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Bonhoeffer und die Paradoxie von Weihnachten: In der Ohnmacht mächtig

Bonhoeffer und die Paradoxie von Weihnachten: In der Ohnmacht mächtig

Bonhoeffer und die Paradoxie von Weihnachten: In der Ohnmacht mächtig

Weihnachtskrippe
Weihnachtskrippe
Das Christuskind in der Krippe Foto: picture alliance / NurPhoto | Michal Fludra
Bonhoeffer und die Paradoxie von Weihnachten
 

In der Ohnmacht mächtig

In der mündig gewordenen Welt scheint kein Platz für Gott zu sein. Doch der christliche Glaube ist alles andere als weltfremd. Seine Botschaft ist einzigartig, kraftvoll und lebensdienlich. Ein Essay von Johannes Eisleben.
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Im zurückliegenden Jahr haben wir viel verloren. Wir haben unsere Freiheit verloren. Wir können uns seit März nicht mehr frei bewegen und nicht mehr frei reisen, seit der Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes kann der Staat nun auch sehr tief in die Grundrechte eingreifen, selbst die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) kann aufgehoben werden. Menschen, die die Gefahr durch das neuartige Coronavirus fachlich anders bewerten als der Chef des Robert-Koch-Instituts, darunter auch Ärzte und zahlreiche Wissenschaftler, werden in Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz beobachtet.

Viele Menschen haben die Unbeschwertheit des täglichen Lebens und ihre durch Lebenserfahrung erworbene Urteilskraft verloren. Sie haben nun panische Angst vor Krankheit und Tod durch einen viralen Erreger. Unsere Kinder verstehen die Welt nicht mehr. Viele entwickeln psychische oder soziale Auffälligkeiten. Die Menschen leiden unter dem dauernden Streß. Zahlreiche Angestellte haben ihre Arbeit oder als Unternehmer ihre Kunden verloren und haben Angst vor dem weiteren Verlauf des wirtschaftlichen Niedergangs, in dem wir uns bereits deutlich sichtbar befinden.

Millionen von Menschen trifft die Wirtschaftskrise bereits direkt, etwa Künstler, Schausteller, Einzelhändler und deren Zulieferer. Sie werden in Deutschland an den Weihnachtstagen auf den Gabentischen und Speisetafeln bereits in diesem Jahr weniger vorfinden als im Vorjahr. Der Ausblick auf das nächste Jahr sieht auch alles andere als rosig aus. Niemand weiß, wie lange die Corona-Maßnahmen weitergeführt und welche Form sie noch annehmen werden, wann dieser Wirklichkeit gewordene Alptraum endlich endet. Mit einer schnellen wirtschaftlichen Erholung rechnet so gut wie niemand mehr, der volkswirtschaftliche Zusammenhänge versteht.

Eingriff in Grundrechte

Wer hinter die Panik blickt und sich die Zahl der Toten und deren Alter und Gesundheitszustand anschaut, wird von einer noch tieferen Verzweiflung gepackt als der, welche die anderen genannten Umstände auslösen können. Denn wie kann es sein, daß unsere Grundrechte wegen eines Virus aufgehoben werden, das im Verhältnis zu anderen Erregern grippaler Infekte epidemiologisch im Normbereich liegt? Warum werden Grundrechte aufgehoben, wenn es nur unwesentlich mehr Viruspneumonietote gibt als im Vorjahr – egal ob mit oder ohne Maßnahmen?

Warum wird die Erkenntnis, daß das Virus bereits 2019 in Europa und den USA endemisch war, nicht berücksichtigt? Warum werden Maßnahmen – wie etwa das Tragen von Masken – vorgeschrieben, die medizinisch nachweislich sinnlos sind, wie eine große in Dänemark durchgeführte Studie gezeigt hat (Annals of Internal Medicine, 18. November 2020)? Warum wird bei einem endemischen Virus, das sich weitgehend über symptomlose oder symptomschwache Wirte verbreitet, mit Tracking und Quarantäne gearbeitet, obwohl beides höchst fragwürdig ist?

Warum wird ein so hoher Druck aufgebaut, einen nicht hinreichend klinisch getesteten Impfstoff einzusetzen, den die 99,8 Prozent der Infizierten, für die das Virus ungefährlich ist, gar nicht brauchen? Warum werden in einer rechtsstaatlichen Demokratie Skeptiker ausgegrenzt, diffamiert und nun auch vom Verfassungsschutz beobachtet?

Warum werden die wissenschaftlichen Studien rund um Covid und seinen Erreger nicht unparteiisch und offen in den Medien dargestellt? Warum gelten die erkenntnistheoretischen Normen, auf denen unsere Zivilisation beruht, in dieser Frage plötzlich nicht mehr, wie man an den vollkommen unwissenschaftlichen Ad-hoc-Berichten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Halle/Saale) erkennt?

Wir meinen, für nichts mehr einen Gott zu brauchen

Wer sich diese Fragen stellt, blickt in einen Abgrund, von dem er den Blick gern abwenden würde, ohne es doch zu können. Wo können wir angesichts dieser Lage, die sich zweifelsohne weiter verschlimmern wird, Trost finden? Im Glauben?

In der mündig gewordenen Welt scheint kein Platz für Gott zu sein. Wir sind autonom, wir meinen, für nichts mehr einen Gott zu brauchen, die Welt läuft weiter, egal ob es Gott gibt oder nicht (etsi deus non daretur, sagte Hugo Grotius schon im 17. Jahrhundert). Alle Lebensbereiche können wir rational oder irrational auch ohne Gott fassen und verarbeiten.

