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Protest: Unter Gelbwesten: Eindrücke von einer Bürgerbewegung in Paris

Protest: Unter Gelbwesten: Eindrücke von einer Bürgerbewegung in Paris

Protest: Unter Gelbwesten: Eindrücke von einer Bürgerbewegung in Paris

Gelbwesten
Gelbwesten
Gelbwesten-Protest vor dem Triumphbogen in Paris Foto: picture alliance / abaca
Protest
 

Unter Gelbwesten: Eindrücke von einer Bürgerbewegung in Paris

Seit mehr als 24 Wochen demonstrieren sie in Frankreich, mal mehr mal weniger, mit manchmal fast 300.000 Teilnehmern, jedes Wochenende in rund 20-30 Städten. Doch wie geht der französische Staat mit dieser Herausforderung um? Und in welche europäische Zukunft weist der französische Weg? Ein Kommentar von Matthias Moosdorf.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Seit mehr als 24 Wochen demonstrieren sie in Frankreich, mal mehr mal weniger, mit manchmal fast 300.000 Teilnehmern, jedes Wochenende in rund 20-30 Städten, bei Wind und Wetter und völlig unberührt von präsidialen Verlautbarungen der Beschwichtigung.

Uns hat von Beginn an interessiert, wie der französische Staat mit dieser Herausforderung umgeht, weniger, was die Proteste bewirken wollen und woher sie kommen. Uns ging es um Legitimität und dem sichtbaren Umgang mit demokratischen Grundrechten. Demonstrations- und Meinungsfreiheit, oft als „Luftröhre der Demokratie“ bezeichnet, ist in den Zeiten schneller Informationswege, der Mobilisierung von Flashmob, ein sicherheitspolitischer Prüfstein.

Allzu oft stehen Extremisten bereit, denen es weniger um Inhalte geht, sie sind an der Gewalt an sich, an Exzessen interessiert, die sich medial verwerten lassen. Das ist auch in Paris nicht anders. Aber steht das alles im Verhältnis zueinander? Und wie?

Zustände wie in einem Bürgerkrieg

Frankreich im Jahre 2019 unter der Regierung von Emmanuel Macron (République en Marche): Menschenrechtsorganisationen haben sich bereits mehrmals eingeschaltet – mitten in Europa geschieht ein Verbrechen. Viele hiesige Medien, die sonst so gern über andere Länder den moralischen Zeigefinger erheben möchten und die „westlichen Werte“ beschwören, verschweigen Größe, Anzahl und Art der Proteste.

Dabei herrschen in dem europäischen Vorzeigeland Frankreich oft Zustände wie in einem Bürgerkrieg. Der Staat führt ihn gegen seine Bürger und mit Waffen, die nicht einfach zur Auflösung von Demonstrationen dienen. Tränengas, Wasserwerfer, in anderen Ländern aus gutem Grund verbotene Flashball-Geschosse und GLI-F4-TNT-Handgranaten (explosive Tränenreizgasgranaten) sollen abschrecken. Mittlerweile gibt es darüber hunderte Stunden Videomaterial aus mehr als 30 Städten Frankreichs, Augenzeugenberichte und Artikel.

Was man darauf sehen kann, ist Europas unwürdig. Durch den Einsatz von Polizeikräften, aber auch von Mitgliedern der Sentinel, einer Vorstadt-Gendarmerie, wurden in diesen Wochen fast 20 Gelbwesten getötet, mehr als 2.000 zum Teil schwer verletzt und circa 8.000 gefangengenommen.

Die Bilder sind der Horror: Fünf Personen, darunter auch Pressefotografen, wurde die Hand weggerissen, 18 Personen wurde ein Auge ausgeschossen. Während der französische Innenminister Christophe Castaner (République en Marche) von Polizeigewalt nichts wissen will, kritisiert die Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, Dunja Mijatović, die dokumentierten Übergriffe scharf. Amnesty International France spricht von „Willkür“.

Man stelle sich vor, solche Szenen gäbe es in Budapest

Man stelle sich vor, in Moskau oder gar Budapest kämen Menschen auf diese Weise bei Protesten ums Leben. Wir würden vor lauter hysterischen Sondersendungen vermutlich nicht einmal mehr den Wetterbericht zu sehen bekommen.

Aber all diese Bilder aus der Ferne zu verfolgen, erschien uns mit der Zeit zu wenig. Wir wollten die Beteiligten kennenlernen, ihre Beweggründe, den Quell ihrer Opferbereitschaft. Also sind wir mehrfach nach Paris gefahren, das letzte Mal am 26.April.

