„Es gibt nichts, was so verrückt ist wie das Euro-System heute.“ Davon ist nicht nur Willem Buiter überzeugt. Der Chefvolkswirt der Citigroup plädierte gegenüber dem Handelsblatt für eine Entnationalisierung der Europäischen Zentralbank (EZB). Mehr Kraft für Frankfurt? Weniger Einfluß aus Paris, Madrid und Berlin? Ob weitere Schritte hin zur geldpolitischen Machtzentralisierung die richtige Antwort auf sind, bleibt fraglich.
Sicher ist jedoch, daß das europäische Geldsystem gravierende Schwachstellen offenbart. Auch die im Dezember 2017 leicht schwächer gewordene Inflation im Euroraum kann darüber nicht hinwegtäuschen. Sie fiel im letzten Monat des Vorjahres auf 1,4 Prozent und entfernte sich weiter vom Ziel der EZB, die knapp zwei Prozent anstrebt.
Die rasante Erhöhung der Geldmenge hat die Lage in Europa nicht gebessert. Die Schuldenquote der EZB ist mittlerweile doppelt so hoch wie die der Pleitebank der Lehman Brothers kurz vor ihrem Bankrott.
Nicht mehr als eine Insolvenzverschleppung
Mario Draghis „Whatever it takes!“ bedeutete nicht mehr als Zeitverzögerung und Insolvenzverschleppung. Als großes Vorbild galt bislang Japans Notenbank, die mittlerweile sogar jede fünfte japanische Aktie und 75 Prozent aller in Japan emittierten börsengehandelte Fonds (ETFs) in ihren Büchern hält. Mit desaströsen Folgen: Seit fast 30 Jahren schon liegt der Nikkei-Index deutlich unter seinem ehemaligen Höchststand von 38.915 Punkten. Die dortige Ökonomie verharrt in Tristesse und Stagnation.
Ende Dezember 2017 dann eine kleine Überraschung: Die Bank of Japan reduzierte ihre Bilanz erstmals seit 2012 zurückgegangen – minimal zwar, doch immerhin um 3,26 Milliarden Euro auf etwa 3,83 Billionen Euro.
Doch bei aller Bescheidenheit des Volumens ist dieser Vorgang durchaus beachtlich, galt Tokio doch bislang als Vorreiter einer ultralockeren Geldpolitik. EZB und das US-amerikanische Federal Reserve System sahen dagegen aus wie Zauberlehrlinge.
Eine Reihe von Entscheidungsträgern des Fed-Systems haben sich in den vergangenen Wochen bereits zurückhaltend bezüglich möglicher Leitzinssenkungen geäußert. Andeutungen bezüglich einer Anpassung des Inflationsziel geistern durch die Flure der Finanzinstitutionen.
Die Folgen jahrelanger Planwirtschaft
Am vergangenen Montag sagte John Williams, Präsident der Fed von San Francisco, die US-Zentralbank könne eine Rezession besser bekämpfen, indem sie sich verpflichtete, die Zinssätze länger niedrig zu halten.
Der Präsident der Bostoner Fed, Eric Rosengren, schlug vor, daß eine „Spanne der Inflation“ anstelle der fixen Rate von zwei Prozent einzuführen. Ex-Fed-Boß Ben Bernanke blies bei einer Veranstaltung des Brooking Instituts in das gleiche Horn.
Die Nebelschwaden sind noch dick. Doch das Zwei-Prozent-Inflation-Ziel wankt. Keine guten Vorzeichen für eine baldige Einkehr von Vernunft in die geldpolitische Diskussion.
Mit Spannung werden die nächsten Reaktionen der EZB erwartet. Doch ein Ende ohne Schrecken wird es kaum geben können. Spielraum ist kaum mehr vorhanden. Schließlich hat die jahrelange Planwirtschaft der Notenbankpressen dafür gesorgt, daß wir Bürger uns warm anziehen müssen. Hoffnung läßt sich angesichts der Lage kaum mehr finden.