Die Forderung der Politiker nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf allen Autobahnen Deutschlands ist verständlich. Die Unfallursachen sind vielfach erforscht, es sind unter anderem zu schnelles und aggressives Fahren durch Autofahrer. Dies sind die Hauptursachen. Das Recht auf freie Fahrt kann nur gewährt werden, wenn alle Autofahrer sich entsprechend bewußt auf den Straßen bewegen. Das heißt ein entsprechend angepaßtes Fahren je nach Verkehrssituation, Wetterlage, Straßenbeschaffenheit. Durch die Selbstüberschätzung kommt es immer wieder zu tragischen Nachrichten im Abendfernsehen. Wir können jeden Abend verfolgen, welches fahrlässige Verhalten mal wieder Unschuldige das Leben gekostet hat. Auch die persönliche Fahrerfahrung zeigt, daß durch Herabsetzen der erlaubten Geschwindigkeit ehemals stark unfallbelastete Fahrstrecken wieder sicherer wurden. Auch die Bilanz im Unfallopfer-Netz e.V. zeigt, daß bei den meisten Unfallopfern zu dichtes Auffahren und zu hohe Geschwindigkeit zu den Unfällen führten. Diese Menschen sind völlig unverschuldet Opfer derjenigen, die für sich immer wieder in Anspruch nehmen, schnell vorwärtskommen zu wollen. Dieses Recht kann offenbar nicht ohne Rücksicht auf Verluste verwirklicht werden. Würden diejenigen Autofahrer, die gerne das Recht des schnellen Vorwärtskommens in Anspruch nehmen, sich so verantwortungsbewußt verhalten, daß dadurch keine Erhöhung der Unfallstatistik stattfindet, wäre die Diskussion über eine Geschwindigkeitsbegrenzung überflüssig. Eine andere Überlegung: Würde man den Sicherheitsabstand zwischen zwei fahrenden Fahrzeugen auf 500 Meter ansetzen, gäbe es wahrscheinlich keine Unfälle mehr. Wenn sich die Sicherheit auf deutschen Straßen nicht durch das Verhalten aller Autofahrer verwirklichen läßt, ist der Staat dazu gezwungen, mit Geschwindigkeitsbegrenzungen zu reagieren. Aus der Sicht als selbst betroffenes Unfallopfer würde ich diese Entscheidung auch begrüßen. Carmen Schilb ist Vorstandsvorsitzende von Unfallopfer-Netz e.V. (Internet: www.unfallopfer-netz.de ). Das allgemeine Tempolimit auf allen Autobahnen zu fordern ist ein fragwürdiges ideologisches Manöver. Besonders störend ist daran, daß es medienwirksam aus dem individuellen Versagen von Verkehrsteilnehmern konstruiert ist – als Geschichte vom schwachen (Kiafahrenden) Rotkäppchen und dem bösen Wolf im Mercedes, der sie berührungslos von der Straße haut. Diese Nutzung der komplexen Einzel-Situation zur Beschreibung des Gefahrenbildes „Raser“ im modernen Verkehr führt fast logisch zur Forderung nach einem allgemeinen Tempolimit. Wenn alle langsamer fahren würden, so die Träume der Tempolimitbefürworter, sinken die Differenzgeschwindigkeiten, es drängelt niemand mehr, jeder kann gefahrlos überholen bei konstanter Geschwindigkeit von 100-130 km/h. Träume, die von der Realität eingeholt werden: Man vergißt, daß die Schnittgeschwindigkeit auf allen Autobahnen unter 120 km/h liegt, sich nur 12 Prozent der Unfälle auf Autobahnen abspielen, obwohl dort mehr als ein Drittel des Straßenverkehrs rollt, und daß sich gut 95 Prozent dieser Unfälle bei Geschwindigkeiten bis Tempo 100 ereignen. Autofahrer, die mit deutlich höherer Geschwindigkeit einen Unfall verursachen, werden ohnehin daran gemessen, ob der Unfall bei Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre – wenn ja, haftet der Verursacher mit. In Wirklichkeit geht es um Sozialneid als ideologisches Instrument der Anti-Auto-Fraktion, das Schüren eines schlechten Gewissens. Denn Länder mit generellem Tempolimit haben (siehe Schweiz, Frankreich, Italien) keine bessere Bilanz. Wer heute Tempo 130 will, muß morgen mit seinen gleichen Argumenten Tempo 100 und übermorgen Tempo 80 fordern. Das ist gewollt: Stillstand statt Lösung der anstehenden Probleme, die Bahn soll’s richten, obwohl die ihre Kapazität verdoppeln müßte, wenn morgen nur 6 Prozent der Autofahrer umsteigen wollten. Alfred F. Fuhr ist Leiter des Automobilclub von Deutschland e.V. (AvD)-Institutes für Verkehrssoziologie.