Jetzt haben sie sogar schon miteinander telefoniert. Keine zehn Tage nach seiner Wahl zum 45. US-Präsidenten hat Donald Trump seinen künftigen russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Montag an der Strippe gehabt. Nach Kreml-Angaben war es ein Austausch von Komplimenten.
Der Russe habe dem Amerikaner eine „ganz außergewöhnliche Persönlichkeit“ attestiert, ihn als „ohne Zweifel talentiert“ bezeichnet, ihm Erfolg bei der Umsetzung seines Wahlprogramms gewünscht und die Bereitschaft betont, mit der neuen Regierung in Washington einen Dialog „nach dem Prinzip der Gleichheit“ zu führen.
Der Amerikaner revanchierte sich mit dem Lob von Putins Führungsqualitäten, die jene des gegenwärtigen US-Präsidenten Barack Obama bei weitem überwögen. Die beiden, so der Kreml weiter, hätten den Syrienkonflikt diskutiert und seien sich einig gewesen, daß die beiderseitigen Beziehungen extrem viel zu wünschen übrigließen.
Jubiläum der russisch-amerikanischen Beziehungen
Das 210-jährige Jubiläum der russisch-amerikanischen diplomatischen Beziehungen im kommenden Jahr könne daher als Anlaß zur Rückkehr zu pragmatischen, beiderseitig vorteilhaften Beziehungen gelten. Ein persönliches Treffen zwischen Putin und Trump zu einem späteren Zeitpunkt wurde in Aussicht gestellt.
Der russische Präsident ist einer der ersten ausländischen Staatschefs, mit denen Trump seit seiner Wahl am 8. November in Kontakt getreten ist. Zuvor hatte er als ersten europäischen Politiker den ehemaligen Chef der britischen UKIP-Partei, Nigel Farage, empfangen.
In Rußland, wo die Regierung sich viel auf die hohen Zustimmungsraten für die Politik des Präsidenten zugute hält, wird die Trump-Wahl als Triumph des kleinen Mannes über die Washingtoner Eliten interpretiert. Trotz der enormen Unterschiede zwischen Arm und Reich leidet die russische Gesellschaft ihrem Selbstverständnis nach deutlich weniger als der Westen unter der Entfremdung der urbanen Eliten von der Masse des Volks.
Frontbegradigung
Auch vermeiden die russischen Medien – anders als im Westen – es tunlichst, Teile der eigenen Bevölkerung mit Attributen wie rückständig, ungebildet, zurückgeblieben oder abgehängt zu versehen. Wie überall auf der Welt hatte auch in Moskau so gut wie kein Experte mit dem Sieg des republikanischen Rebellen Trump gerechnet.
Vielmehr hatte man sich zähneknirschend darauf eingestellt, daß Hillary Clinton als Präsidentin wesentlich stärker als ihr Vorgänger auf dem Hegemonieanspruch der westlichen Werte und auf der Politik des Demokratieexports beharren würde. Trumps Sieg löst seither vorsichtigen Optimismus aus.
Auch wenn es als durchaus möglich gilt, daß der künftige Präsident in einer innenpolitisch engen Lage dem Feindbild Rußland wieder Leben einhauchen könnte, sehen die meisten russischen Beobachter in seinem Wahlsieg den Beginn einer Art Frontbegradigung: Die USA sind strategisch überdehnt; das amerikanische Zeitalter hat den Zenit überschritten; das Land ist politisch und wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, die Rolle des Weltpolizisten mit einiger Überzeugungskraft auszufüllen.
Allergische Reaktionen
Der Westen sollte davon ausgehen, daß Moskau einen graduellen Rückbau des weltweiten Einflusses der Vereinigten Staaten partnerschaftlich und konstruktiv begleiten wird. Schon aus Eigeninteresse ist dem Kreml an einem stabilen Europa und einem stabilen Westen gelegen: Allzu groß ist die Sorge angesichts der Ausbreitung des Islams, angesichts der Machtausbreitung der Chinesen in Asien.
Was hingegen in Moskau – und nicht nur dort – allergische Reaktionen auslöst, sind die Versuche, nicht-westlichen Kulturen die westliche Staats- und Gesellschaftsordnung und die westlichen oder europäischen Werte aufzupfropfen. Nach der Wahl Donald Trumps darf man freilich annehmen, daß der neokonservativen Politik und ihrem Demokratisierungswahn die Stunde geschlagen hat. Der Friede jedenfalls in Europa und im Mittleren Osten kann davon nur profitieren.