Da ist Philippe de Veulle, ein Mitbegründer der Bewegung und ihr Anwalt – in ganz wörtlichem Sinne. Er ist historisch gebildet, eloquent und sehr bürgerlich, man könnte ihn fast einen Royalisten nennen. Er lud uns zu einer Konferenz in die Pariser Vorstadt ein, ein Ort, der mit „einem in sich geschlossenen jahrhundertalten Mentalitätsraum und kulturellen Ausstrahlungszentrum, von einem Daseinsgefühl und Stadtgesicht, von einer Aura, von Savoir-vivre, eleganten Frauen und geraunten Frivolitäten, von den Tuilerien und Le Meurice, Pigalle und Chanson, Bistros und Separees, Foie gras und rotem Wein, der das Herzleid verliebter Romanprotagonisten täubt, von Varieté und Operá, Liberté und Gloire, Bohème und Barrikade, von Hugo, Flaubert, Rivarol, Chamfort, Proust und Houellebecq, von einer literarisch-geistigen Welt, die zwar nicht fähig wäre, ‘Die Kritik der reinen Vernunft’, ‘Die Wissenschaft der Logik’ und ‘Die Kunst der Fuge’ hervorzubringen, aber sonst nahezu alles“ (Michael Klonovsky) nur noch wenig gemein hat. Auf einen Weißen kommen zehn Schwarze, ich sage dies völlig emotionslos, denn das ist dort längst Realität.

Einfache Bürger

Gelbwesten demonstrieren in Paris Foto: Matthias Moosdorf

Es war sehr spannend, in dieser Konferenz die unterschiedlichen Erfahrungen der Gelbwesten mit der Polizei, ihre Übergriffe und die schwierigen Wege zu ihren Rechten, zu erleben. Immer wieder agiert die Polizei anonym und umso brutaler, ohne daß diese Taten verfolgt werden können. Untersuchungen werden nicht – wie eigentlich selbstverständlich und europaweit vorgeschrieben – durch Dritte, sondern von der jeweiligen Polizeistelle selbst durchgeführt.

Philippe de Veulle ist hierbei der Advokat der so Entrechteten. Er berät und hat den zahlreichen Zuhörern die rechtliche Einordnung der Legitimität friedlichen Widerstandes aus der französischen Verfassung heraus anschaulich geschildert. Das Spektrum ist breit, viele könnte man als Kommunisten stalinistischer Färbung bezeichnen. Leider werden nicht nur Argumente ausgetauscht: die Gruppen brauchen auf der Straße auch mitunter Personenschutz. Nicht wegen der Polizei, sondern voreinander.

Dabei handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der „Gelbwesten“ um einfache Bürger, die Abgehängten des „modernen Europa“, die da protestieren, kleine Leute. Die Meisten wissen nicht mehr, wie sie ihre Miete zahlen sollen, können ihren Kindern keine Schulausflüge finanzieren oder müssen am Monatsende auf Essen verzichten.

Auf dem Weg in eine moslemische EU-dSSR

Als Macron Mitte Dezember mit ihnen „ins Gespräch“ kommen wollte, formulierten sie zehn Hauptthemen. Da das Einwanderungsproblem von vornherein ausgenommen war, blieben genau die Fragen, auf die mittlerweile in ganz Europa neue Parteien reagieren: Kriminalität, Identität, soziale Ungerechtigkeit, Erosion des Rechtsstaates, Ghettobildung, Christen- und Judenverfolgung durch moslemische Einwanderung und so weiter.

Da den Gelbwesten selbst der Zutritt zu diesen Anhörungen verboten war, werden ihre Reihen immer mehr von linken Strukturen gekapert. Die Rufe nach noch mehr Sozialstaat, einer Überwindung des Kapitalismus vermengen sich mit Forderungen nach einem „Frexit“, dem Austritt Frankreichs aus der EU. Diese Forderungen und ihre Exponenten sind mitunter schon Teil des Systems Macron. Böse Zungen formulierten den kleinsten gemeinsamen Nenner typisch französisch: Das „Recht auf Faulheit bei voller Bezahlung“. Soll man es doch den „Reichen“ wegnehmen.

Wie konnte es dazu kommen? Frankreichs Vorreiterschaft auf dem Wege in eine moslemisch gefärbte EU-dSSR, seine Toleranz, die Staatsbürgerschaften über Jahrzehnte an halb Afrika verschenkt hat, produziert Verlierer am laufenden Band. Die Vorstädte kommen gegen die moslemischen Parallelgesellschaften nicht mehr an, ganze Viertel sind so gefährlich, daß die Polizei sie meidet. Wer kann, zieht aus diesen Gegenden weg – viele jüdischen Familien haben die Provinzen geräumt und Frankreich verlassen.

