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Teure Entlastung

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Die Opposition, die der Großen Koalition aus Union und SPD gegenübersteht, hat ihre Schwäche in dem hilflosen Widerstand gegen die Berufung von 30 Parlamentarischen Staatssekretären gezeigt – zwei mehr als unter Rot-Grün. Renate Künast (Grüne) nannte die Aussage von Angela Merkel, diese Ämter dienten der Bürgernähe, „einen Versuch, die Menschen in die Irre zu führen“. Doch die Sache ist schlimmer. Mit den Parlamentarischen Staatssekretären hatte die erste Große Koalition (1966-1969) angefangen. Zweck der neuen Ämter sollte sein, den Bundesministern hilfreich zur Seite zu stehen, vor allem die Beziehungen zu den Parlamentsfraktionen zu pflegen, und dem Minister „repräsentative“ Aufgaben abzunehmen. Dafür wurden sie, es waren damals sieben, die in den großen Ministerien eingesetzt wurden, fürstlich bezahlt. Sie bekamen – und so ist es noch heute – ein Amtsgehalt von drei Vierteln der Bezüge eines Bundesministers (etwa 15.000 Euro). Daneben behalten sie die Hälfte ihrer Abgeordnetendiäten. Parlamentarischer Staatssekretär konnte nur werden, wer Mitglied des Bundestages war – sonst hätte er an den Sitzungen der Fraktion, zu der er die Beziehungen pflegen sollte, nicht teilnehmen können. So kam es, daß der „Ministergehilfe“ besser gestellt war als sein Minister – wenn dieser nicht MdB war. Und sind politische Ämter einmal da, fehlt es nicht an Personal, sie zu besetzen. In der SPD/FDP-Regierung unter Willy Brandt ab 1969 hatte dann jedes Ministerium seinen „Parlamentarischen“. Später bekamen manche Ministerien sogar zwei. Darauf hat sich jetzt die „Spar“-Regierung Merkel/Müntefering eingependelt. Die Berufung der „Parlamentarischen“ liegt bei der Kanzlerin, die die Kandidaten dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorschlägt. Sie muß mit dem jeweiligen Minister „Einvernehmen“ herstellen. Einem Minister einen unerwünschten Gehilfen aufzudrängen, das paßt nicht. Von einem Fehler hat man freilich abgesehen. In den rot-gelben und schwarz-gelben Koalitionen wurde dann gelegentlich die politische Regierungsspitze „zweifarbig“ besetzt. Man pries das als eine schlaue Verklammerung der Koalition. In Wirklichkeit funktionierte dieses System nur, wenn es gelang, den „Parlamentarischen“ zum stillen Genießer (Dienstwagen mit Fahrer, Persönlicher Referent, Sekretärin) zu machen. Dann arbeitete das Ministerium in der bewährten Weise: mit dem Minister als der politischen Spitze und dem beamteten Staatssekretär (neuerdings gibt es mehrere), der Berufsbeamter ist (oder sein soll) und dem Minister die Verwaltungsarbeit abnimmt. Die Frage, wozu das Amt gut sei, wurde bald nicht mehr gestellt. Mit der „Entlastung“ des Ministers von Repräsentativem war es in der Regel nicht so weit her. Die wichtigen Verbände wollen „den Minister“ sehen, nicht einen Staatssekretär, der noch nicht einmal der Vertreter des Ministers in der Leitung des „Hauses“ ist. Allenfalls im Auswärtigen Amt gewannen die neuen Ämter einen gewissen Nutzen. Als Vorbedingung wurde freilich erkannt, daß sie eine schmückendere Bezeichnung trugen. Sie werden „Staatsminister“ tituliert. Das ändert an dem Amt nichts. Aber dann begrüßt der Präsident von Nicaragua wenigstens einen „Minister“ als Staatsgast aus Deutschland. Das Kanzleramt wollte nicht zurückstehen: Auch dort heißen die Parlamentarischen Staatssekretäre Staatsminister. Es war ein Zeichen für die Fremdheit Gerhard Schröders gegenüber den institutionellen Ordnungen, daß er mit der Berufung eines Parlamentarischen Staatssekretärs mit dem Schmucktitel „Staatsminister“ für Fragen der Kultur gegen das Gesetz verstieß. Der Nicht-Parlamentarier Naumann sollte das Amt haben. Flugs wurde passend gemacht, was nicht paßte: Im Gesetz für das Kanzleramt ließ der Kanzler die Bedingung streichen, daß der Parlamentarische Staatssekretär Abgeordneter sein müsse. Man kann die Amtsvoraussetzungen der „Parlamentarischen“ so zusammenfassen: Er muß bereit sein, den beamteten Staatssekretär als den Behördenleiter und Amtsvertreter des Ministers anzuerkennen. Unter dieser Bedingung kann er ausnahmsweise mit der Aufsicht über Fachabteilungen betraut werden. „Entlasten“ darf er den Minister nur insoweit, daß er in weniger heiklen Fragestunden im Parlament auftritt. Das Amt hat sich nicht als Vorschule für ein Ministeramt bewährt. Eine Hand reicht aus, die Fälle aufzuzählen, da ein Parlamentarischer Staatssekretär seinem Minister nachgefolgt wäre. Bei so geringem Nutzen ist das Amt mit einem Dreiviertel-Ministergehalt plus Nebenleistungen zu gut bezahlt. Vorschlägen, die sich auf die Begrenzung der Kosten politischer Ämter beziehen, pflegen die Politiker mit gekränkter Unschuldsmiene zu begegnen: Es gehe doch um wenig Geld. Wenn man dreißig Ämter Parlamentarischer Staatssekretäre abschaffte, sparte das 30 mal 500.000 Euro pro Jahr, und heute gilt „Sparen“ nur noch in Milliardenhöhe etwas. Aber die Chance, einen beachtlichen Betrag einzusparen, damit sogar dem Betriebsablauf zu nützen und guten Willen zu zeigen: Das kann eigentlich nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Trotzdem wird nichts daraus werden. Denn fünfzehn Ministerämter fügen sich leichter zu einem Koalitions-Mosaik, wenn als Schmucksteine dreißig weitere ansehnliche Ämter zu Gebote stehen.

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