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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Marc Jongen, ESN Fraktion

„Bündnis statt Partei“

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Herr Vizekanzler, mit ihrem Gründungskonvent in Salzburg am 17. April hat sich Jörg Haiders neue, Anfang April von der FPÖ abgespaltene Partei „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) nun offiziell konstituiert (JF berichtete). Der Haider-Kontrahent Ewald Stadler, eine der Führungsfiguren des konservativen FPÖ-Parteiflügels, nannte im Interview mit dieser Zeitung als Ursache des Zerwürfnisses Haiders angebliche Egomanie und seinen Autokratismus. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund? Gorbach: Wir haben bis zuletzt versucht, die Brücken in der FPÖ zu erhalten, die Gräben waren aber zu tief. Die Partei war aufgrund des ungelösten und offenbar unlösbaren Richtungsstreits zwischen Regierungs- und Oppositionskurs in einem Zustand, der sie als dritte Kraft in Österreich zu disqualifizieren drohte und somit für den Großteil der Bürger nicht mehr wählbar machte – leider. Versteht sich das BZÖ inhaltlich als die „wahre“ FPÖ oder als eine völlig „neue“ Partei? Gorbach: Das BZÖ ist etwas Neues! Das Bündnis soll eine Plattform für all jene freiheitlich und freisinnig denkenden Menschen sein, die Österreich gestalten wollen und nicht bereit sind, in oppositionellen Reflexen zu verharren. Sie spielen auf Ihre ehemaligen Parteigenossen an … Gorbach: … die mitunter in fundamentaloppositionellen Positionen verhaftet sind. Wir dagegen versuchen konstruktive Politik auf Basis von Werten zu betreiben. Welche Werte? Gorbach: Zeitlose Werte wie Freiheit, Heimat, Arbeit, Eigentum, Leistung, Gemeinschaftssinn und soziale Geborgenheit. Alles Begriffe, die auch in der „alten“ FPÖ betont werden. Was ist daran neu? Gorbach: Wir stellen uns lösungsorientiert den Fragen der Zeit. Wir wollen weg vom schwerfälligen Parteiapparat und von verkrusteten Strukturen, weg von Destruktivismus und Nörglertum. Zum Beispiel? Gorbach: Wir haben für dieses Land gute Arbeit geleistet. Österreich steht im internationalen und europäischen Vergleich hervorragend da. Wir haben notwendige, wichtige Reformen, die mitunter unpopulär waren, zum Wohle der Bürger durchgezogen. Österreich hat die Bundesrepublik Deutschland auf vielen Gebieten überholt. Der österreichische Staatsbürger ist heute zwölf Prozent „reicher“ als der deutsche. Leider wurden diese Erfolge aber von einigen in den eigenen Reihen nicht honoriert, ja sogar schlechtgeredet. Davon haben wir uns getrennt. Für Ewald Stadler ist das BZÖ lediglich ein „sektoider Anbetungsverein“ Jörg Haiders. Gorbach: Es ist schon beinahe amüsant, wenn das gerade einer von Haiders ehemals bedingungslosesten Adoranten sagt. Nein, das BZÖ geht einen neuen Weg, hat einen neuen Zugang zur Politik, bei dem die Probleme der Menschen im Vordergrund stehen – nicht persönliche Befindlichkeiten und nicht Parteiinteressen. Diese Probleme kann man nur lösen, wenn man bereit ist, Verantwortung in der Regierung zu übernehmen – das weiß Jörg Haider. Warum „Bündnis“? Wollen Sie das Wort „Partei“ vermeiden? Gorbach: Die Bezeichnung Bündnis ist bewußt gewählt, um zu demonstrieren, daß wir eben keine klassische „Partei“ mit all ihren systemimmanenten Schwerfälligkeiten und Widersprüchlichkeiten sind. Zwar stellt das BZÖ Minister und Nationalratsabgeordnete, verfügt aber kaum über eine Parteibasis. Kommen Sie sich nicht ein wenig wie die Dame ohne Unterleib vor? Gorbach: Wir konnten bisher etwa 2.500 Mitglieder gewinnen. Das ist in der kurzen Zeit, das BZÖ existiert erst seit knapp vier Wochen, eine erstaunlich große Zahl und beweist, daß viele Menschen den Schritt nicht nur