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Kolumbianer an der Front: Ukraine-Krieg: „Ans Aufgeben denkt hier niemand“

Kolumbianer an der Front: Ukraine-Krieg: „Ans Aufgeben denkt hier niemand“

Kolumbianer an der Front: Ukraine-Krieg: „Ans Aufgeben denkt hier niemand“

Kolumbianer der Internationalen Legion der Ukraine stehen vor einem abgeschossenen Panzer der Russen.
Kolumbianer der Internationalen Legion der Ukraine stehen vor einem abgeschossenen Panzer der Russen.
Kolumbianer der Internationalen Legion der Ukraine stehen vor einem abgeschossenen Panzer der Russen Foto: Privat
Kolumbianer an der Front
 

Ukraine-Krieg: „Ans Aufgeben denkt hier niemand“

Führt der Westen ein falsches Spiel mit der Ukraine? Ein Kolumbianer, der in der Internationalen Legion für Kiew kämpft, spricht Klartext über Waffenlieferungen, Gefechte gegen die Russen und seine Motivation, für ein fremdes Land zu kämpfen. Ein Interview.
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Für die breite Öffentlichkeit dürfte unbekannt sein, daß auf der Seite der Ukrainer auch etwas weniger als 100 Kolumbianer als Freiwillige in der Internationalen Legion gegen Rußland kämpfen. Einer von ihnen gibt der JUNGEN FREIHEIT Einblicke in seine Motivation, seine Gefechtserfahrungen und den modernen Krieg, der seit rund eineinhalb Jahren in Osteuropa tobt. 

Die Identität des Kolumbianers ist der Redaktion bekannt. Aus Sicherheitsgründen möchte er anonym bleiben und den Tarnnamen „Pedro Garcia“ verwenden. 

Was treibt die Kolumbianer, die derzeit für die Ukraine kämpfen, in die Dienste Kiews? 

Pedro Garcia: Also die Motivation der Kolumbianer läßt sich einfach in zwei Kategorien unterteilen: Die einen sind wegen des Geldes hier und die anderen aus ideologischen Gründen wie harten anti-kommunistische Ansichten. Sie haben über ihre ganze militärische Karriere in Kolumbien gegen kommunistische Milizen wie die M19 oder Farc gekämpft, die wiederum auch damals von den Russen unterstützt wurden.

Ist die Sprache zwischen Kolumbianern und Ukrainern denn kein Problem? 

Garcia: Es gibt da immer ein paar Ukrainer, die auch Spanisch können. Und im Gefecht wird eh meist mit Zeichensprache kommuniziert. Ein paar englische Befehle kriegt man den Leuten ansonsten auch schnell beigebracht. Die kolumbianische Armee wird außerdem ebenfalls nach Nato-Standards ausgebildet. Daher sind die Soldaten mit den entsprechenden Befehlen vertraut.

„Wenn Rußland siegen sollte, haben wir den Dritten Weltkrieg“

Können Sie beschreiben, wie Sie persönlich in die Ukraine gekommen sind und in welcher Funktion? 

Garcia: Ich selbst habe schon davor militärische Erfahrung in der Fremdenlegion gesammelt und wollte mein Können nach mehreren Schicksalsschlägen für etwas in meinen Augen Sinnvolles einsetzen und endlich richtige Action erleben. Deshalb habe ich schon im Jahr 2020 in der Ukraine gegen Rußland aushelfen wollen, was aber dann nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Deshalb bin ich im Frühjahr 2021 wieder zurück nach Deutschland gegangen. Jedoch habe ich in dieser Zeit viele Freunde gefunden und konnte mir ein besseres Bild von der Lage verschaffen, was mir zu 100 Prozent bewußt gemacht hat, daß Rußland der Aggressor in diesem Konflikt ist; und das schon vor dem Angriff am 24. Februar 2022.

Der Krieg Rußlands gegen die Ukraine geht eigentlich schon seit 2014 und ist nur ein weiteres Machtspiel zwischen Ost und West, das nicht weiter eskalieren sollte. Denn wenn Rußland hier siegen sollte, haben wir mit Sicherheit den Dritten Weltkrieg, weshalb die Ukraine diesen Krieg gewinnen muß.

Dadurch, daß mir diese Dinge bewußter sind als dem Durchschnittsbürger, habe ich mich entschieden, Anfang März 2022 in die Ukraine zu reisen und in den Rängen der ukrainischen Armee den Kampf als MG-Schütze gegen Rußland zu führen.

