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Ein steiniger Weg

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Ein steiniger Weg

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Wer auch immer das herbstliche Wahlrennen gewinnt, an den wirtschafts- und finanzpolitischen Realitäten kommt keiner vorbei: hohe Arbeitslosigkeit, fehlendes Wirtschaftswachstum, löchrige Haushalte, weil die Steuereinnahmen wegbrechen und die Ausgaben nicht gebändigt werden, marode Sozialsysteme, in die keiner mehr einzahlen mag und aus denen alle das Maximale herausquetschen wollen, und schließlich der immense Berg an Staatsschulden mit seinen fatalen Auswirkungen. Mit diesen „Vorgaben“ muß die künftige Regierung leben. Das scheinbare Patentrezept der letzten drei Jahrzehnte – „Es ist bisher gutgegangen, warum also nicht auch die nächsten vier Jahre“ – wirkt nicht mehr. Die Kletterei der Staatsfinanzen ist am Ende der Fahnenstange angelangt. Jetzt droht der Absturz mit freiem Fall und hartem Aufschlag. Im Prinzip bieten sich nur zwei Möglichkeiten: Entweder den „Crash“ bewußt in Kauf nehmen und dann auf einen Neubeginn setzen oder das wirtschafts- und finanzpolitische Ruder hart herumreißen. Die erste Variante bedeutet staatliche Bankrotterklärung, Währungsreform und Anfang bei Stunde Null mit einem minimalen staatlichen Sozialsystem wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Abwegig ist das nicht. Schließlich setzt auch Angela Merkel, die designierte Kanzlerkandidatin der CDU/CSU, auf die Neuanfangsmentalität wie in alten Zeiten, als das Wirtschaftswunder nicht in Aussicht stand, dann aber doch geschah. Der andere Weg ist steiniger. Die undankbare Erblast der staatlichen Hochverschuldung und der zu lange hinausgezögerten Sozialreformen muß übernommen und abgetragen werden. Damit lassen sich nur bei den Vernünftigen und Weitsichtigen Meriten verdienen. Jeder Opposition wird es ein Leichtes sein, die „Straße zu mobilisieren“ und die „soziale Ungerechtigkeit“ anzuprangern. Welche der beiden Gruppen in der wahlberechtigten Bevölkerung die Mehrheit bildet, bleibt fraglich. Mit der auf stupide staatliche Umverteilung fixierten Gerechtigkeitsauffassung des stets gescheiterten Sozialismus kann eine Gesundung von Staat und Wirtschaft nicht gelingen. Davon die Mehrheit der Deutschen zu überzeugen, ist eine unumgängliche Grundaufgabe jeder Regierung, die den umfassenden Zusammenbruch vermeiden will. Dazu gehört insbesondere die Aufklärung, daß die hohe Arbeitslosigkeit nur durch Lohneinbußen beseitigt werden kann. Sämtliche administrativen Verrenkungen bei der staatlichen Arbeitsvermittlung bis hin zur kosmetischen Aufpolierung mit Bezeichnungen wie „Arbeitsagentur“ helfen nicht weiter, solange die Kunden des Arbeitsangebots, die Nachfrager nach Arbeitsleistungen, kurz: die Unternehmen, keine Basis für Neueinstellungen (oder die Vermeidung von Entlassungen) erhalten. Die Arbeitskosten sind in Deutschland zu hoch, gemessen an den internationalen Löhnen und Leistungen. Die Deutschen müssen, ob sie wollen oder nicht, mit Polen, Tschechen und Ungarn konkurrieren; und das nicht nur als Bauarbeiter oder Schlachter, sondern auch als Ärzte oder Ingenieure. Sie müssen sich also nicht nur einem bloßen „Lohndumping“ stellen, sondern auch einem Qualitätswettbewerb – angesichts der Pisa-Ergebnisse eine große Herausforderung. Das führt über die Diskussion der zu hohen Lohnnebenkosten zwangsläufig zur Offenlegung, daß die deutschen Sozialleistungen nicht mehr in dem bisher gewohnten Umfang und der althergebrachten Organisationsform aufrecht erhalten werden können. Die Eigenverantwortung bei der Vorsorge und der Therapie im Gesundheitswesen entsteht unmittelbar, wenn die staatlichen Systeme mangels Finanzierbarkeit zusammenbrechen. Hier gilt es geordnete Übergänge zu schaffen, um ein unbarmherziges Chaos zu vermeiden. Gleiches trifft auf die Altersvorsorge zu. Das bestehende staatliche Rentensystem ist mit den üblichen Mitteln des geringfügigen Drehens an den Beitrags- oder Leistungsschrauben nicht mehr zu retten. Die sehr genau vorhersehbare demographische Entwicklung wird folglich zu einem Herabnivellieren der gesetzlichen Rentenzahlungen auf Sozialhilfeniveau führen. Die von Wirtschaftswissenschaftlern schon lange diskutierte einheitliche „Bürgerrente“ gilt es jetzt anzukündigen und durchzusetzen, bevor die Rentenkasse Insolvenz anmeldet. Finanzpolitisch unvermeidbar ist die Senkung der Staatsausgaben. Auch da gab es Vorüberlegungen, die sogar parteiübergreifende Züge trugen. Im Oktober 2003 entwickelten die Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU/Hessen) und Peer Steinbrück (SPD/NRW) das „Rasenmähermodell“ zur sukzessiven Kürzung staatlicher Subventionen. Das erfolgversprechende Konzept wurde in beiden Parteien für „politisch nicht durchsetzbar“ erklärt. Die Realität könnte anderes lehren. Unternehmenssteuersenkung und Mehrwertsteuererhöhung wirken dagegen eher wie „Sekundärtugenden“, die mehr der Psychologie dienen. Allerdings auch nur so lange, wie damit keine Neuverschuldung erzeugt wird. Den Schuldenberg abzubauen ist die oberste Staatspflicht jeder kommenden Regierung; oberste Bürgerpflicht, die wirtschaftliche, staatsfinanzielle und sozialorganisatorische Notsituation zu begreifen.

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