Selbstbewußt, charismatisch mit einem übertriebenem Hang zur Selbstdarstellung und einem Spürsinn für Inszenierungen zum richtigen Zeitpunkt. So kannte man den General der Armee der Republika Srpska, Ratko Mladić, in den neunziger Jahren. Bei der Urteilsverkündung am Internationalen Gerichtshof für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in den Haag, ist Mladić anscheinend wieder der alte.
Ausgestattet mit Anzug und Krawatte, auf dieser das Emblem der russischen KP, am Revers einen Anstecker auf dem eine Nathalia-Felsenteller Blume zu sehen ist, die in Serbien auch „Phönixblume“ genannt wird, betritt er mit sich bekreuzigend und Daumen-nach-oben-Symbolik den Gerichtssaal. Selbst sein Abgang vor der Urteilsverkündung, die Lebenslänglich lautet, ist so wie er es gern hat: „Lüge, Lüge, Lüge!“, schreit er, bis er aus dem Gerichtssaal entfernt werden muß.
Dem „Schlächter vom Balkan“, wie ihn vor allem westliche Medien nach dem Massaker von Srebrenica nannten, bei dem mehr als 8.000 bosnische muslimische Männer auf brutale Art und Wiese als Vergeltungsaktion für die von Naser Orić organisierten nicht minder brutaleren Überfälle auf serbische Dörfer um Srebenica herum umgebracht wurden, wußte wie man sich in Szene setzt.
Mladić beherrschte das Spiel mit den Mächtigen
Seine Sporen verdiente sich Mladić in den neunziger Jahren, als er noch den roten Stern auf der Kappe trug und für die jugoslawische Volksarmee als Oberst brutal gegen kroatische Dörfer in der Krajna und Slawonien vorging. Sein Höhepunkt war sicherlich die Einberufung als oberster Kommandant der Streitkräfte der bosnischen Serben durch ihren Chef, Radovan Karađić, den er nur bedingt leiden konnte.
Er leistet sich sogar einen offenen Streit mit dem damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević, einem der Hauptfinanziers der bosnischen Serben. „Ich lasse dich erschießen“ soll Milošević zu Mladić einst gesagt haben. Der erwiderte nur „Du kannst mich mal“ und ging.
Das Spiel mit den Mächtigen beherrschte Mladić wie kein anderer. Er beteiligte die holländischen UNPROFOR-Soldaten indirekt an dem Massaker in Srebrenica, als diese den Serben beim Abtransport der Frauen, Kinder und Männer halfen. Er traf sich mit dem amerikanischen General Wesley K. Clark, immerhin zu jener Zeit der Chef der Supreme Allied Commander Europe, und setze ihm seine serbische Generalsmütze auf.
Für viele Serben noch immer ein Held
Ein Ereignis sollte ihm aber besonders entgegenkommen. Als 1995 zwei französische Piloten von Mladićs Leuten gefangengenommen wurden, zahlte der französische Staat dem General rund drei Millionen Euro (damals rund 20 Mio. Francs) Lösegeld. Des Weiteren ist auch die Rolle der damaligen französischen Regierung eine besonders prekäre. So habe der französische General Bertrand de La Presle Mladić versichert, daß Chirac fest auf serbischer Seite stehen werde, wenn die Piloten freikämen.
Die Franzosen nahmen ihr Versprechen auch noch sehr genau, als Mladić bereits ein gesuchter Kriegsverbrecher war. So ist anzunehmen, daß nicht nur höhere Kreise der serbischen Regierung, unter ihnen der damalige Präsident Vojslav Koštunica, sowie die Armee der damaligen Bundesrepublik Serbien und Motengro, als auch der russische Geheimdienst bei der Flucht von Mladic halfen.
Vielmehr ist stark davon auszugehen, daß hohe französische Behörden jahrelang den Aufenthaltsort von Mladić wußten, aber dies einfach verschwiegen. Erst als man den Serben drohte, die EU-Beitrittsgespräche endgültig zu kappen, wurde Mladić 2011 gefaßt. Viele hofften, er würde mit der Waffe in der Hand sterben.
Was bleibt, ist ein alter kranker Mann auf der Anklagebank, vor dem man jedwede Angst verloren hat. Von vielen Serben noch als Held verehrt, in Kroatien oder Bosnien als Monster verteufelt. Für den Westen bleibt die kläglich Frage, wie und warum man im Fall Mladić, von Sarajevo über Srebrenica bis hin zu seiner Flucht, so mitspielen und so kläglich versagen konnte.