Die Versuche der Theologen, daran etwas zu ändern, prallen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend an den Menschen ab und konnten am Verschwinden Gottes aus der Welt, das Dietrich Bonhoeffer konstatiert hat, nichts ändern, wie er es in einem Brief vom 16. Juli 1944 beschreibt (abgedruckt in „Widerstand und Ergebung“). Bonhoeffer sagt darin: „Gott als moralische, politische, naturwissenschaftliche Arbeitshypothese ist abgeschafft, überwunden; ebenso aber als philosophische und religiöse Arbeitshypothese (Feuerbach!).“

Wo liegt der Ausweg? Hiob sagt: „Ich aber weiß, daß mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25). Er spricht dies aus, obwohl er alles verloren hat. Können auch wir Christen diese Worte sagen? Ja! Es ist Weihnachten: „Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (Lukas 2,11).

Wem ist der Heiland geboren? Ist er ein Held, der uns durch gewaltige Taten rettet? Nein, sondern der Engel, der diese Worte sagt, spricht zur Unterschicht, den Hirten. Diese Hirten waren keine römischen Bürger, sie waren ohne Eigentum, Macht und Recht. Sie bildeten den Bodensatz der Erwerbstätigen. Aber die erste Nachricht über die Geburt des Heilands, durch die sich der dreieinige Gott als Mensch zeigt, erhalten sie.

Der christliche Glaube ist nicht weltfremd

Und dieser Heiland wird nicht in einer menschlichen Behausung geboren, sondern in der zur damaligen Zeit wichtigsten Gewerbeimmobilie, dem Stall, der eigentlich für die Bewirtschaftung von Tieren gedacht ist. In der heutigen Welt wäre der entsprechende Ort eine Schlachthalle oder der Maschinenraum einer Fabrik. Dort erblickt der Heiland das Licht der Welt, weil er für den Menschen in seiner Schwäche, Niederlage und Verzweiflung da ist. Seine Botschaft leitet der Engel ein mit dem Ruf, der auch uns in jener angstimprägnierten Zeit gilt: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude“ (Lukas 2,10).

Die nachchristliche, esoterische, zeitgeistige Pseudoreligiosität „weist den Menschen in seiner Not an die Macht Gottes in der Welt, Gott ist der deus ex machina“. Doch die „Bibel weist den Menschen an die Ohnmacht und das Leiden Gottes“ (Bonhoeffer, ebenda). Denn das Kreuz hängt auch über der Krippe und verweist uns darauf, daß Christus für uns den Weg des bittersten Leidens gehen und den langsamen Tod durch eine der grausamsten Tötungsarten, die Kreuzigung, erduldet. In dieser heilsamen Paradoxie ist der christliche Glaube alles andere als weltfremd. Nein, diese Botschaft ist einzigartig, kraftvoll und lebensdienlich.

Für Bonhoeffer räumt die radikale Abkehr der Menschen von Gott in der säkularen Gesellschaft mit dem falschen Bild von Gott auf und macht uns den Blick frei für die Wahr-nehmung des wahren Gottes. Der für mich am Kreuz stirbt und durch seine „Ohnmacht in der Welt Macht und Raum gewinnt“. Und der für mich auferstand, um den Teufel und alle Todesmächte zu überwinden.

Dieser wahre Gott handelt nicht in weltlicher Manier. Er ist kein Zauberer, der Mißstände hinwegräumt, die wir schaffen oder beklagen. In der Kraft des Heiligen Geistes wirkt Christus in uns. Wir stehen als einzelne und als Kirche, in der Gemeinschaft der Heiligen, in taufmächtiger Verbundenheit zu ihm, „der die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe, „Faust“).

Das innere Gefängnis erkennen

Er schenkt uns Furchtlosigkeit und Zuversicht. In der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes dürfen wir uns der Gnade Gottes gewiß sein und können unsere Angst ablegen, am Kreuz und an der Krippe. Jesus Christus spricht: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33). Und Paulus ermuntert uns: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet“ (Römerbrief 12,12).

Diese Fröhlichkeit, diese heitere Gelassenheit, die aus dem Gebet wächst, ist der Kern und das Aroma des Festes, das wir in diesen Tagen feiern. Wir sind auch in Zeiten der Unsicherheit und Angst fröhlich, getrost und dankbar. Weil unser Heiland geboren ist, der Schöpfer und Erlöser.

Für Dietrich Bonhoeffer ist gewiß, was auch für uns gelten kann und soll: „Daß Christus im Stall geboren wurde, weil er sonst keinen Raum in der Herberge fand – das begreift ein Gefangener besser als ein anderer, und das ist für ihn wirklich eine frohe Botschaft“ (Brief vom 17. Dezember 1943). Den meisten von uns dürfte es deutlich besser gehen als dem politisch verfolgten und inhaftierten Bonhoeffer. Doch wir können unsere inneren Gefängnisse erkennen und verlassen. Wenn wir mit Hiob das Christkind preisen und rufen: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt.“ Das kann wirken wie ein ansteckender Frohsinn. Nicht nur zu Weihnachten.

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Johannes Eisleben, Jahrgang 1971, ist Mathematiker und arbeitet als Systeminformatiker. Er publiziert auch auf dem Portal achgut.com sowie in der Zeitschrift Tumult.

JF 53/20 – 1/21

Das Christuskind in der Krippe Foto: picture alliance / NurPhoto | Michal Fludra
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