Die deutsche Bevölkerung nimmt die Corona-Krise bisher mit erstaunlichem Gleichmut hin. Das liegt auch daran, daß viele die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht am eigenen Leibe spüren. Während viele Einzelhändler, Friseure und Gastwirte um ihre Existenz kämpfen, sind insbesondere Staatsbedienstete ökonomisch kaum betroffen. Rentner und Pensionäre können das wirtschaftliche Geschehen ohnehin gelassen sehen, ihre Ruhebezüge fließen ungeschmälert weiter.
Auch innerhalb der Arbeitnehmerschaft gibt es gravierende Belastungsunterschiede. Viele sind durch die Corona-Einschränkungen in Kurzarbeit gezwungen oder arbeitslos geworden, andere können sogar Lohnzuwächse und Sonderzahlungen verbuchen. Dazu gehören nicht zuletzt Bundesbeamte, denen 2020 eine Corona-Sonderzahlung von bis zu 600 Euro „zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Covid-19-Pandemie“ gewährt wurde. Der kleine Imbißbetreiber, der monatelang sein Geschäft schließen mußte, wird darüber nur den Kopf schütteln können.
Die Corona-Pandemie hat auch gravierende generationenübergreifende Auswirkungen, wie eine Forschergruppe am Münchener ifo-Institut kürzlich errechnet hat. Denn die Kosten werden überwiegend durch neue Staatsschulden finanziert, während die Steuerbelastung der Bürger sogar sinkt, nicht nur wegen der vorübergehend gesenkten Mehrwertsteuer.
Das allgemeine Schulterzucken beenden
Vor allem geht mit sinkenden Einkommen auch die Einkommensteuerlast zurück, aufgrund der Steuerprogression sogar überproportional. Dagegen werden künftige Generationen durch die Schulden massiv zusätzlich belastet. Die sogenannte Nachhaltigkeitslücke im Staatshaushalt war mit rund 285 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ohnehin schon groß, nach Corona könnte sie nach den ifo-Berechnungen auf über 500 Prozent steigen.
Es gibt also gute Gründe, die Corona-Kosten gleichmäßiger zu verteilen. Nicht zuletzt würde dies auch das allgemeine Schulterzucken über die unglaublichen Summen beenden, um die es dabei geht. Denn es ist nur allzu leicht, Ausgaben zuzustimmen, deren Tilgung auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wird. Was man dagegen am eigenen Geldbeutel spürt, wird man deutlich kritischer hinterfragen. Es erscheint daher auch ökonomisch sinnvoll, alle Bürger daran zu beteiligen.
Die Bundesregierung schätzt allein die haushaltswirksamen Corona-Kosten (ohne Bürgschaften etc.) auf rund 620 Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt, das sind knapp 7.500 Euro pro Kopf, vom Baby bis zum Greis. Anders ausgedrückt: Es geht um eine Summe in Höhe von knapp 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens eines Jahres. Daher kommt man um eine Streckung durch Schuldenaufnahme gar nicht herum. Aber auch die Tilgung sollte spätestens mit dem Einsetzen der wirtschaftlichen Erholung einsetzen, um die Verschuldung nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen.
Konkret bietet sich dafür ein Corona-Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer an. Im Unterschied zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer träfe der Corona-Soli nur solche Bürger und Unternehmen, die steuerlich leistungsfähig sind. Hartz-IV-Empfänger, Bezieher kleiner Renten und echte Corona-Verlierer wären also automatisch außen vor. Der derzeitige Solidaritätszuschlag für die Einheitskosten erbringt knapp 20 Milliarden Euro pro Jahr.
Nicht populär, aber sinnvoller als ein Staatsbankrott
Ein Corona-Soli in gleicher Höhe müßte also rein rechnerisch 32 Jahre lang erhoben werden, um die 660 Milliarden Corona-Kosten wieder hereinzubringen. In der Realität hängt das von der künftigen Zins- und Wachstumsentwicklung ab: Je niedriger die Zinsen und je höher das Wirtschaftswachstum ist, desto früher würde man mit der Tilgung fertig sein.
Populär ist ein solcher Weg wohl nicht, aber sinnvoller als der Weg in den Staatsbankrott wäre er auf jeden Fall. Und vielleicht würden Politiker und deren teurer Apparat „Lockdown“-Verlängerungen, wie sie Bund und Länder erst am gestrigen Dienstag wieder beschlossen haben, kritischer sehen.
—————————–
Prof. Ulrich van Suntum, der Volkswirt lehrte von 1995 bis 2020 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und war Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (der sogenannten Wirtschaftsweisen).