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Wir und die Taliban

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Wir und die Taliban

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Cato, Palmer, Exklusiv

Wie lange wird die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch dauern? Verteidigen Bundeswehrsoldaten ihr Vaterland dort wirklich? Die jetzige Afghanistan-Konferenz in London ist die sechste in neun Jahren – und die Nato und ihre Verbündeten bemühen sich weiter vergeblich, den afghanischen Völkern und Stämmen eine westliche Staatsordnung aufzudrängen. Auf der einen Seite stehen „wir“ im Westen mit unseren „universellen“ Menschenrechten. Auf der anderen Seite stehen „die“ dort mit ihrem traditionellen Ehrbegriff und ihrer archaischen Stammeskultur, die mit westlichen Denkkategorien kaum faßbar ist. In einem solchen Konflikt gibt es keine allentscheidende Norm und keine übergeordnete Instanz.

Damit stehen deutsche Soldaten einem Feind gegenüber, den diese Demokratisierungsbemühungen existentiell bedrohen. Denn was bedeutet die eigene Sippe oder der Stamm in einer rechtsstaatlichen Demokratie? Wer glaubt, der Afghanistan-Konflikt könnte durch Demokratisierung gelöst werden, der irrt. Die Auswirkungen eines solchen Anspruchs sind fatal. Denn die Krieger, die sich gegen die „universellen“ Menschenrechtsansprüche wehren, wären demnach Kriminelle – „böse Menschen“ also, deren Führer warlords genannt werden. Doch ist eine regionale afghanische Autorität tatsächlich nur ein „Kriegsfürst“? Erfüllt er nicht auch Justiz- und Regierungsaufgaben?

Einen warlord könnte man ohne Gewissensbisse bekämpfen – sei es durch schamlose Propaganda, sei es per Drohnenbeschuß. Oder noch geschickter: Die Besatzungsmächte lösen ihre Stammesstrukturen auf, setzen ihnen ein Reagenzglas-Parlament vor die Nase und stellen einen Präsidenten westlicher Wahl auf. Dagegen wehren sich die Stämme und Völker Afghanistans. Nur hinter vorgehaltener Hand wird eingestanden, daß dieser „Feind“ trotz seiner unterlegenen Waffen so gut organisiert ist, daß er die Nato seit nunmehr neun Jahren auf Trab hält.

Zöge sich die Bundeswehr aber jetzt sofort zurück, dann wäre das nicht nur ein Verrat an unseren Verbündeten dort. Es bedeutete auch die Hinnahme einer weiteren Destabilisierung dieser Region. Wie sicher sind etwa die Anrainer-Staaten Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan? Die drei Ex-Sowjetrepubliken kommen in den Medien zwar kaum vor, sie grenzen aber genauso an das afghanische Vielvölkergebiet wie der Iran und Pakistan. Und Pakistan ist alles andere als ein stabiler Staat. Die Möglichkeit seines Scheiterns, eines weiteren failed state, ist tatsächlich gegeben. Aber in wessen Hände kämen dann Islamabads Atomwaffen?

Das deutsche Engagement hat damit einen macht- und geopolitischen Anspruch, der – aus westlicher Sicht – gerechtfertigt ist. Aus afghanischer Sicht nicht, darum wehren „sie“ sich. Manche Gruppierungen dort haben die Bundeswehr als ihren Feind erkannt, und sie kämpfen mit tapferen Truppen in einem Krieg, den sie – so weit wie nur möglich – nach ihren Regeln gestalten. Es ist ein Kampf zwischen der westlichen Idee einer „stabilen Regierung“ und dem ebenso ehrenwerten Stammesmodell. Letztlich ist es dieses Feind-Denken, welches uns nicht moralisch über „die Taliban“ und deren Verbündete stellt.

Es ordnet aber die Argumentation: Ein ausgebrochener Konflikt zwischen Feinden läßt nur den Rückzug oder den Kampf zu. Ein westlicher Rückzug findet aus vielerlei Gründen nicht statt, bleibt also der Kampf. Idealtypisch folgt daraus entweder der Sieg oder die Niederlage. Dabei ist es ein Allgemeinplatz, daß der Krieg keine echten Sieger kennt, in der Realität folgt also meist der Kompromiß. Selbst der neue CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg glaubt nicht mehr an die Demokratisierung Afghanistans nach westlichen Maßstäben. Präsident Hamid Karsai möchte mit „gemäßigten“ Taliban verhandeln. Freilich dient das Adjektiv da nur der Beruhigung: Der Verhandlungspartner wäre entweder kein Taliban – oder eben nicht gemäßigt. Im Vergleich zu den ehrgeizigen Zielen, mit denen „der Westen“ im letzten Jahrzehnt dort angetreten ist, klingen diese Worte arg nach Niederlage. Diese gilt es wohl abzuwenden.

Daher sollen die Truppen erneut aufgestockt werden, inklusive der deutschen. Auch die Bundeswehr soll „raus aus ihren Feldlagern“, eine „härtere Gangart“ anschlagen. Diese Forderungen vom Schreibtisch oder Rednerpult aus sind frech – implizieren sie doch, deutsche Soldaten hätten sich bislang nur verkrochen, würden nicht etwa täglich ihre Gesundheit und ihr Leben für einen Bundestagsbeschluß aufs Spiel setzen. Von ihrem polizeilichen Führungszeugnis mal ganz zu schweigen. Die Debatten um Oberst Georg Klein und jeden einzelnen beschossenen Pkw zeigen, wie wenig Rechtssicherheit den deutschen Soldaten bislang gegeben wird.

Nicht nur hierbei brächte die Klarheit der Begriffe etwas. „Wir“ (die Nato und ihre Verbündeten) sind der Feind der Taliban und ihrer Verbündeten. „Wir“ erheben Ansprüche in ihrem Land, die in den letzten neun Jahren mit Zuckerbrot und Peitsche nicht durchgesetzt werden konnten. Entweder „wir“ erhöhen unseren Einsatz und versuchen, den Feind endgültig zu schlagen – wie es vor allem aus den USA gefordert wird. Oder „wir“ suchen einen Kompromiß und schließen Frieden – was eher die europäische Sicht ist. Sonst werden „wir“ als Besatzer wieder aus dem Land gejagt. Wäre ja nicht das erste Mal.

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