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Hippie-Bewegung: Krankhafte Weigerung, erwachsen zu werden

Hippie-Bewegung: Krankhafte Weigerung, erwachsen zu werden

Hippie-Bewegung: Krankhafte Weigerung, erwachsen zu werden

Hippies
Hippies
Hippie-Treffen 1967 in Essen Foto: picture alliance/dpa
Hippie-Bewegung
 

Krankhafte Weigerung, erwachsen zu werden

Vor 50 Jahren feierten die Hippies den „Sommer of Love“. Im Vordergrund standen die Ablehnung bürgerlichen Zwangs, von Haarschnitt und Zähneputzen bis zu Militärdienst und Anerkennung fremden Eigentums. Mit der Hippiebewegung wurden in die Gesellschaft Werthaltungen einer Subkultur eingeschleppt, die eine nachhaltig negative Wirkung entfalteten. Von Karlheinz Weißmann
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Gemeinhin werden die Worte Hipster und Hippie abgeleitet vom umgangssprachlichen hip für „eingeweiht sein“. Die religiöse Konnotation ist kein Zufall, sowenig wie der Blumenschmuck der „Blumenkinder“, die sich zum Teil als „Gefolgsleute Krishnas“, „Gopas of Lord Govinda“ (gemeint ist der jugendlich-schöne Hindugott Krishna Govinda) bezeichneten, aber auch als New Gypsies, New Indians, Cosmic People, Psychedeliker.

„Spiritualität“ war für die ganze Bewegung ein wichtiges Thema, aber es handelte sich um eine merkwürdige Mischung, in der Jesus als Freak neben Buddha stand, der aus der Astrologie kommende Glaube an das „Wassermannzeitalter“ neben der Wahrsagerei, das Tao und jede Art asiatischer Weisheitslehre neben Okkultismus und einer diffusen Naturreligiösität. Vorherrschend waren in jedem Fall ziellose Spontaneität und ein ausgeprägter Irrationalismus: „Die freaks wollten nicht viel denken, damit die Macht des Bösen nicht zunimmt.“

Daher kam die Ablehnung bürgerlichen Zwangs, von Haarschnitt und Zähneputzen bis zu Militärdienst und Anerkennung fremden Eigentums. Daher kam auch die Suche nach „Alternativen“, angefangen beim Nacktauftritt in der Öffentlichkeit über die schrillen Farben wallender Phantasiegewänder, den Gammellook und endend bei dem Konzept eines neuen Sippen- oder Stammeslebens in Kom­munen, das die Hippies praktizierten.

„Bewußtseinserweiterung“

Ganz im Zentrum stand das Ausleben der persönlichen, vor al­lem der sexuellen Bedürfnisse, und die „Bewußtseinserweiterung“ mittels Mari­huana, Mescalin und des allmählich in Umlauf kommenden LSD. Der Psychiater Timothy Leary – der „Lenin der Flower Children“ – forderte Mitte der sechziger Jahre die Legalisierung sämtlicher psychedelischer Drogen.

Da waren in und um San Francisco schon einhunderttausend Hippies zusammengeströmt, und die Stadt wurde zum Hauptumschlagplatz für Rauschgift in jeder Form, das mit heute kaum vorstellbarer Naivität verbraucht wurde. Drogen spielten auch eine große Rolle für den „Summer of Love“, als im Juni, Juli und August San Francisco und Umgebung Schauplatz für eine besondere Art von Realutopie wurden.

Zwei Ereignisse signalisierten den Beginn dieses „Sommers der Liebe“: Am 1. Juni 1967 wurde in den USA das Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Beatles veröffentlicht. Zu dem Zeitpunkt war die Platte in Großbritannien schon seit vier Wochen auf Platz 1 der Hitparade. Der Erfolg wiederholte sich nun auf der anderen Seite des Atlantiks und dann weltweit.

Psychedelische Bilder

Die Beatles selbst haben das damit erklärt, daß sie im Grunde nur auf eine Atmosphäre reagierten, eine Stimmung, in der surreale, psychedelische Bilder die Phantasie bestimmten, – und selbstverständlich der Drogenkonsum, auch wenn die Frage, ob der Titel Lucy in the Sky with Diamonds eine kaum verschlüsselte Hymne auf LSD ist, letztlich ungeklärt bleibt.

In dieser Zeit soll es rund um San Francisco mehr als einhundert verschiedene Bands gegeben haben, das Spektrum reichte von ausgesprochen kommerziellen Gruppen wie The Mamas & The Papas oder The Turtles bis zu den Vertretern des harten Rock wie Jefferson Airplane oder Grateful Dead, von populären Sängern wie Scott McKenzie bis zu Janis Joplin, der „Stimme des weißen Blues“.

Musikfestivals – mehrtägige Veranstaltungen, bei denen verschiedene Künstler auftraten – boten für diese Szene ganz neue Möglichkeiten, und das Festival von Monterey Mitte Juni 1967 lockte mehr als 50.000 Besucher an. Drei Tage lang durften sie sich in eine Welt ohne Zwang hineinträumen, grenzenlos, gewaltfrei, anarchisch, lustbetont, jede Energie auf die Selbstverwirklichung konzentrierend und gleichzeitig in Harmonie mit allen anderen. Die Anziehungskraft, die solche Ideen auf einen erheblichen Teil der jungen Generation hatten, ist kaum zu überschätzen.

Verweigerung gegenüber den Forderungen des Staates

Als Indikator kann der Erfolg des Musicals Hair dienen, das im Oktober 1967 zum ersten Mal aufgeführt wurde und dann an den Broadway kam. Damit wurde einerseits der Grad der Kommerzialisierbarkeit angezeigt, den die „echten“ Hippies selbstverständlich kritisch sahen, andererseits ein Prozeß angebahnt, der dazu führte, ihre Vorstellungen zu verbreiten: absolute Gleichberechtigung der Geschlechter, Anerkennung der Homosexualität, „freie Liebe“, Pazifismus, das Recht auf grundsätzliche Verweigerung gegenüber den Forderungen des Staates und des „Establishments“.

Ihren Höhepunkt erreichte die Entwicklung schließlich im August 1969 mit dem legendären Festival von Woodstock, das allerdings nicht in Kalifornien, sondern auf der anderen Seite des Kontinents, im Bundesstaat New York, stattfand. Gegenüber der Veranstaltung von Monterey hatte sich die Zahl der Teilnehmer verzehnfacht.

Noch einmal wurde unter freiem Himmel campiert oder in improvisierten Unterkünften, kollabierten Versorgung und Hygiene, und doch blieb eine enthusiastische Stimmung, die für den Moment ausreichend schien, die „Woodstock Nation“ zu stiften. Zum Schluß stand Jimi Hendrix auf der Bühne und spielte die Nationalhymne The Star Spangled Banner auf der E-Gitarre in einer zerhackten, verzerrenden, dehnenden Version, ein Symbol für die Absage der Hippies an alles, was den Durchschnittsamerikaner mit Stolz erfüllte.

Dunkle Seite der freundlichen Anarchie

Die „Woodstock Nation“ war aber nur ein Phantasma. Der Dokumentarfilm über das Ereignis, aber vor allem die Vermarktung haben den Mythos gestärkt, aber im Grunde nur deutlich gemacht, daß die Hippiebewegung aufgesogen wurde durch jene Kräfte, die sie eigentlich bekämpfen wollte. Das war aber nur der eine Grund für ihr Ende. Der andere waren die destruktiven Kräfte in ihrem Inneren.

Das Rauschgift tat seine Wirkung. Abhängigkeit, Kriminalität, Prostitution, Verwahrlosung, Krankheit und qualvoller Tod waren unübersehbar. Am schockierendsten hatte sich die dunkle Seite der freundlichen Anarchie aber schon eine Woche vor Woodstock gezeigt, in der Nacht vom 8. auf den 9. August 1969, als Mitglieder einer Hippiekommune, die „Manson Familiy“, in das Haus der Filmschauspielerin Sharon Tate eindrangen und die Schwangere auf bestialische Weise töteten. Im Folgejahr starben Janis Joplin und Jimi Hendrix unter dem Einfluß von Alkohol und Drogen.

Kein Grund zur Verklärung

Man hat immer wieder den unpolitischen Charakter der Hippies betont. Die bürgerliche Welt betrachtete sie zwar mit einer gewissen Unruhe, aber eher als Sinnbild dauernder Unreife, einer krankhaften Weigerung, erwachsen zu werden, nicht als Gefahr für die bestehende Ordnung. Allerdings kann man Learys Slogan „Jede Form der Revolte ist persönlich“ auch als Credo der dissent generation, der „abtrünnigen Generation“, verstehen, all derer, die nichts mehr anzufangen wußten mit den Verheißungen von Einfamilienhaus und Sahnetorte aus dem Tiefkühlfach, Ford Chrysler und Supermarkt, Hollywood und Reader´s Digest.

Das mag man mehr oder weniger begreiflich finden. Aber Grund zur Verklärung gibt es nicht. Denn mit der Hippiebewegung wurden in die Gesellschaft Werthaltungen einer Subkultur eingeschleppt, die eine nachhaltig negative Wirkung entfalteten: Abwertung der Tradition, Ästhetisierung des Häßlichen und Mißratenen, Disziplinlosigkeit, Libertinage, Rauschgiftkonsum.

Hippie-Treffen 1967 in Essen Foto: picture alliance/dpa
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