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Welcher Teufel hat Wolfgang Wagner nur geritten, als er 2003 den Beelzebub der Hochkultur, Christoph Schlingensief, einlud, den „Parsifal“ zu inszenieren? Immerhin wurde der Regisseur, dessen erste Operninszenierung ausgerechnet auf dem Grünen Hügel stattfindet, mit seinen Aktionen doch als stark grenzwertiges enfant terrible des subkulturellen Theaters bekannt. Die Bayreuther Festspiele aber gelten immer noch als das Festspiel einer bürgerlichen Hochkultur, das Festspielhaus immer noch als der Tempel der Wagner-Gemeinde. Den Herren des Hügels, den dienstältesten Festivalleiter der Welt und Urenkel Richard Wagners, kümmern die Kritiken indes wenig. Das Engagement des dänischen Filmregisseurs Lars von Trier – der sich mittlerweile der Aufgabe nicht mehr gewachsen fühlt, was dem Patriarchen zu denken geben sollte – und des Medien-Zampanos Schlingensief ist für ihn wohl der Anschluß an eine Avantgarde, mit der er die Zukunftsfähigkeit der in den letzten Jahren heftig kritisierten Festspiele (und ihres Leiters) beweisen will. Tatsächlich aber demonstriert es den Ausverkauf aller Werte dieser Weihespielstätte. Bayreuth als Ort der Vollkommenheit, der Besinnung und Konzentration auf die Substanz der Werke Wagners: Das war einmal. 1919 geboren, führte Wolfgang Wagner mit Bruder Wieland die Festspiele ab 1951 – seit 1966 als unkündbarer Alleinherrscher – mit voller Kraft, Kompromißlosigkeit und oberfränkischer Bauernschläue in die Zukunft, indem er das Erbe, zumindest formell, per Stiftungsgesetz in Staates Hände legte. Darüber zerbrach die Familie, die den Deutschen das Königshaus zu ersetzen scheint: Erbstreitigkeiten und Verstöße wurden Teil der Sippenmythologie. Wagners Mut, gepaart mit der landesüblichen Sturheit, ist nun in einen vorauseilenden Pragmatismus umgeschlagen. Er kümmert sich inzwischen eher um „große Namen“ als um Inhalte. Die Preisgabe der bürgerlichen Werte zugunsten einer vermeintlichen „Moderne“ dürfte inzwischen schwerer ins Gewicht fallen als die einstige Reformation der Festspiele. 1976 engagierte Wagner gegen viel Kritik eine französische Mannschaft, die eine bedeutende „Ring“-Inszenierung produzierte und Geschichte schrieb. Heiner Müller, den er 1994 nach Bayreuth holte, legte eine ernsthafte „Tristan“-Inszenierung vor, die Kultstatus erlangte. Tempi passati – nach künstlerisch lähmenden Jahren hat der greise Festspielleiter inzwischen nichts weiter zu tun, als mit dem Hinweis auf die permanente Ausbuchung aller Sitzplätze die künstlerische Integrität der Festspiele an den „Kulturbetrieb“ zu verkaufen. „Kinder, schafft Neues“ – diesen Satz seines Großvaters hat der Enkel offensichtlich mißverstanden. Nicht einmal die Nornen wissen, wie es nach dem Zeitgeist-Schnickschnack mit den Festspielen weitergehen soll. Macht ja nichts. Hauptsache, es ist ausverkauft.

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