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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

„Wegschauen und schönreden“

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Herr Ulfkotte, Ihr neues Buch „Grenzenlos kriminell – Die Risiken der EU-Osterweiterung. Was Politiker verschweigen“ warnt vor einer Zunahme der Kriminalität, die infolge der Osterweiterung über Westeuropa hereinbrechen könnte. Konkret: Wer verschweigt uns was genau? Ulfkotte: Zum Beispiel Joschka Fischer – er gefällt sich darin, derzeit beinahe Tag für Tag darauf hinzuweisen, daß mit der Osterweiterung die Europäische Union größer und bedeutender als das Römische Reich und mächtiger als die Katholische Kirche wird. Natürlich hat das Projekt auch positive Seiten. Ich bestreite nicht, daß es Vorteile der EU-Osterweiterung geben wird. Die gibt es bestimmt. Kulturell gesehen wird die Erweiterung ganz sicher positiv sein. Aber den Bürgern werden die enormen Schwierigkeiten, Probleme und Gefahren verschwiegen, die sich neben Glanz und Gloria einstellen könnten. Zum Beispiel? Ulfkotte: Wenn Fischer etwa sagt, die Osterweiterung sichere Arbeitsplätze, dann hat er recht, sollte aber fairerweise auch sagen, wo: Mit Sicherheit eben auch bei Fachunternehmern der Sicherheitsbranche wie Wachdiensten, Tresorbauern, Sicherheitsberatern sowie Staatsanwälten, Gefängniswärtern, Bewährungshelfern etc. Die Politiker verschweigen uns eine Seite ihrer ehrgeizigen politischen Pläne. Es geht darum, daß sie sich mit großer Geste einen Platz in der Geschichte sichern wollen, den Bürger aber nicht vollständig über Risiken und Nebenwirkungen unterrichten. Am Mittwoch letzter Woche machte die Durchsuchung Ihres Frankfurter Büros durch Beamte des Bundeskriminalamtes, des Staatsschutzes und der Staatsanwaltschaft Schlagzeilen. Sie sollen sich bei Ihren Recherchen der Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie der Bestechung schuldig gemacht haben. Berechtigte Strafverfolgung oder Gängelung eines mißliebigen Journalisten? Ulfkotte: Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich mich zu der Sache nicht weiter äußern kann. Warum wollen Sie nichts sagen? Ulfkotte: Es ist nichts Ungewöhnliches, in einem schwebenden Verfahren zu schweigen. Ich schweige auf Anraten meines Anwaltes. Die Angriffe gegen Ihr Buch „Der Krieg in unseren Städten – Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern“ im Frühjahr 2003 haben Sie damals als „Anschlag auf die Pressefreiheit“ gewertet. Wiederholt sich das nun bei „Grenzenlos kriminell“, nur von anderer Seite und mit anderen Mitteln? Ulfkotte: Ich schweige dazu. Fakt ist allerdings, daß nicht nur Unterlagen, sondern auch Kommunikationsmittel Ihres Büros wie Ihr Rechner beschlagnahmt worden sind. Ulfkotte: So hat es die Staatsanwaltschaft Frankfurt mitgeteilt. Ich sage dazu nichts. Ziel erreicht? Sie sind also zur Zeit nicht in der Lage, Ihre Arbeit fortzusetzen? Ulfkotte: Es ist richtig, daß ich derzeit in meiner Arbeit eingeschränkt bin. Bereits zuvor hat „man“ Ihnen immer wieder zu verstehen gegeben, daß Sie mit solchen Maßnahmen würden rechnen müssen, wenn Sie Ihre Recherchen weitertreiben. Wer steckt dahinter? Ulfkotte: Kein Kommentar. Innenminister Schily soll angeblich regelmäßig „Tobsuchtsanfälle“ wegen Ihrer Recherche-Arbeit bekommen. Ulfkotte: Daß man im Bundesinnenministerium alles andere als „gut“ auf mich zu sprechen ist, ist kein Geheimnis. Ansonsten: Kein Kommentar. Ihr Buch „Grenzenlos kriminell“ ist angesichts der offiziell verbreiteten Jubelstimmung zur bevorstehenden EU-Osterweiterung am 1. Mai eine Provokation. Ulfkotte: Natürlich ist das ein Mißton, der die Lachsschnittchen-und Schampus-Atmosphäre, in der die Politiker diesen 1. Mai begehen wollen, stört – wenn ich das mal so salopp formulieren darf. Wieso wird es nach Ihrer Ansicht mit der Osterweiterung zwangsläufig zu mehr importierter Kriminalität bei uns kommen? Ulfkotte: Ich komme gerade aus Sachsen zurück und habe mich selbst von den da heute schon herrschenden Verhältnissen überzeugen können: Schon jetzt kommen dort Diebe über die Grenzen, die vom Huhn bis zum Garagentor vieles stehlen, was sich irgendwie bewegen läßt. Und schon jetzt kann die Polizei nicht viel dagegen tun. Die Leute dort bauen in ihrer Not zum Teil sogar Zäune, wo es bislang keine Zäune gab, und manche versehen ihre Gartenmauern mit einzementierten Glasscherben. In ganz Deutschland treiben beispielsweise auch estnische Banden ihr Unwesen, was nur ungern öffentlich thematisiert wird. Stellen Sie sich vor, 150 Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet würden in Frankreich über ein Jahr hinweg immer wieder Banken überfallen. Es gäbe riesige Schlagzeilen in den französischen Zeitungen! Von den allein 150 estnischen Bankräubern, die in letzter Zeit in Deutschland ihr Unwesen getrieben haben, steht dagegen fast nichts in der Zeitung. Und dabei sind ja nicht nur Esten unterwegs, sondern Banden aus allen künftig neuen EU-Staaten. Mit welcher Politik reagiert nach Ihren Erkenntnissen Innenminister Schily darauf? Ulfkotte: Er ist ein Meister des Wegschauens und Schönredens. Wie würden nach Ihrer Einschätzung die Bürger reagieren, wenn man ihnen über die heutige Situation reinen Wein einschenken würde? Ulfkotte: Dann würden die Leute am 1. Mai sicherlich nicht jubelnd mitfeiern, sondern nachdenklich sein. Würde es eine Proteststimmung gegen den 1. Mai, also gegen die Osterweiterung geben? Ulfkotte: Der Kater wird nach den Feiern kommen. Denn die Menschen werden natürlich früher oder später erkennen, daß man ihnen nur eine Seite der Medaille gezeigt hat. Wie sieht denn die „Wahrheit“ über die Ostererweiterung aus? Ulfkotte: Die Menschen in den EU-Beitrittsländern werden natürlich nicht als Kriminelle geboren. Die Menschen dort sind überwiegend rechtschaffen und arbeitsam. Aber die Situation in diesen Ländern ist eben eine andere als in den alten EU-Staaten: Die neuen EU-Länder sind vergleichsweise arm und strukturschwach, was – bei sich abzeichnend steigender Arbeitslosigkeit in Branchen wie Landwirtschaft und Schwerindustrie – zu verstärkter Kriminalität führt. Das heißt, Kriminalität ist dort eher als bei uns als ein Strukturproblem zu begreifen. Strukturprobleme lassen sich aber bekanntlich besonders schwierig lösen. Diese Länder befinden sich durch ihre Geschichte – Kommunismus und die Wirren der postkommunistischen Zeit – immer noch in einer staatlich und gesellschaftlich vergleichsweise labilen Situation. Diese Länder haben eine andere „Kriminalitäts-Kultur“, die Kriminellen im Osten sind ungleich brutaler und skrupelloser als bei uns. Sie haben eine niedrigere Hemmschwelle beim Einsatz von Gewalt. Diese Länder haben andererseits keinen Polizei- und Justizapparat, der sich mit den Polizeien in den alten EU-Staaten vergleichen läßt. Durch das in Osteueropa besonders verbreitete Übel der Korruption sind die entsprechenden Institutionen vielmehr ineffektiv und oft auch noch mit der Kriminalität verfilzt. Obendrein sagen Sie einen weiteren Faktor voraus, der die Situation noch erheblich verschärfen wird. Ulfkotte: Ja, unsere Politiker machen nicht nur uns, sondern auch den Menschen in den osteuropäischen Ländern die große Hoffnung, daß es