verstehen, sondern unseren neuen Weg mitgehen wollen. Und es werden noch viel mehr werden. Bislang gibt es auch noch kein Parteiprogramm, lediglich ein achtseitiges Grundsatzpapier, die sogenannten „Bündnispositionen“. Wann ist ein Programmparteitag geplant? Gorbach: Mit den Bündnispositionen sind die programmatischen Eckpfeiler gesetzt. Wie werden aber in naher Zukunft ein umfassendes Programm erarbeiten. Durch welche Inhalte soll sich Ihr Programm von dem der FPÖ unterscheiden? Gorbach: Wir wollen uns den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen, etwa der Globalisierung, die viele Chancen, die es zu nutzen, aber auch Gefahren birgt, die es aufzuzeigen und zu bekämpfen gilt. Wir bekennen uns klar zur Europäischen Union und zu Kerneuropa. Die EU ist politische Realität, innerhalb derer wir gestalterisch wirken wollen. Das schließt auch Kritik ein – dort, wo sie nötig ist. Wir wollen außerdem verstärkt Politik für den bislang vernachlässigten Mittelstand und die Freiberufler machen. Der Mittelstand ist der Motor der österreichischen Wirtschaft, die Klein- und Mittelbetriebe sind die mit Abstand größten Arbeitgeber im Land. Wir setzen uns dafür ein, daß sie den Freiraum bekommen, den sie brauchen, um sich entfalten zu können und erfolgreich sein. Im ORF-Fernsehen quittierte immerhin die stellvertretende BZÖ-Obfrau Karin Miklautsch die Bewertung der Bündnispositionen als eine Art „politischer Bauchladen“, mit dem man „ebenso Mitglied bei der ÖVP oder SPÖ“ sein könne, mit Zustimmung. Gorbach: Die BZÖ-Bündnispositionen sind kein „politischer Bauchladen“, und Karin Miklautsch ist keine Marketenderin. Wir haben konkrete politische Inhalte und Ziele, die ich schon genannt habe. Dazu ein Personal, das diese Inhalte glaubwürdig vertritt und unsere Ziele mit Nachdruck verfolgt. Verstehen Sie, daß all dies den Verdacht nährt, es drehe sich beim BZÖ in der Tat lediglich alles um die Person Jörg Haiders? Gorbach: Definitiv nicht. Wir sind eine Mannschaft, und Jörg Haider ist der Kapitän. Jeder hat seine Aufgaben zu erfüllen. Ich zum Beispiel bin der Steuermann. Relevant auch für die bundesdeutschen Leser ist die Europapolitik. Immerhin bekennt sich das BZÖ in den Bündnispositionen vorsichtig zu einem Europa der Vaterländer. Gleichzeitig aber ist dort auch von „Vertiefung“ der EU die Rede. Wie paßt das zusammen? Gorbach: „Vertiefung“ bezieht sich in erster Linie auf die Wirtschafts- und die Außenpolitik. Vertiefung wird hier nötig sein, um auch in Zukunft mit den großen Wirtschafts- und Militärmächten USA und – in Bälde – China auf den globalen Märkten konkurrieren zu können. Zu den Themen Zuwanderungsbegrenzung, dem Selbstverständnis Europas als „christliches Abendland“, den Gefahren durch die „multikulturelle“ Gesellschaft sowie linke Kulturhegemonie – Stichwort „Political Correctness“ – findet sich keine Silbe in den Bündnispositionen – dabei waren das alles einst wesentliche Inhalte der Haider-FPÖ! Gorbach: Natürlich wird das berücksichtigt – weil es wichtig und richtig ist! Die Freiheit – in jeder Hinsicht – steht ganz oben. Freiheit braucht aber Ordnung, sonst geht die Freiheit des einen zu Lasten des anderen. In den Thesen findet sich auch unmißverständlich das Bekenntnis zur Selbstbestimmung der Völker und der ethnischen und kulturellen Vielfalt Europas. Und das lesen Sie als … Gorbach: … als eine klare Absage an die multikulturelle Gesellschaft und Kulturhegemonie. Und das impliziert auch eine Zuwanderungsbegrenzung. Eben: „impliziert“. Warum nennen Sie diese Inhalte nicht beim Namen und widmen ihrer Erläuterung eigene Textabschnitte? Gorbach: Wir haben ganz bewußt auf Schlagwörter und Phrasen verzichtet. Jörg Haider hat mit seiner Befürwortung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei für viel Verdruß in der FPÖ gesorgt. Wie steht man im BZÖ zu dieser Frage? Gorbach: Ich bin der Meinung, daß die Türkei nicht zur EU gehören kann – aus bekannten geographischen, sicherheitspolitischen und kulturellen Erwägungen, aber auch aus Gründen der Wohlstandsicherung und wegen der nicht gewährleisteten Einhaltung der Menschenrechte. Ich spreche mich daher bestenfalls für eine „privilegierte Partnerschaft“ der Türkei mit der EU aus, nicht für einen Beitritt. Haiders Ansehen ist seit der FPÖ/BZÖ-Spaltung enorm gesunken. Mit minus 69 Prozent ist er – laut Umfrage des Nachrichtenmagazins „Profil“ – derzeit der unbeliebteste Politiker in Österreich. Wenig Wertschätzung finden auch BZÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch und BZÖ-Fraktionschef Herbert Scheibner mit minus 33 und minus 29 Prozent. Die BZÖ scheint äußerst unbeliebt zu sein. Gorbach: Umfragen sind immer subjektive Momentaufnahmen. Das Ergebnis ist sicher Ausdruck der Verwirrung, die derzeit noch in der Bevölkerung herrscht. Wenn sich die Nebel lichten, wird es anders aussehen. Sie – ebenso wie Frau Miklautsch – schneiden dagegen mit minus drei beziehungsweise minus einem Prozent weitaus besser ab und liegen im Mittelfeld der Beliebtheitsskala österreichischer Politiker. Liegt das an Ihrer Forderung nach Tempo 160 auf Autobahnen? Gorbach: Nein, aber ich versuche, Politik für die Bürger zu machen. Das wird offenbar honoriert. Sie rekurrieren bevorzugt auf den Mittelstand. Was ist mit der traditionellen Klientel des sogenannten „Dritten Lagers“, der freiheitlichen Wählerschaft in Österreich? Sicherlich ist sie vielfach mit dem Mittelstand deckungsgleich, definiert sie sich aber nicht eher kulturell-politisch als rein ökonomisch? Gorbach: Wir wollen unsere Politik nicht auf eine bestimmte Klientel reduzieren. Wir möchten ganzheitliche Lösungskonzepte anbieten – also keine kurzsichtige Stände-, Interessengruppen- und Klientelpolitik verfolgen. Man kann aber sagen, daß dem Mittelstand unser Hauptaugenmerk gilt – also den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft, die sich – nicht ganz zu Unrecht – als Melkkuh der Nation mißbraucht sehen. Das BZÖ würde laut Umfrage bei Wahlen derzeit fünf Prozent erzielen – die FPÖ nur drei, die ÖVP 36 Prozent. Rot-Grün käme zusammen auf 55 Prozent. Damit dürfte die FPÖ/BZÖ-Trennung im Grunde kaum im Interesse Ihrer Klientel liegen, sondern ist vor allem eine Steilvorlage für die Opposition. Gorbach: Gewählt wird im Herbst 2006. Unser Bündnis ist gerade mal vier Wochen alt. Geben Sie uns ein wenig Zeit, und Sie werden sehen, daß wir Erfolg haben werden. Die FPÖ/BZÖ-Eskapaden gefährden Kanzler Schüssels – von ihm mit großer Vorfreude erwartete – EU-Ratspräsidentschaft. Würde sich eine ÖVP-BZÖ-Koalition im Wiener Nationalrat notfalls auch von der FPÖ tolerieren lassen? Gorbach: Es geht nicht darum, Bundeskanzler Schüssel irgend etwas zu ermöglichen, sondern um das Setzen neuer Akzente in der EU und die Fortsetzung unserer erfolgreichen Arbeit für Österreich. Wenn die Emotionen abgekühlt sind, ist auch eine Zusammenarbeit mit der FPÖ gut möglich. Rot-Grün will niemand. Allein der Blick in die Bundesrepublik genügt da den Österreichern zur Abschreckung. Hubert Gorbach ist Geschäftsführender Vorsitzender des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und österreichischer Vizekanzler. Der 1956 in Vorarlberg geborene Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens trat 1980 in die FPÖ ein, war zuletzt Präsi-diumsmitglied, zeitweilig stellvertretender Bundesvorsitzender, seiner Partei. Am 4. April 2005 verließ er zusammen mit Jörg Haider die FPÖ, um das BZÖ zu gründen. weitere Interview-Partner der JF

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