„Zustand der russischen Armee ist fatal“

Sie sind nun schon seit über einem Jahr in der Ukraine. An welchen Fronten waren Sie im Einsatz? An welchen Gefechten haben Sie teilgenommen? 

Garcia: Ich war zum Großteil in der Oblast Charkiw bei der Verteidigung und später bei der Rückeroberung von Dörfern weiter im Osten bis hin zur Oblast Luhansk im Einsatz. Im Frühjahr 2023 war ich in der Region Donezk. Nennenswerteste Schlachten, an denen ich beteiligt war, waren die von Kupjansk und Bachmut.

In den Medien sieht man oft Bilder des Krieges mit Luftangriffen oder ausgebrannten Panzern und Fahrzeugen. Wie haben Sie den Krieg als Infanterist erlebt? 

Garcia: Dieser Krieg ist ein moderner Krieg. Ich wurde meistens von allen möglichen Gerätschaften beschossen, die ich nicht mal sehen konnte; von Artillerie bis hin zu Kampf-Jets. Zur Konfrontation Mann gegen Mann kam es vergleichsweise selten.

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Wenn wir von schwerem Gerät beschossen wurden, haben die Ukrainer die feindliche Position relativ schnell ausmachen können und mit Hilfe der modernen Waffensysteme des Westens auch schnell bekämpfen können. Ich will nicht sagen, daß ich mein Leben dem Glück zu verdanken habe. Ich habe es eher der mangelnden russischen Qualität sowie Inkompetenz zu verdanken. Denn wie oft ist dieser Schrott, der auf mich geschossen wurde und wahrscheinlich älter war als ich, nicht richtig oder gar nicht erst explodiert. Richtig präzise sind die Geschosse auch nicht geflogen.

Die russische Infanterie sowie motorisierte Einheiten haben ebenfalls sehr viel zu wünschen übrig gelassen. Bis auf ein paar Eliteeinheiten wie die Luftlandetruppen VDV oder diejenigen von Wagner sind die meisten Russen weggerannt oder haben erst gar nicht versucht, uns auszumanövrieren, wie es üblich sein sollte. Der Zustand der russischen Armee ist fatal. Nicht nur ihre Ausrüstung, auch ihr Training ist durch Korruption komplett vor die Hunde gegangen.

Ein Beispiel dazu kann ich geben. Es ist so, daß wir so oft die RPG-30 (tragbare Einweg-Panzerabwehrwaffe – Anm. d. Red.) wie neu noch in der Plastikverpackung in eroberten russischen Positionen gefunden haben. Die RPG-30 ist einer ihrer modernsten Raketenwerfer, die sie nicht benutzen können, weil sie nie daran ausgebildet wurden. Das dürfte daran liegen, daß sich ein Offizier damals das Geld für den Bestand für Übungen selbst in die Taschen gesteckt hat. Dabei sollte es ziemlich einfach sein, so ein System zu nutzen, wie es mit den meisten Waffensystemen üblich ist.

Dieser Umstand erklärt aber dann wieder die russische Inkompetenz, es einfach nicht ausprobieren zu wollen. Ich habe noch unzählige solcher Beispiele; den extremen Alkoholkonsum oder das Nichtbeachten einfacher Kommunikationsregeln über Funk. Aber das würde das Maß dieses Interviews sprengen.

„Putin macht dasselbe wie Stalin“

Während der erfolgreichen Sommeroffensive 2022 konnten die ukrainischen Truppen große Geländegewinne erzielen. In den vergangenen Monaten waren die Fortschritte jedoch bestenfalls langsam. Was hat sich seit dem letzten Jahr geändert? 

Garcia: Was sich geändert hat, ist, daß der Russe inzwischen Kampferfahrung hat, was die mangelnde Ausbildung zum Teil ausgleichen kann. Dazu hat der Russe jetzt aus seinen Fehlern gelernt und seine Taktik geändert; aber nicht wirklich auf strategischer Ebene, sondern eher auf technischer. Er verwendet jetzt viel mehr Altbestände auf kreative Weise wie FAB-500-Bomben mit Gleitflügeln, die die ballistischen Raketen ersetzen. Die ganzen alten Panzer wie den T-55 oder T-62 setzen die Russen ebenfalls als Artillerieersatz zum indirekten Feuer ein.

Im Grunde macht Putin dasselbe wie einst Stalin gegen die Wehrmacht: den Feind nicht durch Qualität, sondern durch Quantität zu schlagen. Ein anderer Fakt ist, daß die Ukraine sich gerade im Großteil in offensiven Operationen befindet mit Ausnahme im Osten bei Kupjansk, wo der Russe es wieder versucht, nach Charkiw zu kommen.

