Reisen erweitert den Horizont. Während in Deutschland Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Andeutungen von einem neuerlichen Corona-„Desaster“ raunt und vor weiteren Lockerungen warnt und ihr Gesundheitsminister neue „Reisewarnungen“ ausspricht, die dem zaghaft sich berappelnden Tourismus-Gewerbe einen frischen Tritt in die Kniekehlen verpassen, bewegen sich in den baltischen Staaten Bürger und Reisende in unmaskierter Normalität, kehrt das Leben in Wirtschaft, Kultur und Gastronomie zurück.
Offenkundig hat es auch mehr politische als sachliche Gründe, wenn in dem einen Land pragmatisch gehandhabte Abstandsregeln und Desinfektionsgelegenheiten genügen, um allmählich in den Alltag einer zivilisierten Industriegesellschaft zurückzukehren, während im Nachbarland Regierung und Verwaltungen ihre Bürger mit einer Breitseite an Warnungen und Vorschriften überziehen und alles daransetzen, um mit immer ausgefeilteren Restriktionen – die unter Inkaufnahme gravierender wirtschaftlicher und persönlicher Folgen durchgesetzt werden – eine Grundstimmung von Alarmismus, Hysterie und Angstmache aufrechtzuerhalten.
Maske ist zum Glaubensartikel geworden
Symbol dieser von oben verstärkten Aufgeregtheit ist die „Alltagsmaske“, deren sanktionsbewehrtes Tragen längst zum nicht mehr zu hinterfragenden Glaubensartikel erhoben worden ist, obwohl der faktische Nutzen im Hinblick auf eine erwünschte Eindämmung des Infektionsgeschehens nach wie vor umstritten ist, und eine nüchterne und rationale Debatte über die schädlichen Nebenwirkungen dieses Rituals kaum geführt werden kann.
Unstreitig dürfte sein, daß die endzeitlich anmutende Allgegenwart von Vermummungen der Fixierung des öffentlichen Bewußtseins auf eine alarmistische Grundeinstellung dient. Ganz zu schweigen von der Kultur abbrechenden Gesichtsverhüllung, die soziale Kommunikation erschwert, welche in Europa wesentlich auch übers Mienenspiel stattfindet, und dem Händedruck, der als Zeichen der friedfertigen, unbewaffneten Begegnung eine zivilisatorische Errungenschaft darstellt.
Erfinden von Hygieneregeln
Das Ende der Sommerferien und die Rückkehr der Schüler an die Bildungseinrichtungen setzt auch dem in die Länge gezogenen „Weiter so“ im Wirrwarr der Corona-Maßnahmen Grenzen.
Vom vielbeschworenen Aufholen bei der Einführung moderner Kommunikationsmittel, um den Präsenzunterricht zu ergänzen oder teilweise zu ersetzen, ist wenig bis nichts zu bemerken. An der wachsenden Zahl von Problemschulen, an denen Unterricht und Kommunikation nicht einmal unter Normalbedingungen funktionieren, war dies ohnehin illusorisch.
Um so kreativer zeigen sich die Kultusminister und Schulverwaltungen der Länder dagegen beim Erfinden von Abstands- und Hygieneregeln und beim Ausdenken von Vorschriften für das Maskentragen – auf dem Weg ins Klassenzimmer, im Gebäude und auf dem Schulhof oder sogar, wie in Nordrhein-Westfalen, ab der Klassenstufe fünf während des gesamten Unterrichts.
Ehrliche Bestandsaufnahme läßt auf sich warten
Es grenzt an Körperverletzung, Kinder und Heranwachsende teilweise zu stundenlangem und keimvermehrenden Gesichtsbedeckungen zu zwingen, wenn sie sich doch eigentlich auf den Unterricht konzentrieren und lernen sollten. Und es ist befremdlich, daß selbst dieser Übergriff auf die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder nicht noch wesentlich mehr Eltern aufbegehren läßt.
Fakten aber spielen in der Corona- Frage nur noch eine nachgeordnete Rolle. Politik und Medien präsentieren den Bürgern zwar tagtäglich mit besorgtem Gestus Zahlen von „positiv Getesteten“, setzen diese aber oft undifferenziert mit „Infizierten“, „Fällen“ und „Erkrankungen“ gleich.
Bis heute steht eine ehrliche Bestandsaufnahme aus, die die tatsächliche Gefährlichkeit des Sars-CoV-2-Virus gegen die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Auswirkungen und Kollateralschäden der Pandemie-Gegenmaßnahmen vernünftig abwägt.
Corona als Vorwand für Transformationsprojekte?
Bis heute findet auch keine unvoreingenommene Debatte darüber statt, ob der glimpfliche Verlauf der Virusausbreitung in Deutschland tatsächlich den Maßnahmen zu verdanken ist, die erst ergriffen wurden, als das Infektionsgeschehen bereits wieder zurückging, oder auf kulturelle, gesellschaftliche und infrastrukturelle Bedingungen zurückzuführen ist.
Solange sich Regierungshandeln auf ausgewählte Experten-Meinungen und Verordnungen stützt, während abweichende Positionen und Kritik daran ausgeblendet oder denunziert werden, ist diese dringend gebotene Debatte auch nicht möglich. Es mag übertrieben sein, jetzt schon von einer „Gesundheitsdiktatur“ mit totalitären Tendenzen zu sprechen, aber die Vorboten sind unübersehbar.
Verweigern die Verantwortlichen deswegen die Corona-Kurswende, weil sie nicht zugeben wollen, das Virus zuerst unter- und dann überschätzt und deshalb überreagiert zu haben? Oder ist „Corona“ ein willkommener Vorwand, um Bürger- und Freiheitsrechte widerstandslos abzuräumen, große Teile der Wirtschaft zu verstaatlichen, weitreichende Transformationsprojekte durchzudrücken und die Verantwortung für einen ohnehin sich anbahnenden Systemcrash abzuwälzen?
Menschliche Kollateralschäden nicht vergessen
Und neben den wirtschaftlichen nicht zu vergessen die menschlichen und gesundheitlichen Kollateralschäden und Lebensverluste, die ruinierten Existenzen, die nicht durch das Coronavirus, aber durch Einsamkeit, verschleppte Arztbesuche und aufgeschobene Behandlungen Geschädigten und Verstorbenen.
Das Ergebnis der Corona-Politik wäre in jedem Fall das gleiche – die Unterminierung der wirtschaftlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Ordnung, wie wir sie kennen.
JF 35/20