Es war zu befürchten: Ein Präsident von Merkels Gnaden, in letzter Sekunde als Joker für den „Wechsel“ aus dem Hut gezogen – wer da einen originären Reformer erwartet hat, der die langweilige Partitokratie aufmöbeln würde, ist selbst schuld, wenn er jetzt enttäuscht ist. In Polen auf die Tränendrüse gedrückt und sich angebiedert auf dem Rücken der deutschen Heimatvertriebenen, in Frankreich so undiplomatisch das US-hörige Sprachrohr der Merkel-CDU gespielt, daß Chirac ihn zehn Minuten vor der Zeit aus der Audienz geworfen hat – das ist bisher die Bilanz Horst Köhlers als Bundespräsident. Schade – denn der erste Mann im Staat könnte einiges bewirken. Einem Präsidenten, der über den Parteien steht, hätte es gut angestanden, den von allen politischen Lagern mißachteten Forderungen der Vertriebenen nach einer würdigen Gedenkstätte und nach Rückgabe des geraubten Guts Nachdruck zu verleihen. Statt dessen redet Köhler der polnischen Seite so sehr nach dem Munde, daß sogar der linksradikale Blick nach rechts Beifall klatscht. Die Vorschußlorbeeren, mit denen man Horst Köhler wegen einiger patriotischer Töne in seiner Antrittsrede bekränzt hat, waren wohl verfrüht. Für einen vermeintlichen „Seiteneinsteiger“ steckt er reichlich tief im Sumpf des CDU-Konformismus. Köhler geriert sich wie Merkels Steigbügelhalter, nicht wie der Präsident aller Deutschen. Selbst wenn er in Sachen Diplomatie noch dazulernen dürfte: Mit Horst Köhler wird das weitere Abdriften der Republik nach links nicht aufzuhalten sein.