Gemessen an den Umfragen kann Angela Merkel einen stillen Triumph auskosten. Ihr Vertrauter Volker Bouffier bleibt Hausherr in der Wiesbadener Staatskanzlei, die CDU kann schwarz-grün möglicherweise ohne die FDP fortsetzen. „Gegen uns kann nicht regiert werden“, hat Merkel nach der Bundestagswahl 2017 unbeeindruckt von ihrer schweren Niederlage gesagt und kann dies heute wiederholen. Was sind da schon Stimmenverluste von rund zehn Prozent angesichts des demütigenden Kopf-an-Kopf-Rennens der SPD mit den Grünen um Platz zwei. Und das in ihrem früheren Stammland, in dem die Sozialdemokraten einst selbstbewußt den Schlachtruf „Hessen vorn“ formulierten und heute ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1946 einfuhren.
Die vage Hoffnung, ihr Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel könnte mit Hilfe einer rot-rot-grünen Koalition oder einer roten Ampel neuer Ministerpräsident werden, hat sich nicht erfüllt. Bei einem Minus von etwa zehn Prozent dauert die Krise der SPD an. Die gebeutelte Partei wird in Berlin weiter über ihren Verbleib in der Großen Koalition streiten. Sonderparteitag, Mitgliederbefragung – die SPD kommt nicht zur Ruhe, Parteichefin Andrea Nahles will mit CDU und CSU Tacheles reden.
Die Grünen setzen ihren Höhenflug fort. Die Wohlfühl-Partei mit den Gute-Laune-Vorsitzenden macht der SPD Rang zwei streitig, nicht nur in den Ländern, auch auf Bundesebene. Doch hat ihr Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir, der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister, Boden gut gemacht im bürgerlichen Lager. Ob sie auf dem Weg zur neuen Volkspartei sind, ist trotz der jüngsten Erfolge keineswegs gesichert.
Die AfD muß sich professionalisieren
Wahlgewinner ist eindeutig die AfD. Anders als die Grünen und die FDP sitzt die AfD jetzt in allen 16 Landtagen – fünfeinhalb Jahre nach ihrer Gründung im hessischen Oberursel. Das ist deshalb ein historischer Sieg, da es nach 1949 noch nie einer Partei gelungen ist, alle Landesparlamente im Durchmarsch zu nehmen. Daraus erwächst der AfD Verantwortung. „Obergärig“ war gestern, die Partei muß sich professionalisieren, personell breiter aufstellen und inhaltlich neue Themen erschließen. Und es ist an der Zeit, daß ihre zahlreichen politischen Gegner die AfD nunmehr als normale Partei behandeln und begreifen.
Und die FDP? Ihr Ergebnis fällt mickrig aus. Die alte Regel gilt nicht mehr, wonach die Liberalen von Verlusten der CDU profitieren. Jetzt könnte es in Hessen für Jamaika reichen, als deutlich schwächster Koalitionspartner der CDU und der Grünen. Ob sich in Berlin die Große Koalition stabilisiert, bleibt abzuwarten.