Stell dir vor, es ist Krieg, du eilst von Sieg zu Sieg, und irgendwann dämmert dir, daß du diesen Krieg gar nicht gewinnen willst, weil du dann die Verantwortung für das Land übernehmen mußt. So ähnlich ergeht es gerade den Grünen. In der vergangenen Legislaturperiode konnten sie als „Regierungspartei der Herzen“ bequem noch mehr von dem fordern, was der Staat ohnehin exekutierte. Eine kostspielige Baustelle nach der anderen eröffnete die Bundeskanzlerin, fast immer den Grünen zu Gefallen.
Abbau von Atomkraftwerken, Kohlekraftwerken, Autofabriken, Stahlhütten und so weiter, kurzum der deutschen Industrie. Als Surrogat sollen irgendwann windige Energiekonzepte und Nischenprodukte wie Batterieautos und Lastenfahrräder dienen. Viel Phantasie, viel Wunschdenken und ahnend nagender Zweifel: Was, wenn das alles nicht funktioniert? Was, wenn auf den Trümmern nichts anderes wächst als weitere Trümmer? Bisher konnten die sozialen Folgen der Inkompetenz anderen zugeschoben werden.
Endzeitprediger die um Posten schachern
Nun aber stehen die Grünen vor dem Problem, nicht nur ideologischer Schrittmacher zu sein, sondern an Handlungen gemessen zu werden. Kaum etwas aber ist so lächerlich wie ein Endzeitprediger, der plötzlich um Posten schachert und Kompromisse macht. Das verspricht politische Skurrilitäten, auf die ein Brief der in Koalitionsverhandlungen steckenden Grünen an acht große Umweltschutzverbände schon einmal einen Vorgeschmack bietet. Letztere zeigten sich – was sollen Lobbyisten auch sonst machen – unzufrieden. „Beim Klimaschutz ist die Ampelkoalition guten Willens, aber noch längst nicht auf 1,5-Grad-Kurs“, nörgelte beispielsweise „Greenpeace“. „Aber es fehlen konkrete Schritte, etwa zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor.“
Kritik aus dem eigenen Lager, denn selbstverständlich werden diese Verbände von Funktionären des grünen Milieus dominiert. Auf diese Stimmen reagierten die grünen Verhandlungsführer mit einem Brief, der bereits wegen seiner Stilmischung aus Baby- und Beamtendeutsch bemerkenswert ist.
„An einigen Stellen läßt das Sondierungspapier es leider noch an der nötigen Klarheit fehlen“, gaben sich „Annalena, Robert, Katrin, Toni, Oliver und Sven“ zerknirscht. Aber immerhin: „Wir haben eine gemeinsame Verpflichtung auf den 1,5-Grad-Pfad verankert und einen Beitrag aller Sektoren für dieses Ziel. Jetzt kommt es darauf an, für alle Sektoren ihre relevanten Beiträge zum 1,5-Grad-Pfad in den Koalitionsverhandlungen auszuhandeln.“ Für diese Schlacht am Verhandlungstisch bitten Annalena Baerbock und ihre Kämpen um Unterstützung.
Grüne bremse grüne Lobby aus
„Es wäre dafür sehr hilfreich – und in Teilen seid ihr ja bereits dran –, wenn ihr darauf hinwirken könntet, daß SPD und FDP hier ambitionierte Vorschläge einbringen. Wenn wir das weiter alleine tun müssen, erschwert das die Verhandlungen enorm“, heißt es weiter. Ein seltsames Gebaren, das die künftigen Koalitionspartner verwundern muß. Die Empörung von Sozialdemokraten und FDP ist echt, durften beide doch bereits in Sachen Energiewende im Bundeswirtschaftsministerium ideologische Kapriolen schlagen.
Wo ist also das Problem, wenn beide Parteien bereits in Wort und Tat ihr Bekenntnis zur „Erderhitzung“ – Erderwärmung war gestern – als wichtigstem Menschheitsproblem abgegeben haben? Das mochte wohl auch die SPD wissen, die die acht Umweltverbände zum klärenden Gespräch bitten wollte. Wenn nicht der grüne Verhandlungspartner das Treffen erfolgreich verhindert hätte. Womöglich weil dieser dann seinem Gefolge einen Einblick in den aktuellen Stand der Verhandlungen hätte bieten müssen?
Vielleicht wäre dabei herausgekommen, daß der grüne Verhandlungspartner gar nicht so vehement kämpft, wie es der eigenen Untergangsrhetorik angemessen wäre? Nicht weil SPD und FDP sich den Forderungen verweigern, sondern man diese nicht ganz so radikal umsetzen möchte? Der Grüne steckt in einem ideologischen Dilemma. Entweder er geht Kompromisse mit der Wirklichkeit ein, muß sich aber vorhalten lassen, dadurch den milliardenfachen Tod künftiger Generationen zu verantworten.
Instrumentarien der totalitären Gesellschaft
Oder aber er setzt genauso drastische Maßnahmen wie das eigene Weltbild um. Sogar in den schlimmsten Covid-19-Szenarien wurden nicht annähernd die Opferzahlen der hypothetischen Klimakatastrophe kolportiert. Und diese waren als Behauptung völlig ausreichend, das Grundgesetz zu suspendieren und die Gesellschaft ideologisch umfassend zu mobilisieren, inklusive dem „Impfverweigerer“ als neuem Volksschädling. Warum also nicht einfach weitermachen, die Instrumentarien einer totalitären Gesellschaft sind doch längst da.
Dann werden eben sämtliche Lebensbereiche erfaßt, auf ihre Kohlendioxid-Bilanz hin überprüft und überwacht, was hier als „Sektoren“ auftaucht. Du hast ein Kind, zwei Hauskatzen, ist das wirklich nötig? Sollte die Klimagöttin immer noch nicht besänftigt sein, wird eben weiter geopfert. Warum nicht einfach einen „großen Sprung nach vorne“ wagen? Die Millionen Toten heute, die der Zusammenbruch unserer Infrastruktur bedeuten würde: Wiegen diese nicht leicht die Milliarden Toten von morgen auf, die unser Nichtstun verursacht?
Das Ende ist nahe, von wem auch immer
Winfried Kretschmann, Jürgen Trittin und andere grüne Leitfiguren haben in ihrer Jugend als knochenharte Kommunisten die Verheißungen totalitärer Ideologien kennen- und liebengelernt. Jetzt im Alter ist ihnen das wohl doch unheimlich. Da wird dann am Verhandlungstisch ein Gegenwind ausgemacht, der in Wirklichkeit gar nicht so heftig bläst. Und ein Brief veröffentlicht, der von einem Kampf berichtet, der dann doch nicht so heftig tobt. Es wird sich zeigen, wie lange eine ideologisierte Parteijugend sich davon besänftigen läßt. Das Ende ist nahe, von wem auch immer.
Übrigens, in welchem Untergangsszenario auch immer diese Millionen oder Milliarden Toten die Menschheit ereilen sollen: Eine Folge wäre, daß der durch Menschen verursachte CO2-Ausstoß drastisch zurückginge. Es ist also eine Apokalypse mit eingebautem Weltenerlöser. Insofern läßt es sich entspannter zurücklehnen und den grünen Planetenrettern beim Versagen zuschauen. Denn das ist eine der wenigen Gewißheiten.
JF 46/21