Advent, die Wochen vor Weihnachten – die gemütliche, heimelige Zeit. Draußen werden die Straßen und Tannenbäume wunderschön beleuchtet und man genießt abends im Vorbeifahren die jedes Jahr schöner erhellten Fenster und Vorgärten auf dem Weg nach Hause. Drinnen brennen die Kerzen am Adventskranz, und der Herrnhuter Stern leuchtet in den Garten hinaus. Auf den idyllischen Weihnachtsmärkten rückt man bei einem Becher Glühwein enger zusammen und genießt ein Stück Stollen.
Und alles mündet in das Fest der Familie und des Friedens. „Friede auf Erden“ verkündeten die Engel. Und doch ist so wenig Friede, das wird uns jedes Jahr aufs neue, dieses Jahr am dritten Adventswochenende besonders schmerzlich bewußt, wenn wir an das schreckliche Massaker in der Grundschule in Newtown denken. „Frohe Weihnachten“ bleibt einem da im Halse stecken.
Viele sind weit entfernt von friedlichen Weihnachten
Von frohen, friedlichen Weihnachten weit entfernt sind viele weltweit. Die syrischen Flüchtlinge etwa und das gesamte syrische Volk; die Menschen im Kongo; und seit Jahren schon im Irak und in Afghanistan, wo wir uns an die nahezu täglichen Meldungen von Selbstmordanschlägen fast schon gewöhnt haben. Und dann sind da noch die schätzungsweise 200 Millionen weltweit, für die es auch heißen müßte: „Verfolgte Weihnachten“.
Friedliebende Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Oftmals tödlich verfolgt. Von ihnen berichten die meisten Medien merkwürdig wenig. Bei weltweit Verfolgten – wer fällt einem da spontan ein? Tibeter, Menschenrechtler in China oder Birma/Myanmar, Oppositionelle in der Ukraine oder Weißrußland. Aber Christen?
Das Schicksal der Christen lautet häufig sterben oder fliehen
Die jahrelange mediale Gleichgültigkeit hierzulande endete erst – aus traurigem Anlaß –, als ein islamistischer Bombenanschlag am 1. Januar 2011 im ägyptischen Alexandria nach einem Neujahrsgottesdienst 23 koptische Christen grausam in den Tod riß. In jener (nachrichtenarmen) Zeit „zwischen den Jahren“ waren offenbar auch die Medien besonders sensibel. Und endlich kamen auch von allen politischen Seiten und ranghöchsten Vertretern scharfe Proteste angesichts dieser exzessiven islamistischen Gewalt gegen Christen.
Zu denken ist auch an den dramatischen Exodus der jahrtausendealten assyrischen Kirche im Irak, wo nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein die wiedererstarkten radikalen Islamisten zur Verfolgung der Christen aufriefen. Die Kirchen dort, gebaut lange bevor die ersten Moscheen und Minarette entstanden, wurden reihenweise in Schutt und Asche gelegt. Und das Schicksal der Christen lautete dort: sterben oder fliehen.
Den verbrecherischen Cocktail von Verfolgung, Enteignung, Entführung, Vertreibung und Ermordung verglich der frühere Berliner Bischof Wolfgang Huber in einer Predigt mit Völkermord. Von 1,5 Millionen zu Zeiten Saddams waren Anfang 2011 aufgrund von Ermordung, Flucht und Vertreibung nur noch rund 335.000 übrig. Ähnliches befürchten jetzt auch die acht Millionen christlichen Kopten in Ägypten.
Christenverfolgung wird von deutschen Medien fast völlig ignoriert
Christen stellen mit über zwei Milliarden Gläubigen die größte Religion. Doch seltsamerweise werden sie, auf deren Fahnen die Gottes- und Nächsten-, ja sogar Feindesliebe steht, am meisten verfolgt. Unabhängige Organisationen wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte bestätigen das. Für jeden zehnten Christen weltweit sind „frohe Weihnachten“ nur eine Glaubenshoffnung, die grausame Realität sieht anders aus.
Dennoch wird die Christenverfolgung sowohl in den Medien als auch in Gottesdiensten kaum oder selten thematisiert. Was mag der Grund dafür sein? Bei den Medien gibt es eine einfache Erklärung: Die meisten Journalisten sind vermutlich keine tief im Glauben verankerten Christen. Verfolgte Tibeter und chinesische Menschenrechtler stehen ihnen offenbar näher.
Warum in vielen evangelischen Gemeinden anscheinend mit weniger Inbrunst für die verfolgten Mitchristen Partei ergriffen wird als früher zum Beispiel für die Schwarzen, die in Südafrika unter der Apartheid litten, ist und bleibt ein Rätsel. Es ist nicht zu verstehen, warum angeblich notwendige CO2-Reduktionen und Energieeinsparungen ein dramatischeres Problem darstellen als das Schicksal der weltweit drangsalierten Glaubensgeschwister, obwohl es bei ihnen doch oftmals um Leben und Tod geht, zumindest aber um die religiöse und wirtschaftliche Existenz.
„Ich verkündige euch große Freude“
Kann es selbst unter Verfolgung „frohe Weihnachten“ geben? Die Antwort geben uns die Christen unter Nero – sie sangen Lieder im Angesicht des Todes; und die schwarzen Sklaven – von der Antwort handeln ihre Gospels; und die oft fast so brutal wie in Nordkorea verfolgten Untergrundkirchen in China – erstaunlicherweise wachsen ihre Gemeinden exponentiell. – Ihrer aller Antwort lautet: Ja!
Es gibt, man mag es kaum aussprechen, „frohe, verfolgte Weihnachten“! Verstehen kann das nur, wer sich entscheidet, an Jesus zu glauben als den „Heiland“, den Messias; denn der begreift, warum den Hirten gesagt wurde: Ich verkündige euch große Freude. Der erkennt, welches Paradies gemeint ist, als Jesus dem, der neben ihm sterbend hängt, sagt: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
Genau das ist das Geheimnis, warum Robbie Parker, Vater der sechsjährigen Emilie, eines der 20 erschossenen Kinder in Newtown, bei aller Trauer keinen Haß herausschreit, sondern von Liebe und Gebeten spricht für alle anderen trauernden Familien, auch für die Familie des Mörders. Robbie Parker weiß um Emilies „heavenly Father“ – in dessen Paradies sie jetzt ist. Seit Ostern sind selbst in der größten Not und Trauer frohe Hoffnungs-Weihnachten für Christen wie ihn Realität.
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Prinz Philip Kiril von Preußen, Jahrgang 1968, ist Pastor in Oranienburg.
JF 52/12