mit dem EU-Beitritt zu einem spürbaren Wirtschafts- und Wohlstandsaufschwung – also Wohlstand für alle – kommen wird. Tatsächlich aber wird die Osterweiterung nicht nur bei uns, sondern vor allem in den Beitrittsländern zu einer erheblichen Verschärfung der ökonomischen Situation führen. Gerade erst lesen wir – 15 Jahre nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung -, daß die Ost-Förderung ihr Ziel vollkommen verfehlt hat: 1.250 Milliarden Euro Aufbauhilfe Ost haben ihr Ziel verfehlt! Nun haben wir für die ungleich größeren EU-Beitrittsländer aber nicht einmal einen Bruchteil von 1.250 Milliarden Euro. Die „blühenden Landschaften“, die sich die Menschen in den neuen EU-Staaten wünschen, werden nur für einen Bruchteil der Menschen Realität werden. Viel mehr Menschen werden auf der Schattenseite stehen und Not leiden. Das ist vorhersehbar. Es wird sehr viele Verlierer geben, und das wird verschwiegen. In den neuen Bundesländern wird es mittelfristig zu Zehntausenden Firmenpleiten und zum weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit kommen. Damit werden die neuen Länder auf ein Wohlstandsniveau zurückfallen, das durch die bisherigen Milliardensubventionen und Solidaritätsbeiträge bekämpft worden ist. Und in den dann neuen EU-Staaten werden Millionen Arbeitskräfte in Landwirtschaft und Industrie entlassen werden. Der Unterschied zwischen Arm und Reich wird noch größer, denn profitieren werden nur die Großbetriebe, die im Zeitalter der Globalisierung rentabel produzieren können. Die Schicht jener, die Not leiden und potentiell aus dieser Not heraus Straftaten verüben könnten, wird nüchtern betrachtet größer werden. Vor allem, weil es in den Beitrittsländern keine funktionierenden sozialen Sicherungssysteme gibt, die die Menschen auffangen können. Und all dies wird sich obendrein noch mit dem enormen Frust paaren, der entsteht, wenn die Menschen, denen die Politiker eine Verbesserung ihrer Lage per EU-Beitritt versprochen und die auf diese Hoffnung gebaut haben, feststellen, daß sich ihre Situation verschlechtet, statt verbessert. Ihre Hoffnungen werden platzen wie Seifenblasen, und niemand fängt sie auf. Wie wird sich diese Entwicklung vollziehen? Ulfkotte: In den ersten zwei Jahren nach dem Beitritt wird es eher ein langsames Ansteigen der Kriminalität geben, doch wenn die ökonomischen Entwicklungen beim Ausbleiben des erforderlichen Wirtschaftswachstums durchschlagen und die Hoffnungen enttäuscht werden, könnte die Lage schlimmer werden. Betrifft das Problem nur die Europäer an der Grenze zu den EU-Oststaaten? Ulfkotte: Irrtum! Langfristig wird das genauso die Menschen zum Beispiel im Saarland betreffen. Und wenn sich die Korruption der organisierten Kriminalität auch in Deutschland verstärkt festsetzt, werden Staat und Gesellschaft insgesamt befallen werden. Und es ist schwer, den Geist, der aus der Flasche entwichen ist, wieder in diese zurückzubekommen. Ich bin überzeugt, daß wir eines Tages von unseren Kindern vorwurfsvoll gefragt werden, warum wir diese Entwicklung nicht verhindert haben! Wissen unsere Politiker, was da auf uns zukommt, oder lügen sie sich selbst in die Tasche? Ulfkotte: Nein, sie wissen durchaus Bescheid. Aber sie hoffen durch unrealistische Erwartungen an das Wirtschaftswachstum auf einen Ausweg, der aber sicher nicht kommen wird. Die EU-Osterweiterung ist auf Treibsand gebaut, dessen Stabilisierung noch unsere Enkel werden bezahlen müssen. Bereiten sich die Politiker auf die absehbaren Probleme vor? Ulfkotte: Einige ja, andere nein. Aber auch eine vorbereitete Länderpolizei wird dem, was kommt, nicht wirklich