Die Nachricht kam wenig überraschend: Laut der britischen Daily Mail hat die BBC eingestanden, in der Berichterstattung um den Giftgasangriff in der syrischen Stadt Duma Falschmeldungen verbreitet zu haben. Der Sender habe gezielt Fake-News über Kritiker der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) gestreut. Damit verletzte der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der über die britischen Landesgrenzen hinaus einen guten Ruf genießt, journalistische Standards.
Bereits wenige Monate nach dem Giftgasangriff in Syrien beanstandeten Kritiker, daß die OPCW den Angriff von 2018 ohne tiefergehende Prüfung der Führung von Präsident Baschar al-Assad anlastete. Widersprechende Erkenntnisse wurden systematisch unterdrückt und zensiert. Genau diese gezinkten Erkenntnisse lieferten Argumente für die Luftangriffe der USA, Großbritannien und Frankreich. Und auch deutsche Medien folgten dem Erzählmuster der BBC und der OPCW, Assad habe den Giftgasanschlag angeordnet. Und hiesige Medien, darunter die ARD, aber auch die Deutsche Welle (DW), der Deutschlandfunk (DLF) und die Bild-Zeitung verkauften den Deutschen unbelegte Behauptungen als Fakten.
Nur zu gerne wurde ein bestimmtes Narrativ bedient
Es scheint, daß deutsche Mainstream-Medien nur zu gerne das Narrativ bedienten, Assad sei der Schlächter und der Westen in Form von Frankreich, Großbritannien und den USA müsse militärisch eingreifen. Die ARD berichtete mehrfach über die vermeintlichen Giftgasattacke, auch in der „Tagesschau“. Ebenso im DLF war zu hören: „Indizien, daß Syrien nicht ehrlich war und weiterhin lügt“, hieß es etwa in einem Interview vom 11. April 2018. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der OPCW kamen der Redaktion zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht. Die Bild schlagzeilte 2018: „Syrien steckt hinter Giftgasangriff in Duma“ und 2019: „Experten-Bericht entlarvt Assads und Rußlands Lügen“.
Der Fall markiert einen weiteren Tiefpunkt im Journalismus und schadet seinem wichtigstem Gut, dem Vertrauen der Leser und Zuschauer, massiv. Zum Einmaleins der Berichterstattung gehören Neutralität und das Zu-Wort-kommen-lassen beider Seiten – was in einigen Berichten zwar der Fall war, allerdings nur am Rande.. Oder wie Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, einmal meinte: Der Journalist müsse um seine persönliche Meinung „ein Rätsel machen“.
Spätestens 2019 hätten auch deutsche Medien es besser wissen müssen. Nachdem die Führung der OPCW offensichtlich den Bericht verfälscht hatte, informierte ein Mitarbeiter der sogenannten Fact-Finding-Mission, eine Art Sonderkommission in Duma, einen internen Expertenkreis über die Manipulationen. Geschehen ist bis dahin nichts. Wir erinnern uns: Bei dem Giftgasangriff starben rund 50 Menschen. Ende 2019 erschienen dann weitere Belege, die alle Vorwürfe bestätigten, auf Wikileaks.
Auch wenn im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt
Das Zugeständnis der BBC ist kein Freispruch für Assad. Es zeigt jedoch, mit welchen Methoden Medien arbeiten, die die gebotene Distanz zu einer bestimmten Sichtweise vermissen lassen. Das Vereinigte Königreich stellte in diesem Einsatz das zweitgrößte Kontingent an Fluggeräten und Soldaten. Offenkundig sollte die BBC die Fakten dahin manipulieren oder jenes Narrativ verfestigen, daß Politiker und Bevölkerung den Einsatz als eine gerechtfertigte Intervention interpretieren beziehungsweise sehen können. Dann folgte das große Abschreiben. Und auch deutsche Medien übernahmen blindlings die gezinkten Informationen, die die BBC verbreitete.
Auch wenn das erste Opfer im Krieg die Wahrheit ist, so heißt das nicht, daß das zweite Opfer die Vernunft und das journalistische Gespür sein müssen. Genauso wenig, wie dies trotz aller Verbundenheit eine bedingungslose Solidarität zu westlichen Ländern rechtfertigt – vor allem, wenn es um guten Journalismus geht.