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Parteifinanzierungen: Zeit zum Ausmisten

Parteifinanzierungen: Zeit zum Ausmisten

Parteifinanzierungen: Zeit zum Ausmisten

Parteifinanzen
Parteifinanzen
Euro-Banknoten mit Logos von Parteien: Üppige Selbstbedienung Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten
Parteifinanzierungen
 

Zeit zum Ausmisten

Als die Bundestagsparteien sich 1959 erstmals Staatsgeld bewilligten, war das eine europäische Premiere. Entstanden ist ein Gesamtsystem verdeckter, vielfach verfassungswidriger Parteienfinanzierung. Ein Kommentar von Hans Herbert von Arnim.
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Als die Bundestagsparteien sich 1959 erstmals Staatsgeld bewilligten, war das eine europäische Premiere. In den Folgejahren stockten sie den Geldfluß derart rasant auf, daß das Bundesverfassungsgericht die Notbremse ziehen mußte. Mit seinen Urteilen von 1966 und 1968 dämpfte es die staatlichen Zuschüsse, erzwang öffentliche Kontrolle und setzte eine grundsätzliche Beteiligung auch außerparlamentarischer Parteien durch.

Dafür stiegen nun die Zuschüsse an Fraktionen, Abgeordnete und Parteistiftungen um so schneller. Ein Journalist formulierte das so: Nachdem Karlsruhe auf den einen Topf einen Deckel gelegt hatte, füllten die Parteien die anderen drei Töpfe um so üppiger. Das war auch leicht möglich, weil die Grenzen und Kontrollen, welche das Bundesverfassungsgericht für die offene Parteienfinanzierung entwickelt hatte, für die drei Alternativen bisher nicht gelten.

Zugleich werden – nach Abbau der Brandmauern – die Ressourcen in großem Umfang auch für die Mutterparteien eingesetzt und die für die offene Parteienfinanzierung geltenden Kontrollen und Grenzen – zu Lasten der Bürgernähe und der Chancengleichheit der politischen Parteien – unterlaufen.

Verdeckte Parteifinanzierung verdreißigfacht

Die unterschiedliche Entwicklung spiegelt sich in den Zahlen wider: In den vergangenen gut viereinhalb Jahrzehnten stieg die offene Parteienfinanzierung von 47,3 Millionen DM auf 159 Millionen Euro, also nur auf das 6,7fache, die Zuschüsse an Bundestagsfraktionen erhöhten sich dagegen von 4,9 Millionen DM auf 83,8 Millionen Euro, also auf das 35fache, die Bewilligungen für persönliche Mitarbeiter der Bundestagabgeordneten wurden von 10,1 Millionen DM auf 172,5 Millionen Euro angehoben, somit auf das 33fache, und die „Globalzuschüsse“ der parteinahen Stiftungen stiegen von neun Millionen DM auf 116 Millionen Euro, also auf das 25fache.

Während die offene Staatsfinanzierung der Parteien sich also nur knapp versiebenfacht hat, haben sich die drei Alternativen im gleichen Zeitraum im Durchschnitt gut verdreißigfacht, sind also mehr als viermal so schnell gewachsen.

Entstanden ist ein Gesamtsystem verdeckter, vielfach verfassungswidriger Parteienfinanzierung. Dieses bewirkt nun genau die demokratische Fehlentwicklung, welche das Bundesverfassungsgericht durch die Begrenzung der offenen Staatsfinanzierung hatte verhindern wollen: die Entwicklung hin zu bürgerfernen Staatsparteien, welche die Distanz zu den Menschen nicht mehr zu überbrücken vermögen.

Gerichte scheuen den Augiasstall

Darum wäre es nun eigentlich Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die fatale Entwicklung zu stoppen. Doch der Zweite Senat ist vor der Brisanz der Aufgabe eingeknickt und hat eine Klage der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) – der Verfasser dieser Zeilen war Prozeßvertreter der ÖDP – ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen, ohne auf die Sache einzugehen. Und das nach mehr als dreijähriger Dauer des Verfahrens und gewechselten Schriftsätzen von über 300 Seiten.

Dem Beschluß sieht man nicht an, um welche Dimensionen, welche strukturellen Defizite und welches Ausmaß an Verfassungswidrigkeit es sich handelt. Das mißbräuchliche System der verdeckten Parteienfinanzierung verstößt gleich fünfmal gegen frühere Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Direkt oder indirekt geht es um das „finanzielle Eingemachte“ der politischen Klasse in Höhe von beinahe 900 Millionen Euro jährlich.

Hätte die Klägerin nämlich recht bekommen, wären mittelbar auch die zweckgebundenen Zuschüsse an die Parteistiftungen von noch einmal rund 350 Millionen Euro betroffen, ebenso die Zahlungen der Landesparlamente an Fraktionen und für Abgeordnetenmitarbeiter von rund 180 Millionen Euro. Doch das Gericht hat dieses Ausmisten des Augiasstalls gescheut, war es doch schon bei der sehr viel harmloseren Beseitigung der Sperrklausel bei Europawahlen von der Berliner Politik aufs heftigste kritisiert worden.

Ein Verfassungsrichter mischte mit

Eine zentrale Rolle spielte der Verfassungsrichter Peter Müller, der in diesem Verfahren als Berichterstatter fungiert. Müller hatte, als er noch Ministerpräsident im Saarland war, selbst verdeckte Parteienfinanzierung begangen: Vor der Landtagswahl 2009 hatte seine Regierung mit Staatsgeldern unerlaubte Propaganda zugunsten der CDU betrieben und war deshalb vom Verfassungsgericht des Saarlandes der Verfassungswidrigkeit überführt worden.

Müller wegen Befangenheit ablehnen, was bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre, konnte die Klägerin aber nicht mehr, weil das Gerichtsverfahren überraschend kurzerhand ohne mündliche Verhandlung abgeschlossen wurde. Der abgekürzte Prozeß wurde dadurch ermöglicht, daß das Gericht zentrale Darlegungen der ÖDP überging, was eine schwere Verweigerung des rechtlichen Gehörs darstellt.

Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht

Doch darüber hinaus hat der Verfasser noch eine Beschwerde gegen die Bundestagswahl 2013 beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Dabei geht es – neben der Anfechtung der Fünfprozent-Sperrklausel als zu hoch und dem Einfordern einer Eventualstimme – ebenfalls um die Verfassungsmäßigkeit der verdeckten Parteienfinanzierung durch Fraktionen, Stiftungen und Abgeordnetenmitarbeiter.

Da jeder Wähler befugt ist, eine solche Beschwerde fristgerecht zu erheben, kann der Senat sie – anders als die Klage der ÖDP – nicht wegen Unzulässigkeit verwerfen. Und um zu verhindern, daß Peter Müller erneut in der Schlüsselrolle eines Berichterstatters mitwirkt, wurde er in diesem Verfahren bereits wegen Befangenheit abgelehnt, worüber das Gericht demnächst zu entscheiden hat.

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Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim lehrt an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Soeben erschien sein neues Buch „Die Angst der Richter vor der Macht“, Lingen Verlag Köln, 112 Seiten, 9,95 Euro.

JF 44/15

Euro-Banknoten mit Logos von Parteien: Üppige Selbstbedienung Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten
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