Denkmäler für den 17. Juni 1953 sollten in den
Städten gesetzt werden, in denen auch der Aufstand in der Art und Weise stattfand, die der Partei- und Staatsführung der DDR richtig wehtat und an die Nieren ging. Kleine Geplänkel bedürfen auch keiner Denkmäler, insbesondere nicht im Westen der Bundesrepublik. Es nutzt nichts, wenn jede Stadt eine Straße oder einen Platz in diesem Sinne umbenennt beziehungsweise ein Denkmal errichtet. Vielmehr sollte dies nur dort geschehen, wo auch – wie zum Beispiel in Leipzig, Dresden, Görlitz, natürlich auch Berlin – Panzer rollten und auf Menschen geschossen wurde. An diesen Orten muß ein Denkmal an die erinnern, die sich erhoben, um für Freiheit und Einheit zu kämpfen. Diese Menschen wollten ausbrechen aus der Diktatur des Proletariats und dem Stalinismus, wollten weg von der Doktrin von Marx und Lenin. Wäre dies gelungen, so hätte die Menschen der DDR nicht mehr fast vierzig Jahre auf die Befreiung und Wiedervereinigung warten müssen. Alle Opfer von Mauer und Stacheldraht wären vermieden worden. Indirekt erinnern die geplanten Denkmäler an diese Menschen. Es ist nicht notwendig, daß Denkmäler, die an die Kämpfe des 17. Juni und an die Opfer erinnern, die Größe eine Holocaustdenkmals haben müssen. Wünschenswert wäre es, wenn mehrere kleine Denkmäler auf die Schicksale der Opfer hinweisen würden. Diese Denkmäler sollten uns erinnern, daß das Deutsche Volk nie wieder von einer Partei derartig geschurigelt und gedemütigt wird, wie es die SED mit den Menschen der DDR tat! Günter Assmann , 82, war 1953 Lehrer an der Grundschule in Görlitz, die als einzige Schule am 18. Juni streikte. Auch nachdem sie von der kasernierten Volkspolizei besetzt wurde, gab es keinen Unterricht. Assmann war am 17. Juni 1953 an der Befreiung der Inhaftierten der Vollzugsanstalt in Görlitz beteiligt. Dafür wurde er zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Denkmäler müssen sein. Zur Erinnerung an Epochen der Zeitgeschichte, an prägende Persönlichkeiten oder auch an negative Geschehnisse – schon um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Nur tendieren manche in Richtung einer Beliebigkeit, stehen irgendwo bezuglos in der Gegend herum, ohne von denen wahrgenommen zu werden, an die sie sich eigentlich richten sollten. Daher würden mehrere Denkmäler nur den Zweck verwischen, zu welchem sie ihre Befürworter gedachten. Die Straße des 17. Juni in Berlin ist so ein Beispiel dafür: Kaum jemand erinnert sich doch wirklich an die Ereignisse vor fünfzig Jahren (zumal sie kaum dort stattfanden), wenn er inmitten von Millionen Besuchern bei der Love Parade mittendrüber flaniert. Da liegt der wahrhafte Grund des Versäumnisses in unserer Gesellschaft. Was wir brauchen, sind mehr Seiten in den Schulbüchern, mehr Platz in den Köpfen. Wenn etwas geschichtlich kaltgestellt werden soll, schafft man „Denkmäler“ für Personen oder Geschehnisse, widmet ihnen einen Kult, dem sie vielleicht sogar so unwürdig sind, daß man sie Jahre später wieder von ihrem Sockel holt. Dies wäre zwar kaum mit den Denkmälern der Fall, die die Revolutionäre des 17. Juni 1953 verdient hätten, aber dem Vergessen würden auch sie anheimfallen. Was auch gegen weitere Denkmäler zu dem einen Tag spricht, ist die Ausschließlichkeit. Was ist mit den Opfern, die die Mauer hervorrief, was mit denen, die nicht zu Tode kamen und durch staatliche Verfolgung in den Wahnsinn getrieben wurden, die sich selbst um eine Rehabilitation nach dem Mauerfall bemühen mußten? Sie alle verdienen unsere Achtung, wir sollten sie aber nicht in eine Schublade stecken und „Denkmal“ draufschreiben. An all den kleinen Steintafeln, die schon existieren, gehen Tausende unwissend vorbei, ohne hinzuschauen. Sorgen wir dafür, daß wir nicht nicht erst hinschauen müssen, um Bescheid zu wissen. Joachim Schuhmacher war jahrzehntelang Handwerksgeselle in Leipzig, ist am 17. Juni jedoch nicht aktiv beteiligt gewesen.
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