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Smartphones: Lieber ein gutes Gespräch führen

Smartphones: Lieber ein gutes Gespräch führen

Smartphones: Lieber ein gutes Gespräch führen

Jugendliche mit Smartphones
Jugendliche mit Smartphones
Jugendliche mit Smartphones: Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit Foto: picture alliance / maxppp
Smartphones
 

Lieber ein gutes Gespräch führen

Smartphones schaden der Gesundheit, Bildung und dem Wohlbefinden junger Menschen nachweislich massiv – und das allein schon durch ihre bloße Präsenz. Es wird Zeit, daß wir den digitalen Hype durch belastbare Fakten ersetzen. Denn es geht um unser höchstes Gut: unsere Kinder! Ein Kommentar von Manfred Spitzer.
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Cato, Palmer, Exklusiv

Das Smartphone gibt es seit zehn Jahren. Kein technisches Gerät hat jemals so schnelle Verbreitung über die gesamte Erde erlangt, wurden mittlerweile doch mehr Smartphones verkauft als es Menschen auf der Welt gibt. Bei dieser Vermarktungsorgie blieb leider jegliche verantwortungsvolle Technikfolgenabschätzung auf der Strecke. Nach dem gegenwärtigen Stand unseres Wissens schaden Smartphones bei unkritischer Verwendung der körperlichen, emotionalen, geistigen und sozialen Entwicklung junger Menschen und damit deren Gesundheit.

Nachgewiesen wurden die folgenden Risiken und Nebenwirkungen: Bewegungsmangel und Haltungsschäden, Kurzsichtigkeit, Übergewicht, Bluthochdruck, eine prä-diabetische Stoffwechsellage, Schlafstörungen (und dadurch Tagesmüdigkeit) sowie erhöhtes Risikoverhalten beim Geschlechts- und Straßenverkehr: Die Nutzung von sogenannten Geosocial Networking Apps fördert Gelegenheitssex und damit auch die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten; Smartphones haben bei jüngeren Verkehrsteilnehmern den Alkohol als Unfallursache Nummer eins abgelöst.

Körperliche und seelische Probleme

Manfred Spitzer Foto: picture alliance/Eventpress

Neben diesen körperlichen Problemen kommt es im seelischen Bereich zu Aufmerksamkeitsstörungen, Ängsten, Depressionen (einschließlich Selbstverletzungen und Selbstmordgedanken), Streß, Sucht (Computersucht, Internetsucht, Spielsucht, Smartphone-Sucht, aber auch mehr Alkohol- und Tabak-Konsum) sowie zu geringerem akademischen Erfolg bis zum Schulversagen. Zudem vermindern Smartphones die Lebenszufriedenheit und die Empathiefähigkeit, das Mitgefühl, gegenüber Eltern und Freunden.

Neben der Bildung beeinträchtigt das Smartphone also auch die Fähigkeit zur Solidarität und zudem die eigenständige Willensbildung und damit die Grundfesten unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Diese Risiken und Nebenwirkungen des Gebrauchs digitaler Informationstechnik sind um so ausgeprägter, je jünger die Menschen sind, die mit ihnen Umgang haben.

Smartphone-Verbot an Schulen führt zu Leistungssteigerungen

Den bekannten Nebenwirkungen stehen behauptete Wirkungen gegenüber, die bislang nicht nachgewiesen wurden. Schon im Jahr 2011 verteilte man Smartphones im Rahmen einer Studie in den USA an diejenigen 17jährigen, die noch kein iPhone hatten. Ein Jahr später waren sie enttäuscht darüber, daß sie weniger gelernt hatten, mehr abgelenkt waren und in ihren Leistungen abgesunken waren.

Verbietet man Smartphones an Schulen, geschieht das Gegenteil:

  1. Das Verwenden von digitaler Informationstechnik im Unterricht lenkt ab und führt allein aus diesem Grund zu vermindertem Lernen, je nach Studie um etwa 10 bis 15 Prozent.
  2. Suchmaschinen dienen ganz prinzipiell nur dann der Informationsbeschaffung, wenn der Suchende schon sehr viel weiß. Weiß er hingegen wenig oder nichts (Schüler!), sind sie Lehrbüchern unterlegen.
  3. Smartphones verführen zur Oberflächlichkeit und bewirken damit, daß weniger gelernt und behalten wird.
  4. In den Unterricht mitgebrachte und dort zu Lernzwecken eingesetzte eigene Smartphones lenken ab, wie eine große deutsche Studie gezeigt hat.
  5. Eine sehr große Studie an 90 Schulen im Großraum London, die in den Jahren 2002 bis 2012 ein Handyverbot eingeführt hatten, ergab bei den über 130.000 Schülern eine stetige und hoch signifikante Verbesserung der Schulleistungen in den Jahren nach dem Verbot. Besonders wichtig: Je schlechter die Schüler vor dem Verbot waren, desto mehr steigerten sich ihre Leistungen.