Die Ukraine befindet sich im Kampf gegen gut eingegrabene Verteidiger, die ebenfalls bei einem Angriff von ihrer eigenen Artillerie beschossen werden. Denn Putin ist es egal, ob irgendwelche Zwangsmobilisierten sterben, solange er damit ein paar Ukrainer mitsamt deren teuren westlichen Panzern zerstören kann. Deshalb sind die Verluste leider sehr hoch und der Fortschritt gering.

„Der Westen führt ein falsches Spiel mit der Ukraine“

Die Frage der Waffenlieferungen hat in den westlichen Ländern seit Beginn des Krieges für Diskussionen gesorgt. Was fällt Ihnen an den Waffenlieferungen auf? Erreichen diese Sie und profitieren Sie von ihnen? 

Garcia: Die westlichen Waffenlieferungen lassen in meinen Augen sehr zu wünschen übrig, weil es einfach nicht genug ist. Dennoch haben die Ukrainer sie sehr gut zum Einsatz bringen können. Ich kann selbst persönlich davon berichten, daß die wenigen Artillerie-Systeme wie Himars, die wir im Sommer 2022 bekommen haben, die russischen Munitionsdepots ausreichend zerstören konnten. So haben wir deutlich gespürt, daß der russische Artilleriebeschuß nachgelassen hat. Es ist bemerkenswert, was so wenig modernes schweres Gerät ausrichten kann. Aber genau deshalb sage ich, daß einfach zu wenig davon da ist. Hätten wir schon im vergangenen Jahr zur Sommeroffensive „Leopard“-Panzer und mehr moderne gepanzerte Fahrzeugen und Artillerie gehabt, würde die Lage bestimmt ganz anders aussehen. Viele hier wünschen sich auch Langstreckenraketen wie das deutsche „Taurus“-System.

Aber in meinen Augen führt der Westen ein falsches Spiel. Denn die Ukraine bekommt nur so viel, um zu überleben und nicht, um den Krieg zu gewinnen. Mit einem haben die Kritiker der Waffenlieferungen recht. Und zwar, daß die momentane Agenda nur dazu dient, den Krieg so lange wie möglich am Laufen zu halten; und das auf Kosten der Ukrainer und zum Profit gewisser Lobbyisten in den USA und auch Europa. Ich will auf keinen Fall sagen, daß man jetzt mit Rußland verhandeln soll, außer, es geht darum, daß Putin die Grenzen von vor 2014 wieder akzeptieren wird. Was ich sagen will, ist, daß dieser Krieg gegen Rußland gerechtfertigt ist, da es um die Freiheit der Ukrainer geht. Aber daß er nun mal auch auf sehr ehrlose Weise ausgenutzt wird. Denn am Ende ist Krieg auch nur ein großes Geschäft.

Zerstörte „Leoparden“ sind meistens nur Materialverlust

Können Sie beurteilen, ob sich die deutschen Waffensysteme an der Front bewährt haben? 

Garcia: Auch die deutschen Waffensysteme haben sich trotz geringer Stückzahlen bewiesen. Vor allem die Panzerhaubitze 2000 hat bei der Gegenoffensive im Sommer vergangenen Jahres gute Arbeit geleistet. Der „Leopard“ jedoch hat nicht so gewirkt, wie es sich viele vorgestellt haben. Nicht, weil er schlecht ist, sondern einfach, weil er gegen eine sehr stark befestigte Front geworfen wird, wo er mit allem Möglichen beschossen wird.

Aber in einem ist die deutsche Qualität wieder zu erkennen, und das ist der Umstand, daß die Besatzung in den meisten Fällen überlebt hat. Die meisten zerstörten „Leoparden“, die man in der ukrainischen Steppe sehen kann, waren meistens nur Materialverluste.

Was ich am Ende noch sagen möchte: Trotz der Rückschläge in den vergangenen Monaten hat die Motivation der Ukrainer nicht nachgelassen. Es ist zwar noch kein Sieg in Sicht, und es ist ein harter Kampf, aber ans Aufgeben denkt hier niemand. Ruhm der Ukraine!

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„Pedro Garcia“ dient in der Sonderaufklärungseinheit „Vidmak“ der ukrainischen Streitkräfte.

Kolumbianer der Internationalen Legion der Ukraine stehen vor einem abgeschossenen Panzer der Russen Foto: Privat
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