Ein Ergebnis der Volkszählung ist in der breiten Berichterstattung bisher unerwähnt geblieben. Die Zahl der Wähler, die älter als 50 Jahre sind, liegt jetzt bei 50,5 Prozent aller Wähler. Das heißt, die Themen Rente und Gesundheit werden, sobald die Parteien das genauer registriert haben, im Wahlkampf eine noch bedeutendere Rolle spielen. Vermutlich dürfte das auch schon einer der Gründe sein, weshalb die Union das Thema Familie und Kinder sowie Renten ziemlich weit oben auf die Agenda gesetzt hat. Das umso mehr, als auch jüngere Wähler sich wegen der Alterung der Gesellschaft bereits jetzt schon um ihre Altersvorsorge Gedanken machen müssen.
Was die Kritik aus den eigenen Reihen der Union an den Wahlversprechen angeht, so darf man weiter vermuten, daß diese Versprechen, wenn überhaupt, nicht sofort nach der Bundestagswahl umgesetzt werden. Falls die Union dann überhaupt noch die Regierungsgeschäfte führt. In der ersten Hälfte der kommenden Legislaturperiode bleibt es also bei der Konsolidierung des Haushalts. Damit läuft auch die Kritik aus der Opposition ins Leere.
Von einem „Betrug“ zu sprechen, wie SPD-Chef Gabriel das tut, ist reichlich verfrüht. Ein Betrug kann erst mit Fakten unterstellt werden. Sonst muß die SPD sich den Vorwurf gefallen lassen, selber die Wähler mit unbewiesenen, ja unbeweisbaren Behauptungen zu betrügen. Aber das gehört wohl zur Empörungsrethorik eines Wahlkämpfers, dem die Themen ausgehen.
Plädoyer für das Familienwahlrecht
Alles gut also für die CDU? Nicht ganz. Es bleibt das Thema der Glaubwürdigkeit. Hier kann man nur sagen: An den Früchten werdet ihr sie erkennen. Das von der CSU durchgedrückte Betreuungsgeld ist eine. Ansonsten sieht man im Korb nur Saures. Vor allem die Zeiten der großen Koalition von 2002 bis 2005 stoßen den Familien bitter auf.
Die damaligen Minister Peer Steinbrück (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU) hatten den Familien das Kindergeld um zwei Jahre gekürzt, die Wohnungsbauförderung schlicht gestrichen, obwohl das für viele Familien eine wichtige Form der privaten Altersvorsorge war, und mit weiteren Maßnahmen den wirtschaftlichen Spielraum von Familien stark eingeengt, daß beide Elternteile gezwungen waren zu arbeiten. Und das war gewollt. Die Wirtschaft braucht Fachkräfte, am besten gut ausgebildete junge Mütter, die sind billiger als Männer und wegen der Kinder auch weniger mobil, sie wechseln weniger den Job.
Die einzig wirkliche Maßnahme, die sowohl die Bedingungen für Familien als auch die Glaubwürdigkeit der Parteien und ihrer Programme verbessern würde, wäre die Einführung eines Familienwahlrechts nach dem Motto: „One man one vote“. Die Eltern stimmen für ihre Kinder mit ab. Das Prinzip ist verfassungskonform. Eine Reform des Wahlrechts würde nichts kosten. Streiten kann man über Details. Aber solch eine Reform würde die Lage für alle Parteien ändern und auch alle Parteien und ihre kinderarmen Chefs zum Schwur pro oder contra Familie zwingen. Es wäre ein Offenbarungseid. Und es würde die demographische Waagschale noch einmal etwas ins Lot bringen.