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Private Anleger unter Druck: Folterwerkzeuge im Steuerirrsinn

Private Anleger unter Druck: Folterwerkzeuge im Steuerirrsinn

Private Anleger unter Druck: Folterwerkzeuge im Steuerirrsinn

Zerquetschter Euro
Zerquetschter Euro
Zerquetschter Euro: Potentiell die Finanzstabilität gefährdenden Spekulationen werden nicht erfaßt Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten
Private Anleger unter Druck
 

Folterwerkzeuge im Steuerirrsinn

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat eine Online-Petition gegen eine weitere Benachteiligung privater Anleger gestartet. Um etwa die Grundrente finanzieren zu können, sind Steuererhöhungen unvermeidlich. Ein richtiges „Folterwerkzeug“ könnte zudem erst noch kommen. Ein Kommentar von Dirk Meyer.
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Die „Folterwerkzeuge“ für Sparer stehen bereits im Koalitionsvertrag: Die „Einführung einer substantiellen Finanztransaktionssteuer“ und die „Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Zinserträge“. Hinzu kommen die „Abschaffung des Solidaritätszuschlages in einem deutlichen ersten Schritt“ – jedoch nicht auf Kapitalerträge – sowie eine Reform der Anrechenbarkeit von Totalverlusten aus Wertpapieren.

Dies alles zusätzlich zu den anhaltenden Niedrig- beziehungsweise Negativzinsen, über deren Ursachen die Meinungen der Ökonomen auseinandergehen. Anlaß genug für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), eine Online-Petition „Stoppt den Steuerirrsinn“ zu starten.

Der Solidaritätszuschlag entfällt ab 2021 infolge hoher Freigrenzen für etwa 90 Prozent aller Steuerzahler – für Alleinstehende bis zu einem Bruttojahreslohn von 73.874 Euro und für Familien mit zwei Kindern bis 151.990 Euro. Ausgenommen sind allerdings Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden und Wertpapiergewinne).

Auswahl führt zu Wettbewerbsverzerrungen

Für sie gilt weiterhin die Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Soli, so daß in Summe 26,375 Prozent ohne Kirchensteuer abgeführt werden. Bei einem Aufkommen der Abgeltungsteuer von knapp sieben Milliarden Euro (2018) werden demnach weiterhin 380 Millionen Euro an Soli die Sparer belasten.

Mit einer „verstärkten Zusammenarbeit“ versuchen aktuell zehn teilnehmende EU-Staaten seit 2011, eine Finanztransaktionsteuer auf Wertpapiergeschäfte einzuführen. Der im Dezember 2019 vorgelegte, EU-weit gerügte deutsche Gesetzentwurf sieht lediglich für Aktiengeschäfte von großen Unternehmen (Börsenwert über eine Milliarde Euro) eine Steuer von 0,2 Prozent vor.

Betroffen wären in Deutschland 145 und in den zehn EU-Ländern circa 500 Unternehmen. Ob Aktienfonds oder ähnliche Produkte zur privaten Altersvorsorge unter die Finanztransaktionssteuer fallen, kann jedes Land für sich definieren. In Deutschland gibt es diesbezüglich noch keine Entscheidung.

99 Prozent der Finanztransaktionen (Derivate, Hochfrequenzhandel) bleiben außen vor. Gerade die potentiell die Finanzstabilität gefährdenden Spekulationen werden nicht erfaßt. Zudem führt die Auswahl zu Wettbewerbsverzerrungen. Die von der Regierung kalkulierten Einnahmen von eineinhalb Milliarden Euro jährlich sollen als Bundeszuschuß die Gegenfinanzierung der Grundrente übernehmen.

„Linke Tasche – rechte Tasche“

Da auch die kapitalgedeckte Altersvorsorge belastet wird, heißt dies gegebenenfalls „linke Tasche – rechte Tasche“. Doch schon jetzt kalkuliert die CDU die Grundrente mit 4,8 Milliarden Euro (2025), während das Forschungszentrum Generationenverträge an der Universität Freiburg sogar mit 8,3 Milliarden Euro rechnet. Eine Steuererhöhung wäre demnach vorprogrammiert.

Die durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs 2018 eröffnete steuerliche Anrechenbarkeit von Totalverlusten aus Wertpapiergeschäften (Unternehmenspleiten, Optionsscheine verfallen) soll neu geregelt werden. Nachdem die Regierungskoalition dem Finanzausschuß im November 2019 einen Kompromißvorschlag vorgelegt hat, dürfte eine vollständige Versagung der Anrechnung von Totalverlusten vom Tisch sein. Sie hätte die Kapitalanleger etwa 200 Millionen Euro gekostet.

Der Kompromiß ermöglicht lediglich Privatanlegern zukünftig weiterhin die Anrechnung von bis zu 20.000 Euro an Totalverlusten – zur Hälfte als Verlustvortrag für spätere Jahre. Es bleibt eine Belastung für professionelle Anleger in Höhe von rund 100 Millionen Euro jährlich.

Fazit: Steuerirrsinn!

Aufgrund des geringen Einlagenzinses und der Inflation betragen die Verluste aus dem negativen Realzins für Sparer jährlich zwischen 33 Milliarden Euro (DekaBank) und 40 Milliarden Euro (Comdirect Bank). Dagegen summieren sich die Lasten aus den bislang geplanten steuerlichen Änderungen zusammen auf überschaubare zwei Milliarden Euro.

Ein richtiges „Folterwerkzeug“ könnte hingegen die Abschaffung der Abgeltungsteuer werden. Gemäß dem Motto „besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix“ hatte Finanzminister Peer Steinbrück sie 2009 eingeführt. Mit Etablierung des automatischen Informationsaustausches zwischen den Staaten wäre der Weg zur allgemeinen Einkommensbesteuerung prinzipiell frei. Hier liegen die Regelsteuersätze gemäß den individuellen Verhältnissen mit bis zu 45 Prozent allerdings erheblich höher als der Abgeltungssatz von 25 Prozent.

Fazit: Steuerirrsinn! Die Vorhaben sind wirtschaftspolitisch nicht zielführend, da sie die Finanzstabilität keinesfalls sichern, die Altersvorsorge erschweren und den Wettbewerb verzerren. Verteilungspolitisch sind sie aufgrund von Umverteilungselementen einer „Reichensteuer“ diskutabel. Schließlich scheinen sie juristisch angreifbar, indem Mängel der Steuersystematik und Diskriminierungstatbestände weitere gerichtliche Klärungen wahrscheinlich machen.

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Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Zerquetschter Euro: Potentiell die Finanzstabilität gefährdenden Spekulationen werden nicht erfaßt Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten
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