gewachsen sein. Warum bereiten sich manche nicht vor? Ulfkotte: Weil die Thematik vielen doch unterschwellig als Tabuthema gilt. Die Beschäftigung mit der Inneren Sicherheit hat in Deutschland nach wie vor den Ruch des Rechtsradikalen. Tatsächlich geht Innere Sicherheit aber uns alle an! Und dann möchte man auch nicht kurz vor der Osterweiterung Mißtrauen bei den Bürgern wecken. Und einige Politiker glauben auch autosuggestiv an ihre rosaroten wirtschaftlichen Heilsversprechen. Wenn die kommende Situation nicht in den Griff zu bekommen ist, was folgt dann für Sie aus Ihrer Analyse? Ulfkotte: Zumindest dürfen Stellen bei der Polizei nicht abgebaut werden. Wir brauchen eher mehr als weniger Polizeikräfte. Das einzig wirklich Wirkungsvolle aber – vom Standpunkt der Sicherheit der Bürger aus – wäre es, die EU-Osterweiterung aufzuschieben. Herr Ulfkotte, was sagen Sie einem Kritiker, der Ihnen vorhält, lediglich ein Katastrophenszenario auszumalen, um mediale Aufmerksamkeit zu erregen und Ihr Buch zu verkaufen? Ulfkotte: Das habe ich schon bei meinem letzten Buch „Der Krieg in unseren Städten“ erlebt. Auch damals hat man mich in die Nähe des Rechtsradikalismus gerückt und behauptet, daß es Unsinn sei, von einem „Krieg“ zu sprechen. Das ging so bis zum Anschlag von Madrid. Der hat dann das Szenario von „Der Krieg in unseren Städten“ auch für den letzten Ignoranten und Schönredner bestätigt. Nochmals: Ich bin kein Gegner der EU-Osterweiterung. Ich hebe lediglich deutlich hervor, daß dieses aus der Perspektive der Inneren Sicherheit für die alten EU-Staaten sicherlich nicht positiv sein wird. Denn die Polizei kennt Grenzen, das Verbrechen nicht. Und vom 1. Mai an wird es Kriminellen aus den neuen EU-Staaten leichter sein, in den alten EU-Staaten Straftaten zu verüben. Neben den Vorteilen der EU-Osterweiterung, auf die Politik und Wirtschaft euphorisch fixiert sind, wird es auch unschöne Dinge geben, die derzeit niemand sehen will. Euphorie – dieses griechische Wort bedeutet ursprünglich: „letzte Aufwallung vor dem Tod“. Ist es wirklich für die Europäische Union an der Zeit, „euphorisch“ zu sein? Udo Ulfkotte: Der ehemalige FAZ-Redakteur geriet in der vergangenen Woche in die Schlagzeilen, weil die Staatsanwaltschaft Frankfurt seine Büroräume durchsuchen ließ. Mit seinem neuen Buch „Grenzenlos kriminell – Die Risiken der EU-Osterweiterung. Was Politiker verschweigen“ (Bertelsmann, 2004) tritt Ulfkotte all den Politikern auf die Füße, die die EU-Osterweiterung aus ideologischen Gründen verfolgen, ohne sich um die Konsequenzen für die Bürger zu kümmern. So spricht etwa die Gewerkschaft der Polizei mit Blick auf die Kriminalitätsentwicklung durch die EU-Osterweiterung von einem bevorstehenden „Fiasko“, britische Sicherheitsbehörden intern vom „Big Bang 2004“. Zuletzt machte Ulfkotte im Frühjahr 2003 Schlagzeilen, als sein Enthüllungsbuch „Der Krieg in unseren Städten – Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern“ eine Flut von Klagen islamischer Vereine auslöste, mit dem Ziel das Buch vom Markt zu drängen. Ulfkotte, geboren 1960 in Lippstadt, studierte Jura, Politologie und Islamkunde und war von 1986 bis 2003 bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zuständig für den Mittleren Osten und für Geheimdienstfragen. Heute unterrichtet er an der Universität Lüneburg Sicherheitsmanagement und arbeitet als freier Journalist. Am 11. Mai will der Fernsehsender Arte einen Themenabend zur EU-Osterweiterung ausstrahlen, an dem Ulfkotte als Co-Autor mitgewirkt hat. weitere Interview-Partner der JF

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