Welcher der US-Kandidaten für Deutschland und das Europa der Impresarios Sarkozy und Barroso die bessere Wahl wäre, erschien von vornherein belanglos. Denn wer vom Weißen Haus aus interventionistische US-Globalpolitik betreibt, interessiert im Grunde nur die Grünen, die für friedensstiftende Maßnahmen gern schon mal Soldaten ins Feuer schickten, sowie die „Linke“, die seit 1917 mit Friedensschalmeien umzugehen versteht. Und was macht Moskau? Igor Maximytschew vom Europa-Institut Moskau erklärte bei Maybrit Illner: „Beide sind schlecht.“ Moskau denkt und tut, was ihm zweckdienlich erscheint — zum Beispiel Rüstungsgeschäfte mit Libyens Revolutionsführer Gaddafi. Entsprechend sind die Russen seit Putins Machtübernahme die Buhmänner der westlichen Wertewelt. Zur Erinnerung: Dem „liberalen“ Jelzin hat man den ersten Tschetschenienkrieg noch gern nachgesehen. Gewiß, Illusionen über die alten und neuen Methoden des Imperiums wären verfehlt. Und doch: Daß Moskau die Mißachtung der ungeschriebenen Geschäftsbedingungen des Zwei-plus-Vier-Vertrags in Form der unter dem Demokraten Clinton verfolgten geopolitischen Strategie (Nato-Osterweiterung, Balkan, Kaukasus, Mittelasien) honorieren würde, gehört in die politische Vorstellungswelt unseres interkulturellen Kindergartens. Nur in Deutschland verwechselt man den Export von orangenen Revolutionen mit Care-Paketen. Den Preis für die Naivität ihres Präsidenten Saakaschwili bezahlen derzeit die Georgier. Was machen wohl die Russen, wenn Merkels Nato-Zusage an die Georgier nicht nur gut-, sondern ernstgemeint war? „Klar, die Nato ist heute ein Gesangverein“, mokierte sich Maximytschew. Was wird Rußland tun, wenn Polen in Absprache mit den USA den EU- und Nato-Beitritt der Ukraine forciert? Wird dann nur unser Gas teurer? Angesichts des fallenden Ölpreises spekulieren westliche Auguren bereits über eine Schwächung Rußlands. Tatsächlich sind die Schwachpunkte nicht zu übersehen: Bevölkerungsschwund, Brain-Drain, verantwortungslose „neue Russen“, offene Grenzen im Fernen Osten. Aber Rußland verfügt trotz allem noch über erhebliche Machtressourcen, die es im Konfliktfall mobilisieren kann, nicht zuletzt einen aus jahrhundertelanger Leidenserfahrung geborenen Patriotismus. Wenn Europa an einer europäischen und nicht einer „euro“-islamischen Zukunft gelegen ist, liegt es im europäischen Interesse, die Russen als Europäer ernstzunehmen, statt zu verteufeln. Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin