Zwei Täter drangen am Vormittag in die Kirche von Saint-Etienne-du-Rouvray ein und nahmen fünf Geiseln. Sie waren mit Messern bewaffnet, töteten den 86 Jahre alten Priester, der die Messe halten wollte, und verletzten eine weitere Person so schwer, daß die noch in Lebensgefahr schwebt. Die Männer bezeichneten sich als „Soldaten des Islamischen Staates“. Die französische Polizei konnte die Geiselnahme beenden und tötete beide Terroristen.
Seiner Betroffenheit Ausdruck zu verleihen wie Staatspräsident Hollande oder die Tat als „barbarisch“ zu bezeichnen, wie das der französische Regierungschef Valls oder der Papst getan haben, genügt aber nicht. Denn es geht keineswegs um irgendeinen besonders brutalen Gewaltakt, sondern um einen, der einen besonderen religiös-politischen Hintergrund hat.
Die Täter wählten eine traditionsreiche Kirche als Schauplatz und einen Priester als Opfer. Sie haben ihn nicht auf irgendeine Weise getötet, sondern die Kehle durchgeschnitten. Wenn das von Islamisten bevorzugte Enthaupten mit der Idee der Hinrichtung eines Schuldigen zu tun hat (Sure 47.4: „Wenn ihr jedoch die trefft, die ungläubig sind, dann schlagt sie auf den Nacken, bis ihr sie ganz besiegt habt.“), dann das Durchschneiden der Kehle mit der Abschlachtung eines Wesens, das kein Mensch ist.
Vieh tötet man auf solche Weise
Vieh tötet man auf solche Weise, damit es ausblutet. Die bizarren Debatten in islamistischen Kreisen über die Frage, ob Ungläubige ein scharfes Messer verdienten, ob nicht ein stumpfes genüge, sprechen für sich. Dasselbe gilt für die Kontinuität, in der der Anschlag von Saint-Etienne-du-Rouvray steht. Jene Kette von Verfolgungen, Massakern und Morden an einzelnen, denen Christen seit Beginn des 20. Jahrhunderts von islamischer Seite ausgesetzt sind.
Gemeint ist die Unterdrückung und Tötung armenischer und griechisch-orthodoxer Christen in der Türkei seit dem Ersten Weltkrieg ebenso wie die Menge der Angriffe vor allem auf Priester, Mönche und Nonnen, aber auch auf Laien, in nord- und schwarzafrikanischen Ländern seit der Zeit der Entkolonialisierung, und gemeint ist selbstverständlich auch die Ermordung von Christen in Syrien durch den Islamischen Staat, wo sie versklavt, erschlagen, erschossen und gekreuzigt werden und man ihnen vor laufender Kamera die Köpfe abschlägt und die Kehlen durchtrennt.
Wir wissen nicht, wie Pater Jacques Hamel gestorben ist. Ob er seinen Tod als Zeugentod aufgefaßt hat, wird ein Geheimnis zwischen ihm und seinem Schöpfer bleiben. Hier geht es um die Frage der irdischen Dimension. Und wenn man die in der vorgeschlagenen Art und Weise beantwortet, wird das Widerspruch finden.
Kein Angriff auf „die Freiheit“ und „die Menschlichkeit“
Erwartbaren Widerspruch insofern, als es zu den geltenden Sprachregelungen gehört, daß Angriffe der Islamisten entweder auf nicht zurechnungsfähige Personen zurückzuführen sind oder kein Zusammenhang mit anderen ähnlichen Gewaltakten besteht und jedenfalls den Islam keine Verantwortung trifft.
Die Perspektive der Täter ist eine ganz andere. Für sie geht es um einen seit mehr als tausend Jahre dauernden Konflikt, und bei dem Mord von Saint-Etienne-du-Rouvray um einen weiteren Kriegsakt. Vielleicht sollte man diese Deutung ernster nehmen, ernster jedenfalls als bisher üblich. Denn in dem kleinen Ort vor den Toren Rouens wurde nicht irgendein Individuum an einem beliebigen Platz getroffen, hier ging es um die Vernichtung eines Glaubens und seines Repräsentanten.
Hier ging es keineswegs um einen Angriff auf Allgemeinheiten wie „die Freiheit“, „die Menschlichkeit“, „die Zivilisation“, „die westlichen Werte“, hier ging es um einen Angriff auf das Christentum, auf die Kirche, auf Europa und die Europäer. Es wird nicht der letzte dieser Angriffe sein, andere und schwerere werden folgen, und was die Abwehr so schwierig macht, ist die Tatsache, daß der Feind längst diesseits der Mauern steht: Wie die französischen Behörden bekanntgaben, gilt Saint-Etienne-du-Rouvray seit Jahren als islamistische Hochburg.