Nach der als Schicksalsentscheidung inszenierten Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), noch einmal Bundeskanzlerin werden zu wollen, steht die Krönungsmesse auf dem CDU-Bundesparteitag am Nikolaustag bevor. Wie bei Parteikongressen zur Bestätigung großer Herrscher von Pankow bis Pjöngjang üblich, ist die mit größter Spannung erwartete Frage, wie nahe das Wahlergebnis der großen Vorsitzenden bei hundert Prozent liegen wird und wie lange die Delegierten wohl begeistert applaudieren werden.
Damit für jeden was zu klatschen dabei ist, hat der Bundesvorstand der CDU in seinen Leitantrag zum Parteitag auch für jeden etwas hineingeschrieben. Restkonservative in der Union dürften sich wundern: Auf einmal ist sogar wieder von „Leitkultur“ die Rede als „einigendes Band“ einer – Entwarnung für die Zeitgeistler – immer „vielfältiger und pluraler“ gewordenen Gesellschaft, das „diejenigen miteinander verbindet, die in ein- und demselben Land leben“ und sogar – Achtung, Nazometer! – „eine Schicksalsgemeinschaft sind“.
Schicksalsgemeinschaft und Modernisierungsverlierer
„Schicksalsgemeinschaft“? Ist das nicht „völkischer“ Jargon, doppelplusungut, geradezu Autobahn? Offenbar macht der Trump-Schrecken den Taktikern aus der Merkel-Entourage doch ein wenig Kopfweh, so daß sie die Pflege der konservativen Wählerklientel durch verbales Einseifen nicht ganz der CSU überlassen wollen. Also verzichtet man auf abgenudelte Diffamierungsvokabeln wie „Modernisierungsverlierer“, die zu sehr nach dem „Haufen Armleuchter“ („bunch of deplorables“) klingen, als den Hillary Clinton die Trump-Wähler abkanzelte, und wirft den nicht ganz so Merkelbegeisterten ein paar rhetorische Brocken hin.
Für die vorübergehende Besänftigung von Parteitagsdelegierten, die am Druck der Basis verzweifeln, mag das reichen, desertierte Stammwähler wird man damit wohl nicht so einfach von attraktiveren Alternativen abbringen. Die Unionsführung wagt ein Eiertänzchen des Sowohl-Als-Auch: Einmal Vielfalt, einmal Leitkultur; man spricht von „Schicksalsgemeinschaft“, aber nicht vom Volk, den ethnischen Deutschen – die heißen, im herablassenden Ton der Einwanderungslobbyistin und „Integrations“-Staatsministerin Aydan Özoğuz, bloß „diejenigen, die schon immer hier waren“.
Mal so, mal so
Und in diesem „mal so, mal so“ geht es munter weiter: Ein Absatz mit harter Rhetorik gegen Scharia und islamistische Haßprediger, darauf ein Absatz über die Schule als Toleranz-Erziehungsanstalt. Gegen „Rechtsextremisten und Islamisten“ wirft man sich in Pose, von Linksextremisten ist keine Rede – Schwarz-Grün läßt grüßen.
Über weite Strecken liest sich der Leitantrag wie ein in Zuckerguß getunktes Märchenbuch aus einer schönen, heilen, anderen Welt. Alle sollen sicher leben, die Antwort auf Globalisierung ist Heimat – da wird so mancher, der willkommenskulturell ungefragt mit neuen Nachbarn beglückt wurde, nur müde lächeln.
Über so was spricht man nicht
Trotz Globalisierung und immer mehr Migrationshintergründlern sei „unsere nationale Identität in dieser Zeit nicht schwächer, sondern stärker geworden“, will der CDU-Bundesvorstand ausgemacht haben. Fragt sich nur, welche. Aha, hier steht’s: „Gerade junge Menschen identifizieren sich heute in selbstverständlicher Weise mit Deutschland, ohne Überheblichkeit oder Ausgrenzung gegenüber Menschen anderer Länder und Ethnien.“
Die „Jugendlichen“, die gerne mal einfach so einen deutschen Kartoffelfresser halb oder ganz tot schlagen oder in Kompaniestärke auf Deutschlands uniformtragende Hoheitsträger losgehen, wenn die es wagen sollten, einem der Ihren einen Strafzettel zu verpassen, kann die CDU wohl nicht meinen, wenn sie sich wünscht, „daß dies auch künftig so bleibt“. Aber über so was spricht man ja lieber auch nicht. Schon gar nicht auf CDU-Bundesparteitagen.