Wer bislang geglaubt hat, linksgrüne Propaganda in Unterhaltungsserien wäre ein Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, wird derzeit vom Streaming-Riesen Netflix eines Besseren belehrt. „Wir sind die Welle“, heißt eine deutsche Produktion, die den politischen Erziehungsprogrammen von ARD und ZDF in nichts nachsteht und bei der man den Machern allenfalls zugute halten kann, daß die Zuschauer beim privaten Anbieter Netflix zumindest freiwillig Kunden sind, also nicht gezwungen werden, dafür zu bezahlen.
Die Dramaserie handelt von einer Gruppe Schüler, die glaubt, gegen eine aufstrebende rechte Partei, die NFD, aktiv werden zu müssen. Nicht nur der Name macht dem Zuschauer schnell klar, daß mit der NFD eigentlich die AfD gemeint ist. Auch Logo und Parteifarben ähneln denen der Alternative für Deutschland stark.
Gleich zu Beginn der ersten Folge hält ein Spitzenpolitiker der NFD eine Rede, die eine nahezu wortgleich ist mit einer Ansprache des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier, in der er seinerzeit ankündigte, daß, sollte die AfD einmal an der Macht sein, sie „ausmisten“ und wieder „Politik für das Volk und zwar nur für das Volk“ machen werde. Das Drehbuch fügt den Sätzen lediglich das Wörtchen „deutsche“ hinzu, weil sie dadurch in den Köpfen linker Filmemacher gleich noch eine Spur rechtsradikaler klingen.
„Niveau eines sowjetischen Groschenromans“
Nachdem der NFD-Politiker seine Frohnmaier-Rede gehalten hat, wird er von den guten Rächern unter Drogen gesetzt, entführt und später mit einer Naziuniform bekleidet in einem Glaskasten im Museum bloßgestellt.
Frohnmaier spricht deshalb von einem „durchschaubaren Propagandastück“. Die Serie könne nur gut finden, „wer die Weltanschauung des links-grünen Mainstreams teil“. Damit bekomme man „vielleicht von den Extinction-Rebellion-Chaoten Applaus oder vom Feuilleton der FAZ“, so Frohnmaier zur JF. Seiner Ansicht nach aber bewege sich die Serie „auf dem Niveau eines sowjetischen Groschenromans“.
Tatsächlich erwecken die Macher von „Wir sind die Welle“ den Eindruck, daß der Zweck so ziemlich jedes Mittel heiligt. So steckt zum Beispiel einer der jugendlichen Revoluzzer in einer Szene ein Industriegebäude mit einem Molotowcocktail in Brand und filmt sich dabei für seine Freundin. Die ist, als sie das Video sieht, zwar im ersten Moment ein wenig verärgert über den Gewaltakt, vollzieht dann aber um so sinnlicher den Sexualakt mit ihrem Feuerteufel.
Diese pubertär-verschwitzte Revolutions-Romantik, gepaart mit Gangster-Posen aus der Reihenhaus-Siedlung und untermalt mit poppiger Rapmusik, zieht sie durch alle sechs Folgen der ersten Staffel von „Wir sind die Welle“. Entlarvend ist dabei, daß die Produzenten der Serie für ihre Geschichte über die politisch korrekte Jugendgang, die in ihrem idealistischen Kampf für das vermeintlich Gute vor nichts zurückschreckt, als Titel ausgerechnet eine Reverenz zum ideologiekritischen Roman „Die Welle“ gewählt haben.
Gewalt wird kaum hinterfragt
Zumal die Netflix-Produktion selbst kaum echte Sollbruchstellen erkennen läßt, an denen sich der wahnhafte, alles legitimierende Kampf der Guten gegen das vermeintlich Böse als fataler Irrweg entpuppt. All das zeigt, wie sehr Wahn und Selbstgerechtigkeit inzwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischt und jede höhere Moral ausradiert haben. Nicht nur in der fiktiven Geschichte.
Die Serie suggeriert ihrer jungen Zielgruppe: Wenn es gegen Nazis geht, ist alles erlaubt. Aber auch Immobilien-Haie oder klimaschädliche Großkonzerne dürfen, ja müssen vielleicht sogar mit allen Mitteln bekämpft werden. Zwar streiten sich die jungen „Widerstandskämpfer“ auch hin und wieder darüber, wie radikal der Widerstand ausfallen dürfe, aber meistens ist einem solchen Streit eine mißglückte Aktion vorausgegangen oder es geht darum, wie zielführend die drastischen Mittel sind. Die Gewalt und der Vandalismus an sich werden kaum hinterfragt. Am Ende sind sich die Freunde immer wieder einig.
In vielem erinnern die Protagonisten der Serie tatsächlich an „Extinction-Rebellion“. Bei ihren Aktionen, die sie für das Internet filmen, um noch mehr Menschen dazu zu animieren, es ihnen gleich zu tun, tragen sie oft kultisch anmutende Masken. Einmal manipulieren sie in einem Autohaus sogar die Auspuffanlagen der dort abgestellten SUVs und gasen so Verkäufer und Kunden ordentlich ein.
Selbst Linken peinlich
In der Schluß-Szene des Staffelfinales hat die Gruppe größtenteils in weiße Gewänder gekleidet eine Waffenfabrik besetzt. Friedlich, wie sie betont, nachdem sie zuvor unter anderem das Wachpersonal unter Drogen gesetzt und sich eine brutale Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Polizisten geliefert hat.
Lustigerweise wird die Serie trotz all der politischen Anbiederungen auch von vielen Linken kritisiert. So manchem gefällt es offenbar nicht, daß Links überhaupt mit Gewalt in Verbindung gebracht wird. Dem ein oder anderen mag die propagandistische Schützenhilfe des US-Internet-Giganten vielleicht auch ein wenig peinlich sein. Denn wie soll man sich als Linker noch als Rebell fühlen, wenn einem dafür jetzt schon von Netflix virtuell auf die Schulter geklopft wird?