Anders gesagt: Die 20 Prozent besten Schüler wurden nach dem Handy-Verbot nicht besser, die 20 Prozent schwächsten Schüler verbesserten sich hingegen am deutlichsten. Das Handy bewirkt also nicht mehr Bildungsgerechtigkeit (wie so oft behauptet wird), sondern führt bei vorbestehender geringerer Bildung  zu einer zusätzlichen Benachteiligung!

Beeinträchtigungen allein durch Präsenz

Neueste Studien belegen: Das Smartphone bewirkt allein durch seine Präsenz eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit – man spricht von Denkstörung. Je abhängiger man vom Smartphone ist, desto größer ist die Störung. Einfach „das Ding“ ausschalten oder mit dem Bildschirm nach unten hinlegen hilft nicht! Man sollte es schon in ein anderes Zimmer bringen – freiwillig, sonst entsteht Angst – und damit geschützte Zeiträume schaffen, um konzentriert arbeiten oder einfach nur ein gutes Gespräch führen zu können. Das trifft für alle zu – vom Schüler bis zum Topmanager!

Angesichts der dargestellten Tatsachen ist es interessant zur Kenntnis zu nehmen, wie anderswo auf die zunehmende Digitalisierung der Lebenswelt junger Menschen reagiert wird. Betrachten wir zwei Beispiele, Australien und Südkorea. In Australien wurden ab dem Jahr 2008 etwa 2,4 Milliarden australische Dollar in die Digitalisierung von Schulen investiert. Nach einem dramatischen Absinken der Leistungen australischer Schüler in ländervergleichenden Leistungstests wurde diese Digitalisierung der Schulen im Jahr 2016 wieder rückgängig gemacht.

Südkorea ist das Land mit der weltweit besten digitalen Infrastruktur. Es produziert weltweit die meisten Smartphones, die dort von jungen Menschen täglich im Durchschnitt für 5,4 Stunden benutzt werden. Das dortige Wissenschaftsministerium gibt den Anteil der Smartphone-Süchtigen unter den 10- bis 19jährigen jungen Menschen mit über 30 Prozent an! Der Anteil der Kurzsichtigen in diesem Altersbereich (normal sind maximal fünf Prozent) liegt bei über 90 Prozent.

Kein Profit ist wichtiger als unsere Kinder

Um die junge Generation vor den schlimmsten Auswirkungen des Smartphones zu schützen, wurde daher vor einigen Jahren in Südkorea die Smartphone-Nutzung von Menschen unter 19 Jahren per Gesetz eingeschränkt. Mittels geeigneter Software wird – per Gesetz! – der Zugang zu Pornographie und Gewalt blockiert, die Nutzungszeit registriert (und den Eltern gemeldet, wenn der Sohn oder die Tochter zuviel Zeit am Smartphone zubringen – automatisch!), und der Zugang zu Spiele-Servern wird ab Mitternacht blockiert. Südkorea hat weltweit die meisten Erfahrungen mit der Smartphone-Nutzung bei Jugendlichen. An diesem Land sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

Denn es wird Zeit, daß wir den digitalen Hype durch belastbare Fakten ersetzen. Smartphones schaden der Gesundheit, Bildung und dem Wohlbefinden junger Menschen nachweislich massiv. Die nächste Generation mit fadenscheinigen Argumenten den Profitinteressen der ohnehin schon reichsten Firmen der Welt (Apple, Google, Microsoft, Facebook, Amazon) zu opfern ist verantwortungslos, denn kein Profit der Welt ist wichtiger als unser höchstes Gut: unsere Kinder!

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Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer ist Psychiater, Hochschullehrer und Bestsellerautor. Zuletzt veröffentlichte er im März dieses Jahres das Buch „Einsamkeit – Die unerkannte Krankheit“.

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