Anzeige
Anzeige
Marc Jongen, ESN Fraktion

Reform der Europäischen Union: Weniger EU ist mehr Europa

Reform der Europäischen Union: Weniger EU ist mehr Europa

Reform der Europäischen Union: Weniger EU ist mehr Europa

Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker: Steht für mehr Europa Foto: dpa
Reform der Europäischen Union
 

Weniger EU ist mehr Europa

Zuverlässig erschallt in jeder EU-Krise der Ruf nach „mehr Europa“. Weil das vielen Völkern jetzt schon zuviel ist, trägt jede solche „Problemlösung“ bereits den Keim der nächsten Krise. Zehn Punkte, durch die alles anders und besser werden könnte. Von Michael Paulwitz.
Anzeige

Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Zuverlässig erschallt in jeder EU-Krise der Ruf nach „mehr Europa“. Weil das vielen Völkern jetzt schon zuviel ist, trägt jede solche „Problemlösung“ bereits den Keim der nächsten Krise. Die Briten hat dieser Entnationalisierungseifer schon vertrieben, der Rest ist tief und mehrfach gespalten. Ein Teufelskreis, der nur durchbrochen werden kann, wenn der europäische Zusammenschluß sich auf seinen Wesenskern konzentriert: Weniger EU ist mehr Europa.

1. Respektiert die Nationen! Die EU ist ein Zusammenschluß von Nationalstaaten. Sie sind nicht nur die Herren der Verträge, mit denen sie sich freiwillig verbunden haben, sie sind auch die Träger demokratischer Legitimation. Die Völker sind der Souverän; sie organisieren sich in Nationen und Nationalstaaten, um ihren politischen Willen und ihre Interessen zu finden, wahrzunehmen und zu verteidigen. Ohne Nationalstaat keine Demokratie.

2. Beschränkt euch aufs Wesentliche! Europapolitik ist Staatenpolitik, keine EU-Innenpolitik. Staaten sind die handelnden Subjekte des Völkerrechts, die EU soll ihnen dafür eine Plattform bieten, ohne selbst Staat sein zu wollen. Internationale Politik, Handels- und Sicherheitspolitik sind die klassischen Felder, auf denen eine Zusammenarbeit zwischen Staaten sinnvoll ist. Finanz-, Sozial- und Innenpolitik regelt jeder Mitgliedstaat am besten für sich.

3. Mehr Mut zur Bilateralität! „Rosinenpickerei“ ist kein Schimpfwort: Jeder Staatsmann ist seinem Souverän, dem Volk, verpflichtet, das Beste für das eigene Land herauszuholen. Wenn zwei, drei oder mehrere Staaten sich im übereinstimmenden Interesse zusammenfinden, um ein drängendes Problem – zum Beispiel die Schließung illegaler Migrationsrouten – gemeinsam zu lösen: gut so. Wo keine länderübergreifende Vereinbarung zustande kommt, handelt jeder Staat für sich: Das ist echte Subsidiarität.

4. Entmachtet die Bürokraten! Der Befund ist nicht neu: Bis zu vier Fünftel der in nationalen Parlamenten verhandelten Rechtsakte sind direkt oder indirekt Umsetzung von EU-Vorgaben. Ausgeheckt nicht selten von Bürokraten in von niemandem gewählten und kontrollierten Gremien. Der Wildwuchs von privilegierten Behörden, Unter- und „Nicht-Regierungs“-Organisationen muß drastisch zurückgestutzt werden, damit die EU vom Lobbyistenparadies wieder zur diplomatischen Bühne der Mitgliedstaaten werden kann.

5. Freihandel statt Dirigismus! Wirtschaft zentral und politisch steuern zu wollen – sei es die Kohle- und Stahl-Industrie, die Agrarwirtschaft oder eben die „Digitalisierung“ – ist eine überholte Vorstellung aus dem Jahrhundert des Sozialismus. Dafür wird viel Geld verbrannt und am Ende vor allem Stillstand und Mittelmaß produziert. Subventionen zu verteilen sollte keine Aufgabe der EU mehr sein. Sie sollte wieder eine Zone des Freihandels werden, in der die Nationen ohne Zollschranken untereinander im freien Wettbewerb prosperieren können.

6. Wickelt den Euro ab! Es ist das wohl teuerste Experiment in der europäischen Geschichte: der Versuch, unterschiedliche Volkswirtschaften mit divergierenden Interessen und hohem Wirtschaftskraftgefälle ohne politische Union in das Korsett einer gemeinsamen Währung zu zwingen. So etwas hat noch nie funktioniert. Der Preis für das Festhalten am Euro ist exponentiell wachsende Umverteilung, massive Entmündigung und Entmachtung der Mitgliedstaaten und eine Spaltung der EU. Besser, das mißlungene Experiment jetzt zu beenden, bevor es die Europäer noch tiefer entzweit.

7. Schließt das EU-Parlament! Europa ist kein Staat und kann demokratisch legitimiert auch keiner sein; ein europäisches Staatsvolk gibt es nicht. Wozu dann ein „Parlament“, das gar keines ist, weil es kein „Volk“ repräsentiert und keine „Regierung“ kontrolliert, bei dessen Zustandekommen die Wählerstimmen haarsträubend ungleich zählen, dessen Mitglieder aber üppiger alimentiert werden als ihre Kollegen in den meisten echten nationalen Parlamenten? Ehrlicher wäre es, diese Parlaments-Simulation abzuschaffen und durch eine Staatenkammer aus Vertretern der nationalen Parlamente als Pendant zu den Räten der Minister und Regierungschefs zu ersetzen.

8. Erleichtert den Ein- und Austritt! Politische Integration und maximale territoriale Ausweitung schließen sich aus. Je weniger die Mitgliedstaaten durch für alle verbindliche Vorschriften, Subventions- und Umverteilungsapparate und institutionelle Überbauten aneinandergekettet werden, desto offener kann die reformierte EU für Teilnehmer mit unterschiedlichsten Voraussetzungen sein – Voraussetzung natürlich, es handelt sich um Europäer. Und wenn eine Nation beschließt, andere Prioritäten zu setzen, sollte sie die EU-Bühne auch wieder verlassen können, ohne geschmäht und krampfhaft festgehalten zu werden.

9. Stärkt die Nationalstaaten! Zukunft hat die EU nur als Staatenbund, nicht als Bundesstaat. Die Räte der Minister und Regierungschefs sind entscheidend, und diese wiederum sind ihren nationalen Parlamenten verantwortlich. Kommissionspräsident, Kommission und Kommissare, aber auch Außen- und andere hauptamtliche Beauftragte, die sich als übergeordnete Institutionen verstehen und nicht als Dienstleister der Nationalstaaten, stehen dazu ebenso im Widerspruch wie Mehrheitsentscheidungen und Konsenszwang.

10. Schafft das Europa der Vaterländer! Die Europäische Union muß der Ort sein, an dem sich die Nationalstaaten Europas friedlich und auf Augenhöhe begegnen, um ihre Interessen abzugleichen, gemeinsame Ziele zu verfolgen oder Differenzen beizulegen. Nicht mehr – und nicht weniger. Das ist ein gewaltiger Fortschritt gegenüber dem Zeitalter der europäischen Bruderkriege. Und eine Errungenschaft, die wir nicht leichtfertig durch imperialen Größenwahn aufs Spiel setzen sollten.

JF 29/18

Jean-Claude Juncker: Steht für mehr Europa Foto: dpa
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

aktuelles