Ein typischer Anachronismus

Der von falscher Toleranz beseelte französische Staat schaut zu, Bürger, die sich diesen Auswüchsen widersetzen, werden bestraft. Das ist die explosive Ausgangslage. Frankreich konnte sich noch zu keiner Zeit ökonomisch leisten, was es politisch vorgab zu sein. Alles, was die Grande Nation nicht schultern kann oder will, soll im Europa des Emmanuel Macron vor allem die EU richten. Und Andere, vor allem Deutschland, sollen es bezahlen.

Es ist ein typischer Anachronismus der heutigen Verirrung, der so auch in Deutschland zu Hause sein könnte. Weil die eigene Politik im Lande selbst versagt, soll das Aufgehen in der nächstgrößeren, supranationalen Struktur die Lösung bringen.

Deutschland und Frankreich wollen deswegen zukünftig ein kleines, weiteres Mini-Parlament schaffen. Es soll alle wichtigen Fragen erörtern und seine Ergebnisse nur noch den nationalen Parlamenten vorlegen, zum Abnicken sozusagen. Ziel ist die Zusammenlegung von Verwaltungen als Vorstufe der Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa, Aufgabe weiterer nationaler Souveränität und Schaffung von automatischen Prozessen, Fonds, Beistandsverpflichtungen und Versicherungen inklusive.

Selbst gemeinsame Waffenexporte in Drittländer sollen künftig den restriktiveren deutschen Verboten entzogen und nur noch bei einer direkten Bedrohung der jeweiligen nationalen Sicherheit eingehalten werden. Wie erwartet, all das ohne die beiden Völker zu fragen und ohne andere Staaten der EU bei den zu erwartenden Konsequenzen einzubinden.

Der Ende Januar unterzeichnete Aachener Vertrag und die Gelbwesten-Proteste gehören zusammen. Beide Momente illustrieren den nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Macron „alternativlosen“ Weg in ein neues Europa. Dieses EU-ropa hätte allerdings nichts mehr mit unserem bisherigen Europa zu tun, nichts mit einem aufgeklärten, demokratischen Rechtsstaat, nichts mit Säkularisierung und Humanismus, nichts mit Austerität, Wettbewerb und Meinungsfreiheit.

Schaffung eines Unrechtsregimes

Wir erleben gerade die Schaffung eines Unrechtsregimes, schlimmer als es die DDR und ihre volksdemokratischen Nachbarn je gewesen sind. Selbst deren Hemmungen, gegen die eigenen Bevölkerungen mit Gewalt vorzugehen, haben heutige Globalisten nicht, das ist in Frankreich derzeit gut dokumentiert. Wer in Europa bei Verstand ist, muß Macrons „Schicksalsgemeinschaft mit Afrika“ ablehnen – oder mit ihr untergehen.

An diesem Wochenende blieb die Demonstration friedlich auf beiden Seiten. 31 Polizisten haben sich seit Beginn des Jahres das Leben genommen. Die ersten Verweigerungen, weiter auf ihre Landsleute einzuprügeln, sind dokumentiert. Demonstrativ setzten die Sicherheitskräfte auch in unserer Gegenwart ihren Helm ab. Wie gesagt, sehr professionell auf beiden Seiten, geschult an 24 Wochen gemeinsamem Freud und Leid.

Wir fragten natürlich nach den Perspektiven und erhielten sinngemäß immer wieder die gleiche Antwort: „Wir sind bis hierher gemeinsam gegangen, es war hart, vor allem im Winter. Es gibt keinen Grund, jetzt damit aufzuhören und wir werden erst ruhen, wenn Macron weg ist“. Und dann? Schulterzucken …

Wir ahnen, daß hier etwas irreparabel beschädigt ist. Es gibt keine funktionierende Parteienlandschaft mehr, die die Interessen auffangen und kanalisieren könnte. Das ist die eigentliche Warnung an das übrige Europa. Hört auf eure Wähler! Die nächste Gelegenheit dazu wird am 26.Mai sein. Es wird sich zeigen, ob die Signale verstanden werden.

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Matthias Moosdorf, geb. 1965 in Leipzig, Musiker u.a. im Leipziger Streichquartett, Konzerte in über 65 Ländern, mehr als 120 CD-Veröffentlichungen, 5 ECHO-Klassik Preise, Texte und Bücher zur Musik u.a. bei Bärenreiter, 2008-2013 Gastprofessor an der Gedai-University of Arts, Tokyo, Gründung mehrerer Kammermusik-Festivals, Gesprächspartner zu Musik und Politik im Radio, seit 2016 auch Politikberatung und Publizistik, arbeitet für den AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner.

Gelbwesten-Protest vor dem Triumphbogen in Paris Foto: picture alliance / abaca
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