur.

Jeder weiß hier, daß die UdSSR 1941 weder friedliebend war, noch ihren Anspruch auf die Weltrevolution aufgegeben hatte. Nirgendwo ist die Ambivalenz der Diktaturgeschichte des 20. Jahrhunderts stärker präsent als im östlichen Europa.

AfD ist gegen Sanktionen

Gerade diese Ambivalenz versucht die russische Öffentlichkeitsarbeit hierzulande derzeit verstärkt zu vernebeln. Wenn der russische Präsident in der Zeitung Die Zeit vor wenigen Tagen allen Ernstes behaupten konnte, daß „der Sowjetsoldat seinen Fuß nicht auf deutschen Boden setzte, um sich an den Deutschen zu rächen, sondern um seine edle und große Befreiungsmission zu erfüllen“, dann ist das im Hinblick auf die Sowjetherrschaft vor 1941 und dem Gemetzel und den Vergewaltigungen nach dem Einmarsch in Deutschland 1945 unangemessen.

Die Lage in Weißrußland ist für die Politik der AfD im östlichen Europa möglicherweise eine Nagelprobe. Die illegale Umleitung eines Ryanair-Flugzeugs auf dem Weg von Athen nach Wilna, die durch Militärjets begleitet in Minsk zur Landung gezwungen wurde, wo dann ein oppositioneller Blogger und Lukaschenko-Gegner aus der Maschine gezerrt und verhaftet wurde, dürfte ein Schlüsselereignis sein. Alexander Gauland, AfD-Fraktionschef und Ehrenvorsitzender, sagte: „Einen solchen Akt von Luftpiraterie darf die EU nicht akzeptieren.“

Marine Le Pen sprach sich angesichts der „Piraterie“ für Sanktionen aus, Großbritannien entsandte ein Aufklärungsflugzeug ins Baltikum, die baltischen Staaten richteten scharfe Worte an Minsk. Litauen solidarisierte sich öffentlichkeitswirksam mit der in Wilna (Vilnius) lebenden weißrussischen Oppositionsführerin Swjatlana Zichanouskaja. Gleichwohl sprach sich die AfD gegen Sanktionen aus.

Nur Putin steht noch zu Lukaschenko

Für diese und ähnlich gelagerte Positionen bezahlt die Partei den Preis, im Inland wie im Ausland als zunehmend „Kreml-nah“ wahrgenommen zu werden. Begründet wurde ein derartiges Image bereits durch die sporadische, aber durchaus erkennbare Solidarisierung mit Putin in der Krimfrage, die nicht nur in Kiew aufmerksam registriert worden ist. Manch einem in der AfD stellt sich deshalb die Frage, ob der Preis für eine derartige Orientierung auf längere Sicht nicht deutlich zu hoch ausfällt und in keinem Verhältnis mehr zum kurzfristigen Prestigegewinn steht.

Denn die Herrschaft des Sowjetfossils Lukaschenko hat keine Zukunft. Die weißrussische Opposition kann sich längst auf die Mehrheit der jüngeren Generation stützen. Lukaschenko, der angesichts der Sanktionen die „Nazi-Keule“ gegen die „reuelosen Deutschen“ schwang und einseitig ein Bündnis mit China ankündigte, kann so nur noch vom Kommunismus geprägte Senioren begeistern.

Der Wahlfälscher mit Hang zur Sowjetkultur ist angesichts massiver Polizeigewalt und folternder Geheimdienstler längst völlig isoliert. Nur noch Putin hält ihm die Stange, aus historischer Verbundenheit und aus Kalkül, da ein Abrücken Weißrußlands aus dem eigenen Machtbereich zweifellos eine deutliche Schwächung Rußlands bedeuten würde.

Weißrussen wollen keinen Satellitenstaat

Natürlich trifft es vor diesem Hintergrund zu, daß EU, Nato und USA deshalb vor Ort machtpolitische Strippen ziehen. Die AfD tut gut daran, auch das zu thematisieren.

Es ist aber gleichermaßen vernünftig, davon auszugehen, daß ein großer Teil der Weißrussen – und Ukrainer – auch ohne auswärtige politische Stimulation möchte, daß ihre Länder keine Satellitenstaaten des „großen Bruders“ im Osten mehr sind. Zumal Rußland in diesem Raum als expansiv wahrgenommen wird. Bei ihrem Blick nach Westen, nach Deutschland insbesondere, muß die weißrussische Opposition aktuell nun allerdings verwundert feststellen, daß die einzige konservativ-freiheitliche Kraft in Deutschland vom politischen Establishment nicht grundlos als „moskautreu“ ins Zwielicht gerückt werden kann.

Bereitschaftspolizisten verhaften Demonstranten, die gegen Weißrußlands Machthaber Lukaschenko protestieren (Archivbild) Foto: picture alliance/dpa | Ulf Mauder
Bereitschaftspolizisten verhaften Demonstranten, die gegen Weißrußlands Machthaber Lukaschenko protestieren (Archivbild) Foto: picture alliance/dpa | Ulf Mauder

Eigentlich müßte es die deutsche Rechte doch schmerzen, daß die Opposition um Swjatlana Zichanouskaja, die die historische Fahne Weißrutheniens wiederentdeckt hat und ein Programm rund um die eigene Nation, Freiheit und Marktwirtschaft verfolgt, gerade mit Aplomb von den Deutschlandabschaffern der öko-planwirtschaftlichen Grünen empfangen worden ist.

AfD sollte gute Beziehungen zu konservativen Kräften pflegen

Die Sorge, ein souveränes und nach Mitteleuropa blickendes Weißrußland würde bald wie die rotrotgrüne und „bunte“ Kolchose Berlin aussehen, ist unbegründet. Da reicht ein Blick nach Budapest, Warschau oder eben Laibach.

Noch besser ist die erweiterte politische Bestandsaufnahme: In sieben demokratischen Staaten des Raumes sind national-konservative Kräfte entweder signifikant stark oder an der Regierung beteiligt.

Dort wird voraussichtlich auch in hundert Jahren keine Regierung das Modell der „bunten Republik“ kopieren. Vielmehr besteht für die AfD die große Chance, durch den Aufbau umfassender guter Beziehungen zu den national-konservativen-freiheitlichen Kräften in Ostmittel- und Osteuropa zu Gunsten eines Europas der Vaterländer, Einfluß zu gewinnen – weil man die Gefahren der westlichen Dekadenz gemeinsam kennt und entschlossen bekämpft.

Streit mit Moskau kann nicht ausgeschlossen werden

Das beschriebene geschichtliche und kulturelle Erbe, die Potenz Deutschlands als nach wie vor größter europäischer Volkswirtschaft und die im Osten herrschende Unvoreingenommenheit gegenüber konservativer Werteorientierung, bieten sich auch und gerade für die AfD als Türöffner an. Streit mit Moskau muß man dabei in Kauf nehmen, immerhin geht es um die Wiedererlangung der von Geographie und Geschichte vorgegebenen Mittlerrolle zum Nutzen des eigenen Landes wie Europas insgesamt.

Es kann für die AfD keine Alternative sein, für Applaus aus dem Kreml mitzuhelfen, dem sehr aktiven Tandem USA-Polen diesen historisch bestellten Boden umstandslos preiszugeben. Das dürfte sich in letzter Konsequenz langfristig auch für Rußland nicht rechnen.

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Joachim Paul ist medien- und bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz und Beisitzer im AfD-Bundesvorstand. 

Demonstranten schwenken Fahnen der weißrussischen Opposition Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Aleksander Kalka
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