Gerade dürfen wir eine nicht alltägliche Allianz beobachten: Grüne und Umweltschützer auf der einen sowie Energie- und Wirtschaftsverbände auf der anderen Seite verbünden sich gegen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Anlaß für den Sturm auf Berlin ist ein geplantes Gesetz, das den Mindestabstand zwischen Windradanlagen und Wohnsiedlungen regeln soll.
Demnach dürfen künftig keine Windräder mehr gebaut werden, wenn der Abstand zur nächsten Siedlung – bestehend aus mindestens fünf Häusern – weniger als 1.000 Meter beträgt. Auch Modernisierungen bestehender Anlagen wären ausgeschlossen. Die Folge: Im dichtbesiedelten Deutschland würde die Verspargelung der Landschaft drastisch gebremst.
Die Ablehnung ist deshalb so groß, weil die Windenergie längst weit mehr als ein ideologisches Projekt der Grünen und ihrer Unterstützungskommandos in den Nichtregierungsorganisationen ist. Ganze Industrien haben ihr Geschäftsmodell auf Subventionen und Zwangsumlagen aufgebaut – ein riskantes Unterfangen. Die Pleite vom aufgepumpten „Sonnenkönig“ Frank Asbeck und seiner „Solarworld“ vor zwei Jahren und der aktuell geplante Stellenabbau des Windkraftanlagebauers Enercon beweisen das.
Grünenwähler in Städten sehen keine Windräder
Wer offenen Auges etwa durch Dörfer in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen oder Sachsen-Anhalt fährt, begegnet dort nicht selten Plakaten gegen den Windkraftausbau. Jeder, der auch nur ein bißchen ländliche Heimatverbundenheit im Herzen trägt, kann das verstehen.
Deshalb ist auch die Kritik der Grünen so verlogen. Ihre Wähler leben vorwiegend in Großstädten, wo sie Chai-Latte-schlürfend das neue Bürgertum bilden. Wenn sie aus dem Fenster sehen, erblicken sie dort kein Windrad. Sie können sich aber im wohligen Gefühl der moralischen Überlegenheit sonnen, wenn sie das nächste Mal ihr E-Auto in der Tiefgarage laden. Schließlich stehen irgendwo weit weg zweihundert Meter hohe Monumente der Merkelschen Energiewende, die, wenn der Wind günstig ist, Ökostrom produzieren.
Doch die Energieversorgung ist ein zu ernstes Thema, um sich allein über die Doppelmoral der Grünenwählerschaft – keine fliegt so viel wie sie – zu ärgern. Selbst der Chef des energiewendefreundlichen Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, warnte Anfang der Woche: „Ohne ausreichende Netzkapazitäten drohen zu Spitzenlastzeiten Blackouts. Wer die verhindern will, muß Kraftwerke, die eigentlich abgeschaltet werden sollten, länger laufen lassen.“
Blackouts sind drohende Realität
Mit Blackouts beschäftigen sich heute keine Drehbuchautoren mehr, sondern die großen Energieversorger und staatliche Stellen. Im Juni schrammte Deutschland knapp an der Katastrophe vorbei, als an drei Tagen die Unterdeckung so groß war, daß die vier großen Netzbetreiber die Reserven anderer europäischer Länder zusammenkratzen mußten.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft warnt mit Blick auf den Atom- und Kohleausstieg, daß schon in wenigen Jahren nicht mehr genug Kraftwerkskapazitäten bereitstehen werden, um die Spitzenlast zu decken. Und im „Bericht der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz 2017 bis 2021“ heißt es: Auch unter Berücksichtigung der Reservekraftwerke sei die verbleibende Leistung im Januar 2020 noch knapp positiv. Für Januar 2021 weise die Analyse „eine negative verbleibende Leistung von minus 5,5 Gigawatt aus“.
Das aktuelle Bündnis aus zeitgeistangepaßten Industrieverbänden und ideologischen Einheizern dürfte spätestens dann unsanft auf dem harten Boden der Realität ankommen.