Die Medien überschlagen sich mit ablehnenden Reaktionen zum neuen Poltitalk von Stefan Raab. Die FAZ meint: „Raabs Sendung hat außer Witzchen und Rüpelei wenig zu bieten. So gab es denn auch nur Verlierer.“ Der Spiegel konzentriert sich auf einen Satz Raabs über Philipp Rösler („Ihm fallen die Stäbchen aus der Hand“). Für den Spiegel ein „rassistischer Tiefpunkt“. Für Zuschauer hingegen, die sich an die Polenwitze der frühen Harald-Schmidt-Show erinnern, eine unspektakuläre Sache. Im ARD-Sender Radio Eins schließlich kritisiert Friedrich Küppersbusch die Sendung als „Kirmes“. Er frage sich, wann Prosieben in „Stefan-hat-den-dicksten-TV“ umbenannt werde.
Doch die Kritiker der Sendung liegen daneben. Stefan Raab ist mit Absolute Mehrheit ein kleiner Coup gelungen. Seine Sendung war erfrischend und originell. Er hat nicht nur Talksendungen, sondern den gesamten Politikbetrieb als das entlarvt, was er im Grund ist: eine Show, deren Gewinner groß absahnt. Zwischendurch durfte Volkes Stimme durch witzige Einspieler zu Wort kommen, zum Beispiel zu den steigenden Energiepreisen dank überteuerten Ökostroms, die dann von den Debattierenden konterkariert wurden. Im Fall der Energiewende tat dies Verena Delius, die dreist behauptete „wir alle“ seien für den Atomausstieg. Die unbekannte Unternehmerin wurde für diese offensichtliche Lüge prompt rausgewählt.
Natürlich ist in einer Sendung von Stefan Raab der größte Star immer Stefan Raab. Dann kommt lange nichts. Und dann irgendwann die Gäste, von denen sich Wolfgang Kubicki als der beliebteste erwies. Wer hätte das gedacht, bei dem Vertreter einer Vier-Prozent-Partei, wenn die aktuellen Umfragen zugrunde gelegt werden? Kubicki gewann mit 41 Prozent die Mehrheit der Anhänger, aber keine absolute Mehrheit, um das Preisgeld von 100.000 Euro zu erhalten. Der Sieg Kubickis über die beiden linken Steuererhöher Thomas Oppermann (SPD) und Jan van Aken (Linke) verdeutlicht auch, daß sogar schon ein Sozialliberaler die linke Diskurshegemonie durchbrechen kann. Was, wenn ein gewiefter, charismatischer rechter Volkstribun dort gesessen und den anderen richtig Paroli geboten hätte?
Wenn überhaupt jemals in Deutschland ein Typ a là Jörg Haider einem größeren Publikum bekannt werden soll, dann durch eine Sendung wie diese. Die Voraussetzungen dafür ist das Geschäftsmodell der Sender: Quote ist für das Privatfernsehen alles. Je größer die Provokation, desto größer die Aufmerksamkeit, desto größer die Zuschauerzahl. Das ist eine Rechnung, die Prosieben versteht und die die verstaubten Staatssender mit ihrem politischen Indoktrinierungsmonopol fürchten. Sie fürchten ihre politische Deutungshoheit zu verlieren und schießen daher auf die private Konkurrenz. Fürs erste erfolglos. Stefan Raab hat zwar die Kritiker nicht überzeugt, aber das Publikum. Seine Sendung hatte 1,2 Millionen Zuschauer (Quote: 18 Prozent) und damit für diese späte Uhrzeit und diese politikferne Zielgruppe einen echten Achtungserfolg. Weiter so.
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